Konflikt im Roten MeerWer sind die Huthi-Rebellen und wieso haben die USA jetzt reagiert?
Die Miliz attackiert Handelsschiffe – mit spürbaren Auswirkungen in Europa. Die USA hielten sich lange zurück, nun folgte der Angriff. Was hinter dem Konflikt im Roten Meer steckt.

Über Wochen hinweg hatten die USA und eine Reihe weiterer Staaten die Huthis im Jemen gewarnt. Sollten die Rebellen ihre Drohnen und Raketenattacken auf Handelsschiffe im Roten Meer nicht einstellen, müssten sie mit gravierenden Folgen rechnen, hiess es aus Washington. Die Attacken gingen unvermindert weiter, doch die USA zögerten bislang mit einer militärischen Reaktion.
Als die Huthis am Dienstag dann aber ihre bislang heftigste Angriffsserie mit 18 Drohnen, Antischiffs-Marschflugkörpern und einer ballistischen Rakete im Roten Meer starteten, sahen Washington und London offenbar keine andere Wahl, als zurückzuschlagen.

In der Nacht zum Freitag bombardierten amerikanische und britische Kriegsschiffe und Kampfjets im grossen Stil Einrichtungen der Huthis in Sanaa, der Hauptstadt des Jemen. Die militante Gruppe kündigte umgehend Vergeltung an.
Ein Blick auf die Huthis, ihre Motive und das Kalkül der USA und ihrer Verbündeten:
Wer sind die Huthis?
Die schiitische Kampfgruppe entstand unter dem religiösen Führer Hussein al-Huthi und wurde nach der Invasion der USA im Irak grösser. Ihr Slogan «Gott ist gross! Tod den USA! Tod Israel! Verdammt seien die Juden! Sieg dem Islam!» wurde populär und von der pro-amerikanischen Regierung im Jemen nicht toleriert. Al-Huthi wurde 2004 getötet.
Im Jahr 2014 marschierten die Rebellen von ihrer Hochburg im Norden Jemens gen Süden und nahmen Sanaa ein. Sie zwangen den Präsidenten des Landes und die international anerkannte Regierung zur Flucht in den Süden und später nach Saudiarabien.

Es entspann sich ein zermürbender Bürgerkrieg, in den sich eine von Riad angeführte Militärkoalition mit dem Ziel einschaltete, die ins Exil geflohene Führung wieder im Jemen einzusetzen.
Die jahrelangen blutigen Kämpfe entwickelten sich letztlich zu einem festgefahrenen Stellvertreterkrieg zwischen Saudiarabien und dem die Huthis unterstützenden Iran. Mehr als 150’000 Menschen wurden nach UNO-Schätzungen in dem Krieg getötet, weitere 227’000 starben an den Folgen des Krieges, der im Jemen eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der Welt ausgelöst hat. Hunger und Leid sind im ärmsten Land im arabischen Raum weit verbreitet, die medizinische Versorgung ist vielerorts mangelhaft.

Vor mehr als einem Jahr endete eine Waffenruhe, die aber noch immer weitgehend eingehalten wird. Saudiarabien und die Huthis haben einige Gefangenenaustausche umgesetzt. Erst im September wurde eine Delegation der Rebellen zu ranghohen Friedensgesprächen in Riad eingeladen, die im Rahmen einer Annäherung zwischen dem Königreich und dem Iran erfolgten. Zwar wurden nach den Verhandlungen damals «positive Resultate» gemeldet, einen dauerhaften Frieden im Jemen gibt es jedoch noch immer nicht.
Attacken auf Schiffe
Die Huthis haben im Laufe der Zeit hin und wieder Schiffe in der Region ins Visier genommen. Diese Angriffe häuften sich seit Beginn des Gazakrieges nach den beispiellosen Massakern der Terrororganisation Hamas und anderer Extremistengruppen am 7. Oktober im Süden Israels.
Nach einer Explosion auf einem Krankenhausgelände in der Stadt Gaza am 17. Oktober eskalierten die Huthi-Attacken auf Schiffe im Roten Meer. Gleichzeitig begannen heftige Angriffe militanter Gruppen auf US-Stützpunkte im Irak und in Syrien.
Bis Donnerstag hätten die Rebellen 27 unterschiedliche Attacken auf Schiffe verübt, die das südliche Rote Meer passiert hätten, sagte Pentagonsprecher Pat Ryder. Der Militärsprecher der Huthis, Jihia Saree, erklärte, seine Gruppe wolle israelische Schiffe daran hindern, das Gewässer und den Golf von Aden zu befahren, «bis die israelische Aggression gegen unsere standhaften Brüder im Gazastreifen aufhört».
Doch hatten nur wenige der attackierten Schiffe direkte Verbindungen zu Israel. Bei den Aktionen der Huthis sind hingegen Handelsschiffe beschädigt worden, internationale Reedereien sahen sich in der Folge gezwungen, ihre Frachter umzuleiten und sie den deutlich längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung fahren zu lassen. Mit spürbaren Auswirkungen in Europa, es entstehen Lücken in Lieferketten, so muss Tesla beispielsweise für die Produktion in Deutschland pausieren.

