Debatte um WegzugIst die UBS für die Schweizer Wirtschaft unverzichtbar?
Die jahrzehntelange Zweckgemeinschaft zwischen der Schweiz und ihrer Grossbank steht auf dem Prüfstand. Nun wird ausgehandelt, ob die Schweiz die UBS braucht oder eher umgekehrt.

- Die UBS unterstreicht in einer Werbekampagne ihre Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft.
- Gleichzeitig ringt die Politik um eine Lösung, um die Krise einer Grossbank künftig zu meistern.
- Die UBS lobbyiert intensiv gegen strengere Eigenkapitalvorgaben – der Wegzug ins Ausland steht zur Diskussion.
- Die Bankiervereinigung, Swissmem und der Bankenpersonalverband halten die UBS für unersetzbar, Auslandbanken wittern eine Chance.
Die UBS-Kampagne «Eine Bank wie die Schweiz» lässt keinen Zweifel an der historischen und der heutigen Bedeutung der Grossbank für das Land. Schon im 19. Jahrhundert spielten ihre Vorgängerbanken mitsamt der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) eine zentrale Rolle bei der Finanzierung des Gotthards und der Eisenbahn. Ihre historische Verankerung zeigt die UBS derzeit in einer Geschichtsausstellung an der Bahnhofstrasse.
Auch ohne Geschichtslektionen ist klar, die volkswirtschaftliche Bedeutung der letzten Schweizer Grossbank ist enorm. Eine Schweiz ohne UBS scheint ebenso undenkbar wie einst eine Schweiz ohne Swissair – doch auch das wurde plötzlich Realität.
Der Bund will als Folge der CS-Krise die Kapitalvorgaben für die UBS verschärfen. Die Nationalbank hat am Dienstag unterstrichen, dass sie denselben Reformbedarf sieht. Gleichzeitig diskutiert das Parlament die Reformvorschläge der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur CS/UBS-Notfusion. Der Nationalrat nahm alle von der PUK eingebrachten Vorstösse an.
Sergio Ermotti will keine strengeren Eigenkapitalvorgaben
Die UBS und Konzernchef Sergio Ermotti wehren sich gegen die Massnahmen, die der Bundesrat und die Nationalbank vorschlagen. Sie lobbyieren auf allen Kanälen gegen strengere Eigenkapitalvorgaben. Noch weiter geht der Chef der Bankiervereinigung, Roman Studer: Er warnt, dass die UBS bei maximalen Eigenkapitalforderungen einen Wegzug erwägen müsste.
Finanzministerin Karin Keller-Sutter will sich nicht vom Lobbying für die UBS beeindrucken lassen, wie sie gegenüber SRF sagt. Der Bundesrat müsse die Interessen der Steuerzahlenden wahrnehmen.
Dass eine Bundesrätin so klar trennt zwischen den Interessen des Bundes und denen der Grossbanken, ist bemerkenswert – und rüttelt an der jahrzehntelangen Partnerschaft zwischen Staat und Bank.
Die Balance zwischen den zwei Partnern ist bereits in der Finanzkrise gekippt. Die UBS war «too big to fail», der Staat musste sie retten. Heute steht die Frage im Raum: Braucht die Schweizer Wirtschaft die UBS? Oder braucht die UBS die Schweiz?
Wo die Bankbranche von der UBS abhängig ist
Die UBS dominiert den Schweizer Markt. Sie hat den grössten Marktanteil im Einlagen- und Kreditgeschäft und wickelt Transaktionen für rund 80 Prozent der hiesigen Banken ab. Sie bietet über ihr globales Netzwerk mit bis zu 1000 Banken internationale Zahlungsdienstleistungen an.
Der Chef der Bankiervereinigung, Roman Studer, sagt daher: «Wir brauchen eine global tätige Bank für einen diversifizierten Finanzplatz und die exportorientierte Wirtschaft.» Obwohl auch andere Banken Exportunternehmen unterstützten, seien für grosse Kredite und umfangreiche Finanzgeschäfte die Bilanzstärke und Reichweite einer Grossbank wie der UBS entscheidend. Auslandsbanken könnten aufgrund ihrer begrenzten Grösse nicht dasselbe leisten.
Industriefirmen wollen die UBS aus Vertrauensgründen
Die exportorientierte Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sieht für die Finanzierung von Auslandsgeschäften wenig Alternativen zur UBS, stellt Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor vom Verband Swissmem, fest. Hohe 80 Prozent der Mitgliedsfirmen hätten mindestens eine Bankbeziehung zur UBS.
