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Prozess gegen Donald Trump
Trump schweigt, dann wütet er, und in Miami steigt seine Freakshow 

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Auch der Botschafter aus Hollywood ist da, als Donald Trump in Downtown Miami eintrifft. Gewöhnlich begrüsst Gregg Donovan in seiner rot-schwarzen Uniform drüben auf Amerikas anderer Seite Touristen, das hat ihm seinen Botschafterbeinamen eingebracht – er glaubt ziemlich bekannt zu sein. Jetzt steht der ältere Herr zwischen Scharen von weiteren Trump-Fans vor dem Wilkie D. Ferguson United States Courthouse, in dem sein Idol gleich wegen mutmasslicher Straftaten antreten muss.

Zu seinem frackartigen Jackett trägt Donovan Schilder und Plakate, auf denen wie bei vielen Leuten hier «Trump 2024» steht, sowie eine mächtige Plastikgoldkette, an der ein Trump-Anhänger baumelt, und einen Zylinder mit Aufdruck «We love Trump». Er sieht aus wie ein Zirkusdirektor. Etwas overdressed bei 33 Grad und circa 100 Prozent Luftfeuchtigkeit vielleicht, aber absolut angemessen für diese Veranstaltung.

Gregg Donovan vor dem Gerichtsgebäude in Miami.

Wie immer bei Trumps Auftritten versammeln sich die skurrilsten Groupies, es ist eine weitere Folge dieser mobilen Freakshow. Der Unterschied zu anderen Anlässen besteht darin, dass es in dem Gerichtsgebäude hinter den Polizisten diesmal um einen besonders denkwürdigen Justiztermin der neueren US-Geschichte geht, weshalb sich noch mehr Medienmenschen als Trump-Schlachtenbummler eingefunden haben. «Das ist grösser als der Super Bowl, die Weltmeisterschaft, Olympia und die Oscar-Verleihung zusammen», meint Gregg Donovan, für Interviews jederzeit ansprechbar.

Geheimakten, Schweigegeld, Wahlbeeinflussung

Zum ersten Mal wird ein ehemaliger US-Präsident vom Staat beschuldigt, das Gesetz gebrochen zu haben. Im Falle einer Verurteilung könnte Trump sogar eine ausgedehnte Gefängnisstrafe bevorstehen. Der Sonderermittler Jack Smith wirft ihm vor, nach seiner Amtszeit streng geheime Dokumente aus dem Weissen Haus in seine Residenz Mar-a-Lago entwendet zu haben. Darunter soll Material gewesen sein, das sich mit amerikanischen Atomwaffen sowie Schwachstellen der Landesverteidigung befasst. Gefunden wurde es verstaut neben einer Toilette sowie in einem Schlafzimmer und einem Ballsaal. Es geht um das mutwillige Zurückhalten von Informationen zur nationalen Sicherheit, um den verbotenen Besitz solcher Papiere und um Falschaussagen.

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Alles in allem wären das sehr strafbare Verstösse gegen das Spionage-Gesetz, ansonsten handelt es sich um die Fortsetzung der Trump-Saga. Angeklagt ist dieser Mann ja ausserdem in New York, weil er Schweigegeld an einen Pornostar illegal verschleiert haben soll. Verurteilt wurde Trump zuletzt wegen sexueller Übergriffe.

Und die Serie ist noch längst nicht beendet: Ermittelt wird noch wegen des Sturms seiner Anhänger auf das Capitol am 6. Januar 2021 und wegen des Verdachts, Trump habe zuvor in Georgia Joe Bidens Wahlsieg kippen lassen wollen. Drinnen lässt sich Trump von seinen Anwälten wie üblich für unschuldig erklären, das berichten Zeugen, und zwar in allen 37 Punkten dieser neuen Anklage.

Keine Fotos, keine Mitschnitte aus dem Gericht

Selbst sagt er zunächst kein Wort. Man bekommt ihn draussen auch nicht zu Gesicht, allenfalls auf kurzen Videoschnipseln der Anreise und für einen Augenblick durch das Fenster einer gepanzerten Limousine. Ins Gericht dürfen weder Kameras noch Smartphones oder Laptops mitgenommen werden. Es gibt keine Fotos und keine Mitschnitte, nur wenige Chronisten sind nach stundenlangem Warten dabei. Anschliessend heisst es, Trump habe drinnen grimmig geschaut und die Arme verschränkt, die Anhörung dauerte ungefähr eine Dreiviertelstunde lang.