Angesichts der anhaltenden Angriffe verkündete Pentagonchef Lloyd Austin die Schaffung einer Schutztruppe für Handelsschiffe im Roten Meer, der neben den USA mehr als 20 andere Länder angehören.
Wenn Kriegsschiffe dieses Bündnisses nicht die Schiffe eskortiert und Geschosse abgefangen hätten, wären sicherlich Schiffe getroffen und vielleicht sogar versenkt worden, darunter ein mit Kerosin beladener Frachter, sagte ein ranghoher US-Regierungsvertreter am Donnerstagabend vor Reportern. Es habe Fälle gegeben, bei denen es «extrem knapp» gewesen sei.
Das Kalkül der USA
Dass Washington erst jetzt auf die anhaltenden Attacken der Huthis militärisch reagierte, führen Beobachter vor allem auf Sorgen in der US-Regierung vor einer Aushebelung der wackeligen Feuerpause im Jemen zurück. Das Weisse Haus treibt zudem die Befürchtung um, dass sich der Konflikt im Nahen Osten ausweiten könnte. Daher gilt es, ja keine neue Kriegsfront zu eröffnen.
Seit dem 17. Oktober attackierten mit dem Iran verbündete Milizen im Irak 53-mal US-Basen mit Angriffsdrohnen und Raketen, in Syrien gab es 77 solcher Attacken. Dutzende US-Soldaten wurden dabei verletzt, viele erlitten Hirntraumata. Die USA reagierten mit Luftangriffen auf Ziele in Syrien, die Waffenlagern und anderen Einrichtungen galten, die mit der iranischen Revolutionsgarde und mit Milizen verbunden sind.
Ende 2023 nahm das US-Militär Stätten im Irak ins Visier, nachdem eine proiranische Miliz erstmals ballistische Kurzstreckenraketen auf US-Truppen am von den Amerikanern genutzten Luftwaffenstützpunkt Al-Asad abfeuerte.

Im Umgang mit den Huthis schienen die USA bis zuletzt einem anderen Kalkül zu folgen. So verlautete aus dem Pentagon zwar bisher, dass US-Marineschiffe in ihre Richtung abgefeuerte Drohnen der Rebellen abgeschossen hätten, weil sie als Bedrohung eingestuft worden seien. Zugleich hatten Vertreter des Verteidigungsministeriums später betont, man sei zur Einschätzung gelangt, dass die US-Kriegsschiffe nicht das Ziel gewesen seien.
Für die Matrosen, die den Weg der Drohnen auf Radaren verfolgen und in Sekundenschnelle Entscheidungen über deren potenzielle Gefährlichkeit treffen müssen, war dies wohl nur ein schwacher Trost.
Mit Blick auf die Angriffe proiranischer Gruppen im Irak und in Syrien erklärte Pentagonsprecher Ryder, dass die militärischen Gegenschläge der USA nicht zu einer Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten geführt hätten. Ob es nach den amerikanischen und britischen Angriffen auf Waffendepots und andere Einrichtungen der Huthis zu einer Eskalation in der Region kommt, muss sich nun zeigen.
DPA/anf
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