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Weltwirtschaft im Umbruch
IWF sieht bleibende Schäden durch die Corona-Krise

Ein Stahlarbeiter in Duisburg: Aus Sicht des IWF werden durch die Corona-Krise in Jahrzehnten erreichte Fortschritte zunichte gemacht.
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Den Zustand der Welt in fünf Wörter zu fassen, ist keine ganz leichte Aufgabe. Immerhin: In konjunktureller Hinsicht ist dem Internationalen Währungsfonds (IWF) dieses Kunststück jetzt gelungen: «Ein langer und schwieriger Aufstieg» steht der Weltwirtschaft demnach bevor, so jedenfalls lautet der Titel des neuen IWF-Lageberichts, der am Dienstag in Washington vorgestellt wurde und einen Vorgeschmack darauf liefert, wie schwer nach der Corona-Rezession die Rückkehr zur ökonomischen Normalität werden wird.

Dabei sehen die Prognosen, die der IWF in dem Report präsentiert, auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus. Weltweit gesehen dürfte die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 4,4 Prozent sinken statt, wie noch im Juni vorhergesagt, um 5,2 Prozent. Besonders scharf fällt die Aufwärtsrevision für die USA aus, die nach der schrittweisen Wiedereröffnung von Fabriken, Geschäften, Hotels und Restaurants mit einem Minus von «nur» 4,3 Prozent rechnen müssen. Zu Sommerbeginn hatten die Fonds-Experten noch einen Rückgang um satte acht Prozent befürchtet.

Auch in der Schweiz ist die Lage nicht ganz so schlecht wie zunächst befürchtet. Konkret rechnet die Expertengruppe des Bundes für das laufende Jahr 2020 noch mit einem Einbruch des realen Bruttoinlandproduktes (BIP) um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Montag mitteilte. Bei der letzten offiziellen Prognose im Juni waren die Bundesökonomen noch von einem Minus von 6,2 Prozent ausgegangen.

Einzig China wird wachsen

Ähnliches gilt für Deutschland, Frankreich und Italien sowie einige grosse Schwellenländer wie Brasilien und Russland. Die einzige grosse Volkswirtschaft, die in diesem Jahr wachsen wird, ist China – ausgerechnet das Land, in dem die Pandemie ihren Ausgang nahm. Zwar wird das Plus mit voraussichtlich 1,9 Prozent für chinesische Verhältnisse äusserst bescheiden ausfallen, schon 2021 aber dürfte die Volksrepublik mit einer Rate von gut acht Prozent zu alter Stärke zurückfinden.

In den meisten anderen Industrie- und Schwellenländern wird die Erholung dagegen deutlich langsamer vonstattengehen. In den USA etwa rechnen die Experten für 2021 mit einem Plus von lediglich 3,1 Prozent, das sind 1,4 Punkte weniger als noch im Juni erhofft.

«Die meisten Volkswirtschaften werden einen bleibenden Schaden davontragen.»

Internationaler Währungsfonds

Das eigentliche Problem für die Weltwirtschaft aber sind laut Währungsfonds nicht die kurz-, sondern die mittel- und langfristigen Aussichten, denn anders als noch zu Beginn der Pandemie prognostiziert, werde die Krise vielerorts noch lange nachwirken. «Die meisten Volkswirtschaften werden einen bleibenden Schaden davontragen», heisst es in dem IWF-Bericht. Dazu gehören unter anderem Firmenpleiten, Beschäftigungsabbau, teure Strukturanpassungen, ein verändertes Verbraucherverhalten, eine weiter sinkende Produktivität sowie niedrigere Investitionen. Besonders betroffen seien Staaten, deren Wohlstand stark vom Tourismus oder von Rohstoffexporten abhänge. In den Industrieländern muss man sich nach der Prognose des Fonds darauf einstellen, dass sich das Wirtschaftswachstum mittelfristig auf durchschnittlich 1,7 Prozent verringern wird.

Das alles wird nicht ohne Auswirkungen auf den Lebensstandard der Bürger bleiben. Besonders betroffen sind dem Bericht zufolge Frauen, Geringqualifizierte und Arbeitnehmer ohne Festanstellung. Auch Kinder und Teenager, die aufgrund langer Schulschliessungen Bildungsrückstände aufwiesen, dürften zu den Verlierern gehören. In den Entwicklungsländern, die ohnehin mit Armut zu kämpfen haben, werden darüber hinaus zusätzlich fast 90 Millionen Menschen in existentielle Not geraten. Alle Fortschritte, die seit den 90er Jahren weltweit beim Abbau extremer Armut erreicht worden seien, würden durch die Pandemie zunichtegemacht, so der IWF.

Bestehende Arbeitsplätze zu sichern, reicht nicht

Angesichts der vielfältigen Herausforderungen wird es aus Sicht des Fonds nicht reichen, wenn Regierungen bestehende Arbeitsplätze über Lohnsubventionen oder andere Hilfsmassnahmen sichern. Vielmehr werde es einzelne Branchen geben, in denen die Zahl der Beschäftigten das Vorkrisenniveau womöglich nie wieder erreichen werde. Als Beispiel nennen die Experten die Reisebranche, die nicht nur mit einem sich ändernden Urlaubsverhalten vieler Menschen zu kämpfen habe, sondern auch mit einer womöglich andauernden Flaute bei Dienstreisen. Hier müsse der Staat mit Bildungsangeboten und Überbrückungsgeldern dabei helfen, Arbeitnehmer für solche Bereiche umzuschulen, in denen weiteres Wachstum zu erwarten sei, etwa im Online-Handel.

Um schwere wirtschaftliche Rückschläge zu verhindern, müssten die Regierungen und Notenbanken zudem dafür sorgen, dass Hilfsprogramme nicht zu rasch ausliefen, heisst es in dem Bericht. Auch wenn keine Namen genannt werden: Gemeint sein dürften vor allem die USA, wo viele Betriebe und Arbeitnehmer bereits ohne staatliche Hilfe dastehen, weil sich Republikaner und Demokraten im Kongress seit Wochen nicht auf ein weiteres Stabilisierungspaket einigen können. Darüber hinaus müsse jede Regierung prüfen, ob Schuldenbremsen vorübergehend ausgesetzt und die Einnahmebasis des Staats ausgeweitet werden könnten, so der IWF. Denkbar seien etwa höhere Steuern auf Spitzeneinkommen, Luxusimmobilien, Kapitalerträge und Vermögen.

Mit Material der SDA