Israels mutmasslicher VergeltungsschlagAngriff auf Ziel im Iran: Was bisher bekannt ist
Israel soll laut US-Medien den Iran angegriffen haben. Teheran dementiert einen feindlichen Raketenbeschuss, will aber Drohnen zerstört haben. Ist das die befürchtete Eskalation? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Israel hat nach übereinstimmenden US-Medienberichten den Iran angegriffen. Mehrere Sender und Zeitungen beriefen sich dabei auf US-Regierungsvertreter. Die «New York Times» zitierte anonyme israelische Beamte, die sich zu der Attacke bekannten. Demnach hat Israel in der Nacht zum Freitag eine Militäroperation in der iranischen Provinz Isfahan durchgeführt. Israel sowie das US-Verteidigungsministerium haben sich bislang nicht geäussert. Laut Quellen der «Jerusalem Post» wird Israel aus strategischen Gründen auch keine Verantwortung für den Anschlag übernehmen.
Wie gross war der Angriff?
Sicher zu sein scheint, dass die Aktionen aus der Nacht in ihrem Ausmass bei weitem nicht so massiv waren wie der iranische Angriff vom Wochenende, als Hunderte Raketen und Drohnen in Richtung Israel flogen, womit der Iran auf einen Angriff auf sein Botschaftsgelände in Syrien Anfang April reagierte. Es sieht vielmehr nach einem begrenzten Angriff aus.
Weshalb könnte Isfahan das Ziel gewesen sein?
Iranischen Medien zufolge war Isfahan einer von mehreren Abschussorten iranischer Drohnen und Raketen beim Angriff auf Israel am 13. April. Nahe der Stadt befinden sich Anlagen, die in Verbindung mit dem Atomprogramm des Landes stehen. Dazu gehört die unterirdische Anreicherungsanlage in Natans, die wiederholt Ziel mutmasslicher israelischer Angriffe war. Der Iran betreibt in Isfahan zudem drei kleine von China gelieferte Forschungsreaktoren. Auch das grösste nukleare Forschungszentrum des Landes ist in der Kulturstadt angesiedelt.
In Isfahan befindet sich ausserdem ein grosser iranischer Luftwaffenstützpunkt, auf dem Irans alternde Flotte von F-14 Tomcats aus amerikanischer Produktion stationiert ist. Die Kampfflugzeuge wurden vor der islamischen Revolution 1979 gekauft. Zunächst war aber unklar, was das Ziel der mutmasslichen Attacke gewesen sein soll.
Was sagt der Iran?
Die Iraner sind bemüht, die Bedeutung der Geschehnisse herunterzuspielen. «Entgegen den Gerüchten und Behauptungen israelischer Medien» gebe es «keine Berichte über einen Raketenangriff aus dem Ausland auf Isfahan oder einen anderen Teil des Irans», berichtete die Nachrichtenagentur Tasnim am Freitag unter Verweis auf «informierte Kreise».
Die iranische Nachrichtenagentur Fars meldete «drei Explosionen» in der Nähe des Luftwaffenstützpunktes Schekari im Nordwesten der Provinz Isfahan. Ein Sprecher der iranischen Weltraumbehörde erklärte, mehrere Drohnen seien «erfolgreich abgeschossen» worden. Wo dies geschehen sein soll, war zunächst unklar. Neben der Attacke bei Isfahan soll es offenbar auch in der Region Täbris einen Angriff gegeben haben. Die Drohnen sollen dabei laut «New York Times» womöglich innerhalb des Iran gestartet worden sein. Die iranischen Radarsysteme hätten keine unbekannten Luftfahrzeuge entdeckt, die in den iranischen Luftraum eingedrungen seien. «Die Diskussion tendiert eher in Richtung Infiltration als in Richtung Angriff», sagte ein ranghoher iranischer Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters.
Laut staatlichem Rundfunk bestand für die Atomeinrichtungen keine Gefahr. Auch die Internationale Atomenergiebehörde bestätigt, dass die iranischen Nuklearanlagen nicht beschädigt wurden. Der Luftraum über Teilen Irans wurde in der Nacht für einige Zeit eingeschränkt. Flüge wurden umgeleitet.
Haben sich die USA am Angriff beteiligt?
Als der Iran Israel am Wochenende angriff, fingen die USA Dutzende Drohnen und Raketen ab und hatten damit grossen Anteil am Schutz Israels. Sie sind der wichtigste Verbündete des Landes und häufig in engem Austausch mit der dortigen Regierung. Nach der iranischen Attacke setzte sich die US-Regierung für Deeskalation ein und machte klar, dass sie sich nicht an einem Gegenschlag beteiligen werde. CNN meldete, die US-Regierung habe kein «grünes Licht» gegeben. Der italienische Aussenminister Antonio Tajani sagte am Rande des G7-Treffens auf Capri, die USA seien «in letzter Minute» von Israel über eine Drohnenaktion im Iran informiert worden. US-Aussenminister Anthony Blinken wollte das hernach nicht bestätigen.
Ist das die befürchtete Eskalation des Konflikts?
Das ist zurzeit unklar und hängt davon ab, ob sich Israel zu einem Angriff bekennt – und vor allem: ob weitere Attacken folgen. Experten glauben, der Angriff könnte ein Versuch von Israels Premierminister Benjamin Netanyahu sein, auf den iranischen Angriff vor Wochenfrist zu reagieren, ohne US-Präsident Joe Biden noch mehr zu verärgern. Die USA hatten wie andere Verbündete Israel zur Zurückhaltung aufgerufen. Der CNN-Militärexperte Mark MacCarley sagt: «Die Israelis mussten Vergeltung üben, aber diese Vergeltung enthielt auch eine Botschaft, nämlich: Ja, wir können es schaffen. Macht das nicht noch einmal. Wenn ihr es noch einmal tut, dann wird Chaos ausbrechen.» ¨Laut Quellen der «Jerusalem Post» soll der Schlag eine symbolische Warnung Israels an die Iraner sein – im Stil von: «Dass nächste Mal werden eure Atomanlagen zum Ziel.»
Die Frage stellt sich nun, ob sich Netanyahus ultranationalistische Verbündete und die ehemaligen Generäle im israelischen Kriegskabinett mit einem solch begrenzten Angriff zufriedengeben. Einige von ihnen hatten eine starke Reaktion gefordert, um Israels Abschreckungspotenzial unter Beweis zu stellen. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir bezeichnete den mutmasslichen israelischen Angriff in einer ersten Reaktion auf X als schwach. Kritikern zufolge schrieb er Israel damit indirekt die Verantwortung zu. Das blieb nicht unkommentiert: Noch nie zuvor habe ein Minister «der Sicherheit, dem Image und dem internationalen Status des Landes so grossen Schaden zugefügt», schrieb Oppositionsführer Jair Lapid auf X.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi hatte vorgängig gesagt, dass die «kleinste Invasion» Israels eine «massive und harte» Antwort nach sich ziehen würde. Pläne für unmittelbare Vergeltungsmassnahmen gegen Israel hat der Iran aber offenbar keine. Das sagte ein hochrangiger iranischer Beamter der Nachrichtenagentur Reuters. Die Relativierungen in den Staatsmedien sprechen auch eher dafür, dass der Iran an einer Deeskalation interessiert ist. Zumal Israel den Iranern offenbar auch keinen zwingenden Vorwand geliefert hat, erneut zu reagieren.
sz/nlu
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