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Kritik an der Europäischen Zentralbank
Jens Weidmann und die Riesenschildkröte

Vergleicht die Inflationsgefahr mit einer vermeintlich ausgestorbenen Riesenschildkröte: Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann.
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Inflation sei wie eine Riesenschildkröte, von der man gedacht habe, sie sei längst ausgestorben. Mit diesem Vergleich hat Jens Weidmann jüngst überrascht. Der Chef der Deutschen Bundesbank, die zum System der Europäischen Zentralbank (EZB) gehört, erklärte dazu, eben erst habe man wieder eine solche Schildkröte gefunden. Und genauso gut sei es möglich, dass auch die Inflation zurückkehre.

Die Bemerkung dürfte vor allem auch deshalb Beachtung finden, weil die Preise in der Eurozone jüngst tatsächlich deutlich angestiegen sind, obwohl die meisten Beobachterinnen und Beobachter das mit vorübergehenden Faktoren erklären.

Auch wenn aktuell noch nichts auf eine hohe bleibende Teuerung hindeute, fordert Weidmann, die 2020 wegen der Corona-Krise eingeführten Käufe von Anleihen langsam zurückzufahren.

Bereits seit er die Leitung der Bundesbank im Jahr 2011 vom aktuellen UBS-Präsidenten Axel Weber übernommen hat, gilt der 53-jährige Weidmann als wichtigster Kritiker der EZB-Geldpolitik. Seit November 2019 wird die Euro-Notenbank von der Französin Christine Lagarde geleitet, die damals den Italiener Mario Draghi abgelöst hat.

Das Anti-Euro-Erbe der Bundesbank

Vor seiner Präsidentschaft war Weidmann nie für die Bundesbank tätig. Zuvor arbeitete der studierte Ökonom für die Regierung von Kanzlerin Merkel. Gut möglich, dass er gerade deshalb mit seiner unnachgiebigen Haltung gegenüber der EZB ein Bekenntnis zur historischen Rolle der Deutschen Bundesbank abgeben will.

Schon rund ein Jahrzehnt vor der Gründung der EZB und der Einführung des Euro 1999 warnten Weidmanns Vorgänger an der Spitze der Bundesbank vor den Plänen mit der neuen Währung. Ihre Befürchtung: Der Euro werde durch Inflation so schwach, wie es einst die italienische Lira und die anderen europäischen Währungen waren. Geopfert würde dafür die stolze und stahlharte Deutsche Mark – herausgegeben durch die Bundesbank.

Während der Bundesbank-Präsidentschaft von Weidmann ergriff die EZB tatsächlich Massnahmen, die man einst für verrückt gehalten hätte.

Während der Bundesbank-Präsidentschaft von Weidmann ergriff die EZB tatsächlich Massnahmen, die man einst für verrückt gehalten hätte. Dazu zählen milliardenschwere Käufe von Staatsanleihen oder Negativzinsen.

Allerdings war die EZB mehr noch als andere Notenbanken auch zu extremen Massnahmen gezwungen. Die Politik hat während der schlimmsten Jahre der Eurokrise weitgehend versagt. Es war dann das kühne Vorpreschen des damaligen EZB-Chefs Mario Draghi, das den Zusammenbruch der Währungsunion verhindert hat. Gegen den Widerstand von Jens Weidmann.

Als die Zinsen selbst in Kernländern der Eurozone gefährlich zu steigen begannen und einem Euroland nach dem anderen die Zahlungsunfähigkeit drohte, versprach Draghi, im Notfall und gegen harte Bedingungen Staatsanleihen der Länder zu kaufen. Das führte sogleich zur Beruhigung.

Ein Journalist schrieb einst, Weidmann und Jordan seien sich so nahe, dass kein Blatt zwischen sie passe.

Gern gesehen ist Weidmann bei der Schweizerischen Nationalbank. Als er im März 2015 in Zürich zusammen mit SNB-Präsident Thomas Jordan öffentlich auftrat, wurde die Verbundenheit zwischen den beiden derart deutlich, dass ein Journalist schrieb, zwischen Weidmann und Jordan passe kein Blatt.

Die andere deutsche Stimme

Zu Inflation hat die Politik der EZB aber trotz der Warnung von Weidmann bisher nie geführt. Die Notenbank hätte sie sogar immer lieber höher gesehen. Dennoch hat das nie die Position von Weidmann und anderen Kritikern geschwächt. Sollte sich die Teuerung jetzt zeigen wie die ausgestorben geglaubte Riesenschildkröte, dürfte das seine Position und seine Argumentationslinie stärken.

Mit Isabel Schnabel war es aber ausgerechnet die zweite Deutsche im Entscheidungsrat der EZB, die Tage nach Weidmanns Vortrag Entwarnung gab: Den jüngsten Preisanstieg in der Eurozone sieht sie nicht als Gefahr, sondern als Zeichen der Normalisierung. Und anders als Weidmann fordert sie energisch, jetzt auf keinen Fall die grosszügige Geldpolitik im konjunkturell nach wie vor kritischen Moment einzuschränken.