Krise in NahostEr steht für alles, was im Libanon schiefläuft
Sein Land steht am Rand eines Krieges mit Israel. Doch Ministerpräsident Najib Mikati kümmert sich vor allem um seinen eigenen Wohlstand.
Dafür, dass sein Land am Rande des Abgrunds steht, sind die politischen Aktivitäten des libanesischen Ministerpräsidenten Najib Mikati (68) recht überschaubar. Auf seinem X-Profil (vormals Twitter) finden sich für dieses Jahr genau zwei Mitteilungen: In einer gratuliert er den Muslimen zum Ende des Ramadan. In der anderen der amtierenden Miss Libanon zum zweiten Platz bei der Miss-World-Wahl. Das war es dann auch schon.
Sein Land wartet indes angespannt darauf, ob der Libanon in den Abgrund des Kriegs gerissen wird. Nach dem Raketenangriff der libanesischen Terrormiliz Hizbollah auf Israel am Samstag versuchen Politikerinnen und Politiker weltweit, die Gefahr eines ganz grossen Kriegs zu entschärfen. Mikati gehört nicht zu ihnen, es gibt keine Rede an sein Land in dieser schwierigen Lage, keinen Auftritt, den ein Libanese in Erinnerung hätte. Kürzlich traf er sich mit dem Armeechef und verlangte das «Ende der israelischen Aggression im Südlibanon», konkreter wurde es bisher kaum. Seit zehn Monaten tobt der Krieg in Gaza, seit zehn Monaten schiesst die Hizbollah von libanesischem Gebiet aus täglich Raketen nach Israel, und genauso lange wirkt Mikati, als ob er damit nicht wirklich etwas zu tun hätte.
Letztlich ist es auch so, er ist Regierungschef eines Landes, hat aber wenig zu sagen, «geschäftsführend» ist er nur im Amt, weil sich die zerstrittenen Religionsgruppen seit drei Jahren nicht auf die Wahl einer ordentlichen Regierung einigen können. Der Libanon ist eine Art religiöser Vielvölkerstaat, jede Gruppe misstraut der anderen. Um einen Ausgleich der Interessen zu garantieren, müssen der Ministerpräsident Sunnit, der Staatspräsident maronitischer Christ und der Parlamentspräsident Schiit sein. Was vielleicht einmal gut gemeint war, führt heute zur Lähmung der Nation. Und dazu, dass eine korrupte Elite das Land unter sich aufteilt, dass es kaum eine Möglichkeit gibt, die politische Führung auszutauschen.
Nutzniesser des korrupten Systems
Mikati ist schon zum vierten Mal Ministerpräsident. Er betont stets seine Neutralität, letztlich ist er ein Nutzniesser des korrupten Systems. Mit seinem Mobilfunkunternehmen hat er Milliarden gemacht, auch dank guter Beziehungen zur syrischen Diktatorenfamilie Assad.
Er gehört zu einer Klasse, die nur an sich selbst denkt, nicht an das Wohl des Landes. Er lässt sich nur deshalb immer wieder wählen, damit niemand anderes an die Macht kommt, damit all die Versuche der Libanesen, mit Protesten etwas zu ändern, erfolglos bleiben. Seine Macht besteht darin, zu verhindern, dass ihm die Reichtümer genommen werden, die er womöglich nicht legal erworben hat. Verfahren wurden begonnen und eingestellt. Es ist letztlich auch eine Art Krieg gegen das eigene Volk.
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