Heiliges Jahr 2025Rom erwartet 30 Millionen Besucher und ist voller Baustellen
Die Ewige Stadt soll noch schnell hübsch gemacht werden für das baldige «Jubeljahr» der katholischen Kirche. Schade für alle, die jetzt schon kommen.
Das kam aber auch gänzlich überraschend für die Stadtverwaltung, ätzen Spötter in Rom: 2025 feiert die katholische Kirche ein heiliges Jahr, auch «Jubeljahr» genannt, italienisch «Giubileo», es beginnt sogar schon am 24. Dezember. In Wirklichkeit steht der Termin dieses heiligen Jahres schon eine Weile fest, genau genommen seit 1470. Damals ordnete die Kirche an, dass alle 25 Jahre die Gläubigen nach Rom gerufen werden, damit sie dort nach einem festgelegten Ritual die Strafe für ihre Sünden abmildern können.
Bis zu 30 Millionen zusätzliche Gäste werden 2025 in der Ewigen Stadt erwartet, eine Verdopplung der üblichen Touristenzahlen. Heute schon drängen sich durch das Zentrum so viele Besucher wie nie zuvor – ohne dass die Metropole darauf eingestellt wäre. Weder wird die in die Jahre gekommene Infrastruktur den Massen gerecht, noch bietet die Stadt überall einen schönen Anblick: Strassen sind aufgerissen, Fassaden bröckeln, der Schmutz häuft sich. Jetzt möchte Rom «bella figura» machen, also gilt es sich zu sputen, es ist ja nicht mehr viel Zeit.
Den Vorwurf, zu spät eingestiegen zu sein, will Bürgermeister Roberto Gualtieri nicht auf sich sitzen lassen. Auf Anfrage sagte er, schliesslich hätten sich die Vorbereitungen durch die letzte Regierungskrise verzögert, die neue Regierung Meloni habe die finanzielle Unterstützung für die Stadt Rom erst nach ihrer Wahl im Dezember 2022 beschlossen und dann sei die Stadtverwaltung «in Rekordzeit» tätig geworden. Bauprojekte, für deren Planung und Genehmigung man sonst Jahre brauche, seien in wenigen Monaten auf den Weg gebracht worden, das habe vorher kaum jemand für möglich gehalten.
322 Baustellen wegen des heiligen Jahrs
Ob das wirklich so reibungslos vonstattenging, daran zweifeln allerdings viele Römerinnen und Römer. Es wurden zwar frühzeitig Ankündigungen getätigt, Absperrungen errichtet und Bautafeln aufgestellt, aber dann geschah vielerorts erst einmal: nichts.
Jetzt, nach den Sommerferien, ist man eifrig bei der Sache, und das heisst: Die Stadt ist im Ausnahmezustand. Allüberall sind Strassen gesperrt, Gebäude eingerüstet und Wahrzeichen verhüllt. Von der zentralen Piazza Venezia entlang der Foren bis zum Kolosseum gibt es kaum noch ein Durchkommen zwischen den Bauzäunen, in der klassischen Altstadt ist vielerlei zugestellt. In der Nähe des Vatikans wird ein neuer Tunnel gebaut, um eine grosse Fussgängerzone nahe Engelsburg und Petersdom entstehen zu lassen.
322 Baustellen gibt es nach Auskunft des Bürgermeisters im Zusammenhang mit dem heiligen Jahr, und da ist der Ausbau der dritten U-Bahn-Linie der Stadt nicht mitgerechnet, die gerade unter dem Herzen des einstigen römischen Weltreichs hindurchgebohrt wird.
Berühmte Brunnen der Piazza Navona sind zugehängt
Ohnehin gibt es ja nicht nur Vorhaben, die direkt oder indirekt mit dem «Giubileo» in Verbindung stehen, sondern auch solche, die sich aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU speisen, diese Gelder dürfen bis 2026 ausgegeben werden. Insgesamt summiert sich das auf derzeit tausend Baustellen, 11 Milliarden Euro sollen verbaut werden.
Angesichts dieser gewaltigen Aktion sei er «ganz zufrieden» mit dem Bauverlauf, sagt Gualtieri, man mache gerade das Unmögliche möglich. Als römischer Bürger teilt man diesen Optimismus eher nicht, aber man kann, es geht ja um die Kirche, auch mal auf ein Wunder hoffen. Den Touristen, die in den kommenden Monaten durch die Baustelle Rom stolpern, wird das allerdings eher kein Trost sein.
Wer gegenwärtig etwa den schönsten Platz der Stadt, die Piazza Navona, besichtigen möchte, findet die weltberühmten Brunnen dort alle drei zugehängt. Von ihnen – wie von vielen anderen Brunnen in der Stadt auch – wird gerade der Kalk von Jahrzehnten abgetragen. Das ist sicher sinnvoll, aber die Frage bleibt: Warum erst jetzt und damit alles auf einmal?
Im ersten Abschnitt wurde die unpräzise Formulierung Sünden «vergeben» durch Sünden «abmildern» ersetzt.
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