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Beziehungen USA - China
Janet Yellen reist nach Peking – und die Erwartungen sind hoch 

Die US-Finanzministerin auf heikler Mission: Janet Yellen soll die Beziehungen zwischen den USA und China verbessern.
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Hätte Präsident Joe Biden nicht plötzlich das Wort Diktator in den Mund genommen, hätte man schon vor zwei Wochen auf eine leichte Entspannung zwischen den USA und China hoffen können. Eben erst war Aussenminister Antony Blinken zu einem historischen China-Besuch gereist, dem ersten derart hochrangigen Kontakt seit fünf Jahren. Den «Boden bereiten» wollte Blinken, eine Grundlage schaffen für eine Verbesserung der Beziehungen mit dem kommunistischen Regime. Das schien ihm leidlich zu gelingen, Blinken wurde sogar von Machthaber Xi Jinping empfangen.

Dem Hickhack alter Schärfe verfielen die beiden Seiten aber schon am Tag danach wieder. Biden bezeichnete Xi undiplomatisch als «Diktator», verstimmt giftete Peking zurück. Das war wieder der bekannte Ton, der das Verhältnis seit Donald Trumps Präsidentschaft belastet, besonders seit dem Beginn der Covid-Pandemie. Erst unter Biden allerdings sanken die Beziehungen auf den aktuellen Tiefpunkt.

Der US-Präsident rüstet Pekings Widersacher wie Taiwan hoch, er erklärte die Konkurrenz zu China zur strategisch wichtigsten Herausforderung und befahl im Februar den Abschuss eines chinesischen Spionageballons. Peking wiederum provoziert mit Militärmanövern in seiner Nachbarschaft und dem Ausbau einer Spionagestation auf Kuba, knappe 150 Kilometer von den USA entfernt. Hartnäckig geht die Rede eines baldigen Kriegs um Taiwan um.

Yellen will Risiken abbauen

Umso höhere Erwartungen lasten auf Janet Yellen, die am Donnerstag in China erwartet wird, zwei Wochen nach Blinken. Die Finanzministerin und frühere Notenbankchefin redet seit Monaten davon, nach Peking fliegen zu wollen, und gilt in Sachen China als Stimme der Mässigung in der US-Regierung. Erst im April hatte sie in einer viel beachteten Rede erklärt, eine «konstruktive» und «gesunde» Beziehung der beiden weltgrössten Wirtschaftsmächte anzustreben. Inhaltlich sagte sie damit zwar nur, was das Weisse Haus seit dem vergangenen Herbst bereits sagt. Doch sie wählte einen weitaus versöhnlicheren Ton.

Die USA, betonte Yellen, strebten keine Abkopplung ihrer Wirtschaft von China an, sondern vielmehr den Abbau von Risiken, ein «De-Risking». Dabei sollen einige wenige Hochtechnologien mit potenziell militärischem Nutzen vom Handel ausgeschlossen werden, während der restliche Warenaustausch ungehindert stattfinden kann.

Die Amerikaner werden laut Yellen ihre Sicherheitsinteressen schützen, etwa indem der Export von Halbleitern nach China eingeschränkt wird. Ebenso würden sie weiterhin auf die Einhaltung von Menschenrechten drängen sowie sich gegen «unfaire Wirtschaftspraktiken» Chinas zur Wehr setzen. Die USA suchten aber die Zusammenarbeit, etwa beim Klimaschutz und beim Schuldenerlass für Schwellen- und Entwicklungsländer.

Eine Verbesserung der politischen Beziehungen zu Washington eilt für Peking aus ganz eigennützigen Motiven.

Angesichts von Yellens rhetorischen Avancen ist es fast schon unglaublich, dass der Abschuss des Spionageballons der Grund war, dass sie ihren Besuch in China bis jetzt aufschieben musste. Der Vorfall war für Peking peinlich, man zierte sich, bis Washington auf eine Veröffentlichung des Untersuchungsberichts verzichtete und die chinesische Regierung somit ihr Gesicht wahren konnte.

Vielleicht will die US-Regierung sich damit Chinas Kooperationsbereitschaft in den globalen Krisen sichern. Doch eigentlich wäre eine Verbesserung der politischen Beziehungen zu Washington für die chinesische Regierung aus ganz eigennützigen Motiven dringend nötig.

Frisches Geld aus dem Ausland wäre Peking sehr willkommen

Denn seit dem Ende der Null-Covid-Restriktionen mit Massen-Lockdowns und Reisebeschränkungen vor einem halben Jahr hat sich die heimische Konjunktur nicht so schnell erholt wie von Peking erhofft.

