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Studie des IWF
Warum ein Lockdown nicht nur Leben, sondern auch die Wirtschaft rettet

Die Zürcher Bahnhofstrasse während des Lockdown. Ohne Corona-Beschränkungen hätte es noch schlimmer kommen können, sagt der IWF.
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Glaubt man Staatenlenkern wie Donald Trump, dann muss sich ein Land in einer Pandemie zwischen zwei Übeln entscheiden: Entweder die Regierung schliesst in grossem Stil Geschäfte, Fabriken, Schulen und Restaurants, um die Menschen möglichst vor einer Ansteckung zu schützen, nimmt damit aber einen verheerenden wirtschaftlichen Absturz in Kauf. Oder sie verzichtet auf einen strengen Lockdown, um Massenarbeitslosigkeit und Firmensterben zu verhindern, akzeptiert dafür aber stillschweigend eine gewisse Zahl an Virus-Toten. Beides zusammen, die Rettung von Leben und Jobs, ist demnach nicht oder nur sehr bedingt möglich.

«Die vorherrschende Darstellung, wonach Lockdowns immer einen Zielkonflikt zwischen der Rettung von Leben und der Stützung der Wirtschaft beinhalten, muss überdacht werden.»

IWF-Experten

Dieser Einschätzung, die nicht zuletzt in Ländern anzutreffen ist, die von Populisten regiert werden, hat jetzt der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer neuen Analyse vehement widersprochen. Zwar sei es richtig, dass Geschäftsschliessungen und Ausgangssperren während der Corona-Pandemie massgeblich zu den Rezessionen in vielen Staaten beigetragen hätten, heisst es in der am Donnerstag veröffentlichten Studie. Das bedeute aber im Umkehrschluss nicht, dass es ohne Lockdowns wirtschaftlich besser gelaufen wäre oder eine Aufhebung von Beschränkungen, wie Trump sie immer wieder von den US-Bundesstaaten verlangt, die ökonomische Lage automatisch verbessert hätte.

Im Gegenteil: «Die vorherrschende Darstellung, wonach Lockdowns immer einen Zielkonflikt zwischen der Rettung von Leben und der Stützung der Wirtschaft beinhalten, muss überdacht werden», so die Experten. Notwendig sei vielmehr eine gute «Balance, welche die Gesundheit der Menschen schützt und zugleich einen langwierigen wirtschaftlichen Einbruch verhindert».

In ihrer Analyse greifen die IWF-Experten unter anderem auf Mobilitätsdaten, die Entwicklung von Stellenangeboten und die Zahl der Corona-Infizierten in insgesamt 128 Ländern zurück. Dass viele Bürger nach Ausbruch der Pandemie mehr oder weniger von heute auf morgen darauf verzichteten, ins Restaurant, Theater oder Modegeschäft zu gehen, hatte demnach nur zum Teil mit staatlichen Beschränkungen zu tun.

Eine genauso grosse Rolle spielte dem Bericht zufolge die sogenannte freiwillige räumliche Distanzierung. Anders gesagt: Die Menschen blieben nicht deshalb zu Hause, weil die Behörden dies anordneten, sondern weil sie Angst hatten, sich sonst mit dem Virus anzustecken.

Rasch und entschieden reagieren

Der freiwillige Verzicht vieler Konsumenten ist aus Sicht der Fachleute ein klarer Beleg dafür, dass eine Lockerung von Lockdowns nicht die gewünschten ökonomischen Effekte bringt, solange die Infektionsgefahr hoch ist. Es sei vielmehr genau andersherum: «Den Gesundheitsrisiken zu begegnen, ist offensichtlich eine Vorbedingung für eine starke und nachhaltige wirtschaftliche Erholung.» Die Daten aus den untersuchten Ländern zeigten, dass Produktions-, Verkaufs- und Ausgangsbeschränkungen signifikant zu einer deutlichen Senkung der Neuansteckungen beitragen könnten.

Das gelte vor allem dann, wenn ein Staat nicht warte, bis die Zahlen durch die Decke gingen, sondern rasch und entschieden reagiere. «Strenge, zeitlich eng befristete Lockdowns bewirken offenbar mehr als milde, langwierigere Massnahmen», so die Experten. Zügiges Handeln sei auch deshalb sinnvoll, weil es «freiwillige räumliche Distanzierung» zumindest teilweise überflüssig mache.

Die IWF-Analyse zeigt zudem, dass die Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen hatten. So waren junge Familien – vor allem die Mütter – die Hauptleidtragenden der Kita- und Schulschliessungen. Besser Betuchte konnten zugleich leichter von zu Hause aus arbeiten als Geringverdiener. All das ändert aus Sicht der Fachleute aber nichts daran, dass entschlossenes staatliches Handeln prinzipiell richtig sei: Die positiven Effekte eines raschen und stringenten Vorgehens, so die Experten, könnten auf mittlere Sicht die kurzfristigen Kosten eines Lockdown «mehr als wettmachen».