Never Mind the Markets: Gescheitertes RahmenabkommenIst die Avenir-Suisse-Schelte berechtigt?
Der aktuelle Lagebericht von Avenir Suisse zum bilateralen Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU zeugt von wenig Verständnis – und erinnert an das Jahr 2004.
Schweizerische Institutionen wie die direkte Demokratie zählen nicht zu den Kernanliegen von Avenir Suisse, dem hauptsächlich von hiesigen Konzernen gegründeten und finanzierten «Think Tank». Das zeigt sich wieder im sogenannten «Erosionsmonitor», den die Stiftung in der vergangenen Woche veröffentlicht hat.
Das rund 30 Seiten umfassende, auf der Homepage der Stiftung abrufbare Dokument will «über bereits feststellbare Erosionen» im Verhältnis EU-Schweiz berichten. Avenir Suisse hält den Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU für einen dramatischen Fehler und die Sorge um die Souveränität der Schweiz für übertrieben.
«Rationale ökonomische Integrationsargumente stehen emotionalen Abwehrreflexen gegenüber», urteilt der Bericht. Kritisiert wird, dass hierzulande einige den Anspruch hätten, dass die Schweiz trotz der unterschiedlichen Grössenverhältnisse «als gleichberechtigte Partnerin gegenüber der EU» auftreten wolle.
Der bilaterale Weg wird als «Absage» an ein behauptetes «Swiss Big Government» gesehen, als Mittel gegen Bürokratie und für mehr Wettbewerb.
Ohne Frage: Das bilaterale Verhältnis Schweiz-EU braucht für die Zukunft eine Lösung, zu eng ist die wirtschaftliche Verflechtung. Das gilt für beide Seiten. Doch Avenir Suisse zeigt keinerlei Verständnis für die Gründe des Scheiterns: die Sorge um wesentliche Institutionen der Schweiz, wie eben die direkte Demokratie.
Der Bericht sieht gerade umgekehrt dazu das Schweizer System als Hindernis: Der bilaterale Weg wird als «Absage» an ein behauptetes «Swiss Big Government» gesehen, als Mittel gegen Bürokratie und für mehr Wettbewerb. Als ob hier in der EU alles im Reinen wäre.
Genau genommen bleibt sich Avenir Suisse hier treu. Schon kurz nach ihrer Gründung im Jahr 2000 veröffentlichte die Stiftung Papiere, die vor dem Kollaps der Schweizer Wirtschaft warnten, wenn sie sich nicht stärker öffnet. Und explizit wurde darin die direkte Demokratie als besonderes Problem für den Fortschritt der Schweiz ausgemacht.
Die Studie «Wege zur Reform» warf im Jahr 2004 die rhetorische Frage auf, «ob nicht schweizerische Kerninstitutionen (Föderalismus, Konkordanz, direkte Demokratie) ein Teil des Reformproblems sind.» Als Vorbild galt dagegen das stark wachsende EU-Land Irland. Dass dies auf eine gigantische Immobilienblase zurückging, mit katastrophalen Folgen für das Land, zeigte sich erst später. In der Schweiz blieb dagegen der prophezeite Niedergang aus und die Entwicklung für andere beneidenswert. Avenir Suisse hat scheinbar nichts daraus gelernt.
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