Der Grund dafür ist gemäss Analysten auf der einen Seite das fehlende Zukunftsvertrauen der chinesischen Verbraucher, die Krise im Immobiliensektor und die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die sie von grösseren Anschaffungen abhalten. Der Exportsektor auf der anderen Seite leidet unter der schwachen globalen Nachfrage. Und die Regierung kann sich nicht wie früher durch grosse Infrastrukturprojekte aus der Krise bauen, weil die Staatsverschuldung schon so hoch ist.

Da wäre frisches Geld aus dem Ausland höchst willkommen. Doch viele Investoren zögern wegen der schlechten Wachstumsaussichten, aber auch aus Sorge, dass die Spannungen zwischen China und den USA weiter eskalieren könnten, zumal die USA ihre engsten Verbündeten unter Druck setzen, ebenfalls Exportrestriktionen gegen China zu verhängen – im Fall von Japan und den Niederlanden mit Erfolg.

Die chinesische Regierung hat deshalb eine Charmeoffensive gestartet, Regierungsdelegationen werben weltweit um Investoren. Gleichzeitig klopfen Behörden bei ausländischen Firmen in China an und fragen, wie sie helfen können. Staatsführer Xi Jinping und sein Regierungschef Li Qiang betonen bei jeder Gelegenheit, dass sie weiter am «Kurs der Reformen und der Öffnung» festhalten wollen.

Kontraproduktiv ist in diesem Zusammenhang jedoch das neu in Kraft getretene chinesische Anti-Spionage-Gesetz, das den Begriff von Staatsgeheimnissen sehr schwammig auslegt und dadurch die Weitergabe nahezu aller Informationen ins Ausland potenziell unter Strafe stellt. Auch die Durchsuchung von einigen Beratungsfirmen macht Investoren nervös.

Xi bleibt misstrauisch 

Die kürzliche Verbannung von Speicherchips des US-Herstellers Micron wird als Vergeltungsmassnahme Chinas für die US-Exportverbote von Hochleistungshalbleitern gesehen. Und mit dem nun verabschiedeten Gesetz für Aussenbeziehungen hat sich Xi eine neue rechtliche Grundlage für weitere Massnahmen gegen westliche Sanktionen gegeben.

So sehr sich Xi eine Rückkehr zu den alten, prä-trumpschen Beziehungen zu den USA wünscht – recht daran zu glauben scheint er nicht. Am Montag setzte Peking ein weiteres Zeichen und schränkte den Export der Sondermetalle Gallium und Germanium ein, die zur Chip-Herstellung verwendet werden. Yellen dürfte all diese Punkte zur Sprache bringen, wenn sie in Peking weilt.

Fragen werden auch die Chinesen haben. Wenn die US-Finanzministerin von einer De-Risking-Strategie in den Beziehungen zu China spricht, klingt das zunächst eher nach Skalpell denn Axt. Daran mag Peking jedoch nicht so recht glauben. Washington bereitet schon wieder ein Verbot für US-Unternehmer von Investitionen in den chinesischen Hightechsektor sowie Exportverbote im Bereich der künstlichen Intelligenz vor; die Restriktionen weiten sich also aus.

Chinas Staatsführer Xi Jinping (r.) trifft Microsoft-Gründer Bill Gates. 

Für Chinas Regierungschef Li Qiang ist jedenfalls klar: De-Risking sei der «falsche Ansatz», der Westen solle aufhören, «wirtschaftliche Angelegenheiten zu politisieren». Er setzt seine Hoffnung auf die Unternehmer, die von Risiken ohnehin viel mehr verstünden als die Politiker. Und siehe da, in den vergangenen Monaten kamen sie alle nach Peking: Apple-Chef Tim Cook traf Li Qiang, Tesla-Gründer Elon Musk sprach mit wichtigen Ministern, und Microsoft-Gründer Bill Gates wurde gar von Xi höchstpersönlich empfangen. Diese Ehre wird er Janet Yellen nicht gewähren: Wen die Finanzministerin in Peking treffen wird, hält sie vorerst unter Verschluss.

Bestätigt ist nur, dass jener nicht darunter ist, den Biden einen «Diktator» genannt hat. Von Yellens Besuch sei kein «bedeutender Durchbruch» zu erwarten, schob ein Vertreter des US-Finanzministeriums nach.