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Israels Offensive in Gaza
Im Süden warten 20’000 Hamas-Kämpfer – inmitten von zwei Millionen verängstigten Menschen

Israeli troops and military vehicles are positioned near the border with the Gaza Strip on December 3, 2023, amid continuing battles between Israel and the militant group Hamas. The graffiti in blue reads : “Eliminate Hamas” and family names of Israeli soldiers. Israel struck Gaza targets on December 3 in its war on Hamas as international concern mounted over the spiralling civilian death toll, three days into fighting that resumed after a truce ended. (Photo by Menahem KAHANA / AFP)
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Israels Bodentruppen stehen vor neuen Herausforderungen. «Wir haben im Norden stark und gründlich gekämpft», erklärte Generalstabschef Herzi Halevi bei einem Truppenbesuch, «und wir tun es jetzt auch im südlichen Gazastreifen.» Sein Armeesprecher Daniel Hagari sekundierte: «Die Streitkräfte begegnen den Terroristen von Angesicht zu Angesicht und töten sie.» Dies gelte nun im gesamten palästinensischen Küstenstreifen. Ob damit tatsächlich eine breit angelegte Bodenoffensive nach ähnlicher Taktik wie im Norden gemeint ist, bleibt noch offen – vor allem wegen einer Frage: Wie soll das gehen angesichts der Masse von Zivilisten im Kampfgebiet?

Zurück können sie nicht

Im nördlichen Gazastreifen hatte Israel zu Beginn des Bodeneinsatzes Ende Oktober, der auf ein dreiwöchiges Bombardement aus der Luft folgte, alle Bewohner zum Verlassen des Gebiets aufgefordert. Hunderttausende Menschen haben dem Folge geleistet und sind in den Süden geflohen. Zurück können sie nicht, weil ihre Wohngebiete weitgehend verwüstet sind.

Zwei Monate Krieg – unterbrochen nur von einer kurzen, einwöchigen Feuerpause zum Austausch von Geiseln gegen Gefangene – haben allen Berichten und Aufnahmen zufolge weite Teile des nördlichen Gazastreifens in ein Trümmerfeld verwandelt.

Palestinian kids salvage belongings from a house destroyed in the Israeli bombardment of the Gaza Strip in Deir al Balah on Monday, Dec. 4, 2023. (AP Photo/ Hatem Moussa)

Israels Armee hat die Kämpfe mit beständigen Erfolgsmeldungen begleitet – über eine Vielzahl getöteter Hamas-Kommandanten oder über mehr als 800 Tunnelschächte, die entdeckt und grösstenteils zerstört worden seien. Doch bis heute ist es nicht gelungen, das gesamte Gebiet rund um Gaza-Stadt vollständig unter Kontrolle zu bringen. «Wir haben sie im Norden noch nicht vollständig militärisch besiegt», räumte ein Armeesprecher am Montag im amerikanischen TV-Sender CNN ein. «Aber wir haben gute Fortschritte gemacht.»

Die Führung der Hamas und ein Grossteil der schätzungsweise immer noch mehr als 20’000 Kämpfer dürften nun im Süden auf die israelischen Truppen warten – und sich dort hinter fast zwei Millionen Menschen verschanzen. Fast die Hälfte hat nach Angaben der Vereinten Nationen Schutz gesucht in Einrichtungen der UNRWA, des UNO-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge. Andere haben sich in Spitäler geflüchtet oder leben in Zelten.

Nach einer Kaskade von Warnungen scheint die US-Regierung nun zumindest den Eindruck zu gewinnen, dass ihre Worte in Israel Gehör finden.

Kurzum, im Süden des Gazastreifens herrschen komplett andere Kampfbedingungen als im weitgehend geräumten Norden. Dies ist der Hintergrund für die deutlichen Ermahnungen aus Washington an Israel, mehr zu tun zum Schutz der Zivilbevölkerung und sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten. Schliesslich melden die palästinensischen Behörden in Gaza jetzt schon mehr als 15’000 Tote und weit über 40’000 Verletzte.

Nach einer sehr lauten Kaskade von Warnungen am Wochenende – von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Verteidigungsminister Lloyd Austin und zuvor schon von Aussenminister Antony Blinken – scheint die US-Regierung nun zumindest den Eindruck zu gewinnen, dass ihre Worte in Israel Gehör finden. Israel bemühe sich, die «zivilen Opfer zu minimieren», sagte John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats.

JERUSALEM - DECEMBER 04: Soldiers, family and members of the public attend the funeral for Sgt. First Class (res.) Ben Zussman on December 04, 2023 in Jerusalem. This morning, the Israel Defense Forces announced the death of Sgt. Zussman, 22, who it said was killed in Gaza on Sunday. Sgt. Zussman was from Jerusalem and served in the Combat Engineering Corps' 601st Battalion. As of this morning, the IDF has announced the death of 75 soldiers who have died in ground operations in the Gaza Strip since October. (Photo by Spencer Platt/Getty Images)

Dies bezieht sich wohl vor allem auf eine interaktive Landkarte, auf der man den Gazastreifen in Hunderte kleine Zonen eingeteilt hat. Je nach Lage zeigt die Armee dort die aktuellen Kampfzonen an sowie jene Gebiete, in denen die Bevölkerung Schutz finden kann. Ein Problem: Wegen mangelnder Stromversorgung und Internetverbindung werden wohl nicht viele Bewohner Zugriff auf diese Karte haben.

Ein anderes Problem: Allein in den ersten beiden Tagen seit Veröffentlichung der Karte wurden nach UNO-Angaben 28 Prozent des Gazastreifens als Evakuierungsgebiet ausgewiesen, ein Grossteil davon im Süden. Angesichts der Enge des Gazastreifens ist nicht nachvollziehbar, wo Hunderttausende Menschen, die ohnehin schon auf der Flucht sind, ausreichend Schutz finden sollen.

Es finde ein «Blutbad» statt

Ein in den Süden des Gazastreifens gereister Sprecher des UNO-Kinderhilfswerks Unicef übte heftige Kritik am israelischen Vorgehen. Die Angaben über sichere Zonen seien eine «Falschdarstellung», sagte James Elder dem arabischen Nachrichtensender al-Jazeera. Es finde ein «Blutbad» statt, das «mit Sicherheit als illegal verstanden werden wird».

Israels Militärplaner gehen davon aus, dass die Kämpfe um Gaza Monate dauern können. Der Geheimdienst denkt schon darüber hinaus. In einer Tonbandaufzeichnung, die dem israelischen Fernsehsender Kan zugespielt wurde, ist Schin-Bet-Chef Ronen Bar zu hören mit der Ankündigung: «Wir töten die Hamas-Führer in Katar und in der Türkei. Das wird Jahre dauern, aber das ist die Mission unserer Generation – unser München.» Er bezieht sich damit auf das Olympia-Attentat palästinensischer Terroristen, bei dem 1972 elf israelische Athleten getötet worden waren. Es folgte eine fast 20 Jahre andauernde Jagd der israelischen Geheimdienste auf die Attentäter und ihre Hintermänner.