Theoretisch könnten global tätige Auslandsbanken in die Bresche springen, ergänzt Kohl. Trotzdem gebe es kaum Wechsel zu Auslandsbanken, wohl aus kulturellen Gründen und weichen Faktoren wie Vertrauen.
Auslandsbanken bauen seit CS-Untergang aus
Der Anteil der Auslandsbanken in der Schweiz ist seit der Finanzkrise von 25 auf 33 Prozent aller Banken gestiegen. Der Direktor des Auslandsbankenverbands, Raoul Oliver Würgler, sieht überhaupt keinen Grund, wieso die Auslandsbanken für die Schweizer Wirtschaft nicht alle globalen Dienste leisten könnten wie die UBS.
Bereits heute stellten sie durch ihre internationale Vernetzung und Muttergesellschaften umfassende Finanzlösungen für hiesige Unternehmen bereit und hätten Potenzial, zu expandieren.
Unersetzlichkeit widerspricht der Marktlogik
Es gebe keine Funktion der UBS, die für die Schweizer Wirtschaft unersetzbar sei – weder im Export noch für die Finanzstabilität oder bei Staatseinnahmen, sagt der Berner Volkswirtschaftsprofessor Aymo Brunetti. Falle eine nachgefragte Leistung weg, seien in einem wettbewerblichen Umfeld andere gerne bereit, einzuspringen.
Und weiter: «Die Schweiz und ihre Wirtschaft sind überhaupt nicht abhängig von der UBS.» Wenn schon, sei die UBS von der Schweiz abhängig, ergänzt er.
Abhängigkeit von UBS ist ein Risiko
Die weiter gestiegene Abhängigkeit von der UBS ist aus der Perspektive von Ökonom Adriel Jost der grosse Nachteil der gewählten Lösung im März 2023. Der Bundesrat habe versucht, die Übernahme der CS durch die UBS als privatwirtschaftliche Lösung zu verkaufen. Aber dadurch sei auch die Haftung des Staates gestiegen. Ausserdem sei die UBS ein geopolitisches Risiko geworden. Wer der Schweiz schaden wolle, greife die UBS an.
Wie sich ein Wegzug auswirken könnte
Viel ändert sich für die Wirtschaft aus Sicht von Ökonom Adriel Jost nicht, wenn die UBS den Hauptsitz ins Ausland verlegt. Auch dann bliebe die UBS in der Schweiz aktiv und über ihre Tochter mit der Nationalbank verbunden – ähnlich wie die Bank Nordea nach dem Umzug von Schweden nach Finnland.
Jost sieht gar Vorteile im Wegzug: «Die Steuerzahler würden aber nicht mehr für die globalen Tätigkeiten der UBS haften und könnten gleichzeitig damit rechnen, dass die ausländischen Behörden die UBS im Notfall retten würden.» Ökonom Brunetti sieht einen Wegzug der UBS wie einen normalen Strukturwandel, der im Übergang gewisse Kosten nach sich ziehe.
Bankenpersonalverband sieht Mitarbeitende gefährdet
Für den Bankenpersonalverband steht ausser Frage, dass die Schweiz eine international tätige Grossbank braucht. Der Bund habe die Übernahme der CS auch unterstützt, weil sie die beste Lösung gewesen sei, um Arbeitsplätze zu retten, betont Natalia Ferrara, die Vizechefin des Bankenpersonalverbands. Beim Abbau habe sich die UBS bisher sozialverträglich gezeigt, das wäre bei Auslandsbanken nicht zu erwarten.
Das sagt die UBS
Die UBS selbst verweist auf eine Aussage von Bankchef Ermotti vom Januar. Er kritisierte damals die strengeren Kapitalforderungen, betonte aber die Bedeutung der «Swissness» für die Bank. Die Entscheidung über die Zukunft liege bei den Politikern, so Ermotti. «Für mich steht ein Wegzug aus der Schweiz derzeit nicht zur Debatte.»
Das zeigt: Die Beziehung der Schweiz zu ihrer Grossbank ist emotional. Selbst Ökonomen, die die UBS nicht für unersetzlich halten, wollen ihren Wegzug nicht. Für Brunetti bleibt die UBS im Idealfall hier, «aber ohne unabsehbare Risiken für den Staat und ohne implizite Staatsgarantie». Blieben diese aber bestehen, würde er eine Verlagerung des Hauptsitzes vorziehen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.