Israel und HamasErste Waffenruhe-Phase läuft aus – wie geht es weiter?
Die erste Phase des am 19. Januar in Kraft getretenen Deals zwischen Israel und der Hamas endet nach 42 Tagen offiziell. Die Eckpunkte einer zweiten Phase stehen noch nicht. Was bedeutet das für Gaza?

Mit Ablauf der ersten Phase der Waffenruhe im Gaza-Krieg herrscht grosse Ungewissheit über die Zukunft des umkämpften Gazastreifens. Die Eckpunkte für eine zweite Phase, die an die erste anschliessen sollte, stehen bis jetzt nicht – offiziell haben die Verhandlungen darüber nicht einmal begonnen.
Die zweite Phase sollte zu einem endgültigen Ende des Kriegs sowie zur Freilassung der verbliebenen Geiseln führen, die noch am Leben sind. Komplett konträre Ziele der Kriegsparteien könnten jedoch verhindern, dass es überhaupt zu einer Einigung kommt.
Was ist in der ersten Phase der Waffenruhe passiert?
Islamisten im Gazastreifen haben in den vergangenen sechs Wochen wie vereinbart in mehreren Runden 25 Geiseln aus ihrer Gewalt freigelassen und acht Leichen israelischer Entführter übergeben. Im Gegenzug hat Israel 1’777 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen entlassen. Damit sind die Auflagen der ersten Phase erfüllt, die 42 Tage dauern sollte und am 19. Januar in Kraft getreten war.
Werden die Kämpfe nun wieder aufflammen?
Das ist unklar. Theoretisch kann die Waffenruhe erst einmal weiterbestehen. Nach Angaben Katars, das zusammen mit Ägypten und den USA zwischen der Hamas und Israel vermittelt, sieht das Abkommen vor, dass die Bestimmungen der ersten Phase fortdauern können, solange beide Seiten Gespräche über die zweite Phase führen.
Vertreter aus Israel, Katar und den USA haben nach ägyptischen Angaben jüngst in der Hauptstadt Kairo intensive Gespräche über das weitere Vorgehen geführt. Die Verhandlungen sollten am Samstag fortgesetzt werden, meldeten israelische Medien unter Berufung auf einen israelischen Beamten.
Israelische Berichten zufolge will Israels Regierung bei den Gesprächen zunächst eine Verlängerung der ersten Phase anstreben und die Freilassung weiterer Geiseln fordern – im Austausch für weitere palästinensische Häftlinge.
Auch die Vermittler sollen derzeit darauf drängen, die erste Phase der Waffenruhe zu verlängern, während heiklere Fragen auf später verschoben werden sollen, wie das «Wall Street Journal» berichtete.
Woran hakt es?
Aus Kreisen der Hamas hiess es, die Islamistenorganisation wolle einer Verlängerung der ersten Phase nicht zustimmen. Die Terrororganisation pocht demnach darauf, mit der zweiten Phase des dreistufigen Deals weiterzumachen. Dies würde es der Hamas auch langfristig ermöglichen, in dem Küstenstreifen an der Macht zu bleiben. Dies lehnt Israel jedoch vehement ab. Ein Kriegsziel Israels ist es, die Terrororganisation vollständig zu zerstören.
Ein weiterer Knackpunkt ist der vereinbarte weitere Abzug israelischer Truppen aus dem Küstenstreifen. Medienberichten zufolge will Israel von der Zusage abrücken, den sogenannten Philadelphi-Korridor entlang der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten mit Ende der ersten Phase zu verlassen. Israel befürchtet demnach, dass Waffen durch Tunnel unter der Grenze geschmuggelt werden.
Sollte Israel so vorgehen, könnte es den Fortbestand der Waffenruhe und die Freilassung der verbliebenen Geiseln gefährden. Der Abzug sollte dieses Wochenende am 42. Tag nach Inkrafttreten der Vereinbarung beginnen und rund eine Woche später abgeschlossen sein.
Wie viele Geiseln werden noch in Gaza festgehalten?
Derzeit befinden sich noch 59 Geiseln in Gewalt von Islamisten im Gazastreifen, von denen aber nur noch 24 Männer am Leben sein sollen. Immer wieder wird gewarnt, sie befänden sich wegen gesundheitlicher Probleme und der Umstände der Geiselhaft in akuter Lebensgefahr.
Unter den 59 sind auch Menschen, die Berichten zufolge neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen sowie auch mehrere Ausländer, etwa aus Thailand.
Eine der Leichen ist die eines israelischen Soldaten, der während des letzten grossen Gaza-Kriegs 2014 entführt wurde. Alle anderen Menschen haben Terroristen der Hamas und andere palästinensische Extremisten am 7. Oktober 2023 aus Israel verschleppt. Insgesamt brachten sie während des Massakers mehr als 250 Menschen gewaltsam in den Gazastreifen.
Die verbliebenen Geiseln sollten laut der Vereinbarung in der zweiten Phase des Deals freigelassen, die Leichen in einer dritten Phase übergeben werden.
Wie hat sich die humanitäre Lage seit Beginn der Waffenruhe entwickelt?
Seit Inkrafttreten des Abkommens zwischen Israel und der Hamas kommt Hilfsorganisationen zufolge mehr Hilfe in den Gazastreifen als zuvor. Versorgt werden demnach nun auch wieder Gebiete, die zuvor nur schwer erreichbar waren. «Eine Hungersnot ist vorerst abgewendet», sagte jüngst der Deutschland-Chef des Welternährungsprogramms (WFP), Martin Frick. Die Lage bleibe aber angespannt.
Hunderttausende Palästinenser haben aufgrund der mehr als 15 Monate andauernden Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der islamistischen Hamas ihr Zuhause verloren und harren noch immer in Zelten aus. Diese bieten laut UN aber kaum Schutz gegen Kälte, Sturm und Regen. Palästinensischen Angaben zufolge sollen bereits mehrere Babys aufgrund einer Kältewelle im Februar an Unterkühlung gestorben sein.
Der grossflächig zerstörte Gazastreifen soll erst in einer dritten und letzten Phase des Abkommens wieder aufgebaut werden. Die Lebenssituation der Menschen in dem abgeriegelten Küstenstreifen bleibt also weiterhin prekär.
Welche langfristigen Lösungen für den Gazastreifen gibt es?
Es herrscht bislang Uneinigkeit darüber, wer den Gazastreifen nach einem Ende des Kriegs regieren soll. Die gemässigte Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Westjordanland möchte wieder die Kontrolle über den Küstenstreifen übernehmen. Die Hamas hatte sie 2007 gewaltsam von dort vertrieben. Israels Führung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt dies jedoch ab. Einen eigenen Plan für die Zukunft des Gazastreifens hat Netanjahu bislang nicht präsentiert.
Trump hatte vor einem Monat vorgeschlagen, die mehr als zwei Millionen Menschen in andere arabische Staaten umzusiedeln und das zerstörte Küstengebiet unter Kontrolle der USA in eine wirtschaftlich florierende «Riviera des Nahen Ostens» zu verwandeln. International stiessen diese Aussagen auf heftige Kritik, bei der israelischen Führung jedoch auf Zustimmung. Eine Zwangsumsiedlung würde Experten zufolge gegen das Völkerrecht verstossen.
Die arabischen Staaten lehnen Trumps Umsiedlungsvorschlag grundsätzlich ab. Ägypten will einen eigenen Plan für den Wiederaufbau des Küstengebiets vorlegen. Am Dienstag soll in Kairo ein arabisches Gipfeltreffen zur Zukunft des Gazastreifens stattfinden.
DPA/far
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