Hinrichtung von Jamshid SharmahdTochter des ermordeten Deutsch-Iraners erhebt Vorwürfe
Die Mullahs liessen den Regimekritiker Jamshid Sharmahd nach langer Folter töten. «Was haben sie in den vier Jahren für ihren Bürger getan?», fragt seine Tochter an die deutsche Regierung gerichtet.

- Gazelle Sharmahd erhebt nach der Hinrichtung ihres Vaters im Iran schwere Vorwürfe.
- Ihr Vater war Monarchist und Kritiker des Regimes im Teheran.
- Er wurde 2020 während einer Geschäftsreise von iranischen Agenten entführt und nun ermordet.
Seine Tochter störte sich schon an dem Wort. Iran. Es geht so schnell, es hinzuschreiben, gerade wenn der Iran mal wieder in den Schlagzeilen ist; passiert auch Journalisten. Wie jetzt gerade. Der Iran hat gedroht, der Iran hat angegriffen, der Iran hat jemanden hinrichten lassen. «Iran?», fragte Gazelle Sharmahd vor ein paar Monaten beim Telefonat mit dieser Redaktion. Iran, das sei ihr Land. Das Regime, das dort regiere, habe diesen Namen nicht verdient.
«Jihadisten sind das», sagt sie. «Verbrecher, mit denen wir nicht verwechselt werden wollen.» Wir, die Iranerinnen und Iraner. Versuchen wir also, das, was im Iran am Montag geschah, so zu formulieren, wie es Gazelle Sharmahd tun würde. Die Tochter, deren Vater nun nicht mehr am Leben ist.
Entführt, isoliert, gefoltert, ermordet
Das Regime der Mullahs, das den Iran seit 1979 beherrscht, das seinem Land und vor allem den Frauen dort seinen Islamismus aufzwingt, das längst keine Mehrheit im Volk mehr hat, sich nur noch dank seines Sicherheitsapparats an der Macht hält und alle paar Jahre demonstrierende Menschen niederschiessen lässt – dieses Regime hat vor vier Jahren in Dubai einen Mann mit deutschem Pass entführt, ihn in den Iran gebracht, ihm dort mit erfundenen Vorwürfen den Prozess gemacht, ihn gefoltert und isoliert und schliesslich ermordet.

Am Montagabend sprach auch die deutsche Aussenministerin von Mord. Der Tod von Jamshid Sharmahd zeige, «was für ein menschenverachtendes Regime» im Iran herrsche, sagte Annalena Baerbock. Deutschland habe Teheran immer wieder klargemacht, dass die Hinrichtung von Sharmahd «schwerwiegende Folgen» haben werde. Welche Folgen das sein sollen, jetzt, da die Hinrichtung geschehen ist, liess Baerbock offen. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz sprach von einem «Skandal».
Gazelle Sharmahd schrieb auf X, sie wolle von der Politik keine Beileidsnachrichten hören, die ohne Details einer «schweren Strafe» für die «Mörder» auskommen. Und ohne die Ankündigung, dass wenigstens der Leichnam ihres Vaters nach Hause komme, damit die Familie ihn beisetzen kann.
Sie wolle Antworten, schrieb die Tochter, von der Bundesregierung, aber auch von der US-Regierung. «Was haben sie in den vier Jahren für ihren Bürger getan?», schrieb sie auf X, «ausser ihn im Stich zu lassen?» Die Sharmahds lebten nach ihrer Emigration aus dem Iran erst lange in Deutschland, seit 2003 in den Vereinigten Staaten. Gazelle arbeitete in Los Angeles als Krankenschwester, bevor sie ihren Job aufgab, um für das Leben ihres Vaters zu kämpfen. Schweige sie, sagte sie oft, dann bedeute das seinen Tod.
Sharmahd verschwieg nie, dass er Monarchist war
Ihr Vater, ein Softwareunternehmer und Journalist, engagierte sich für die iranische Exil-Opposition. In den USA gründete er Websites, auf denen Menschen aus dem Iran zu Wort kamen. Sharmahd verschwieg nie, dass er Monarchist war. Er war kein Anhänger der Pahlavi-Dynastie, aber er setzte sich dafür ein, dass im Iran wieder ein Schah regiert. Schon in Amerika wollte das iranische Regime ihn töten, es scheiterte an US-amerikanischen Geheimdiensten. Wie sehr das Regime auf Sharmahd fixiert war, zeigte der Aufwand, mit dem es ihn weiterhin verfolgte.
Sharmahd war schon Mitte 60, er hatte zwei Drittel seines Lebens im Ausland verbracht, als er 2020 in ein Flugzeug nach Dubai stieg. Auf dieser Geschäftsreise wurde er von iranischen Agenten entführt und über Oman in den Iran gebracht. Vor Gericht hiess es, er sei in einen Terroranschlag verwickelt gewesen. Es war ein Schauprozess, das Urteil fiel wegen «Korruption auf Erden». Von der Todesstrafe, so erzählte es seine Tochter, habe sie ihrem Vater später am Telefon erzählen müssen, er selbst habe davon nichts gewusst.
Wie wird die deutsche Bundesregierung mit dem Regime nun umgehen?
Das oberste Gericht in Teheran bestätigte das Urteil. Das war 2023. Seither hatte die Familie kaum mehr Kontakt zu ihm. Ein einziges Telefonat habe es gegeben, bei dem er kaum habe sprechen können, so schilderte es Gazelle. Wohl eine Folge der Folter, ihm fehlten die Zähne. Sie habe ihn, der an Parkinson litt, kaum verstanden. Doch ein Satz blieb hängen: Ihr Vater habe gefragt, was getan werde, um ihn zu befreien.

Die deutsche Aussenministerin Baerbock sagte, die Botschaft in Teheran habe sich «unermüdlich» um den deutschen Staatsbürger bemüht, man habe immer wieder «hochrangige Teams» aus Berlin nach Teheran geschickt. Hochrangig, noch so ein Wort, an dem sich Gazelle Sharmahd störte. Hochrangig, ja hochkarätig, so setze man sich ein, habe ihr die deutsche Regierung immer versprochen – aber was das denn heissen solle? Offenbar hiess es nicht genug.
Die deutsche Regierung wird nun prüfen müssen, wie sie ihr Verhältnis mit der Islamischen Republik fortsetzt, ob es ein «weiter so» geben kann. Die Europäische Union hatte ihre Sanktionen gegen Teheran zuletzt verschärft, ab sofort dürfen Fluglinien wie Iran Air nicht mehr in die EU. Allerdings nicht wegen der Hinrichtungen oder der Folter im Land, sondern wegen der Raketen, die das iranische Regime an Russland geliefert haben soll.
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