Erst am Abend wird er sich dann selbst melden, allerdings aus seinem Golfklub Bedminster in New Jersey und nicht aus seinem deutlich näher gelegenen Hauptquartier in Palm Beach. Fluchtgefahr besteht nach Ansicht der Richter keine, der Angeklagte darf gleich nach seinem Gerichtstermin wieder in seiner Trump-Boeing abfliegen. Verhandelt wird sein Fall nur deshalb in Florida, weil das FBI die vertraulichen Dokumente im vergangenen Jahr in Mar-a-Lago sichergestellt hatte.

Vor Gericht soll er kein Wort gesagt haben, bei seinem Auftritt in Bedminster gab es dann, was man von Trump gewöhnt ist: Lügen und Anschuldigungen.

Er, ein früherer Präsident, sei wegen falscher und konstruierter Anklagen festgenommen worden, wird Trump später sagen. Lächerlich sei die Anklage, er habe jedes Recht gehabt, diese Akten zu besitzen – eine schamlose Lüge. Da werde Einfluss auf die Wahl genommen, so der Präsidentschaftskandidat Trump. Er werde persönlich verfolgt, «wie in faschistischen und kommunistischen Nationen». Joe Biden sei der korrupteste Präsident. «Die Marxisten» würden versuchen, Amerikas Demokratie zu zerstören, «aber sie werden es nicht schaffen, wir werden gewinnen».

Seine Freunde sehen das in Miami ganz genauso. «Nicht schuldig», verkünden Transparente. Oder: «Präsident Trump hat nichts falsch gemacht. Das FBI und die Demokraten hassen Amerika. Rettet die USA.» Für diese Gemeinde ist ihr Held ein Opfer obskurer Mächte, angeführt von Joe Biden, der auf Collagen mit Nicaraguas Diktator Daniel Ortega und Kubas verstorbenem Comandante Fidel Castro verglichen wird. Auf einem Exemplar ist Biden neben Hitler, Stalin und Mao untergebracht. Vor allem der reaktionäre Teil der Exilkubaner läuft zu grosser Form auf, zum Dank macht Trump nachher rasch Station beim kubanischen Restaurant Versailles in Little Havanna, einer Zentrale der Szene.

Diese Fraktion hatte in den vergangenen Jahrzehnten stets ihren Beitrag geleistet, wenn Republikaner in Florida gewannen. Inzwischen ist Florida knallrot republikanisch, angeführt jedoch vom Gouverneur Ron DeSantis, der wie Trump Präsident werden will. Der eine oder andere Wähler und die eine oder andere Wählerin der Partei in diesem Bundesstaat fragen sich deshalb, ob ihnen nun Trump lieber wäre oder DeSantis.

Mit dabei ist ein bärtiger Mystiker mit kubanischer und US- Flagge, auf seinem Käppi das Wort «Libertad», Freiheit.

Hier im Zentrum von Miami hat sich einen Tag vor dessen 77. Geburtstag eindeutig Trumps Wanderzirkus eingefunden, wobei es mehr als ein paar Hundert Trumpsters dann doch nicht sein dürften. Mittendrin also Gregg Donovan, der Botschafter von Hollywood. Er findet, der Umgang mit Donald Trump sei das Schlimmste, was die USA erlebt hätten, seit Abraham Lincoln und John F. Kennedy erschossen wurden. «Wirklich, ich meine es ernst. Denken Sie darüber nach. Niemals in der Geschichte wurde ein amerikanischer Präsident angeklagt.» Niemand sei mehr sicher, so sieht Donovan das, «deshalb bin ich gekommen. Ich habe gestern einen Nonstop-Flug genommen. Ich kam um vier Uhr an. Ich bin seit fünf Uhr morgens hier.» Er zückt sein Handy, darauf ein Selfie mit Trump, aufgenommen in Beverly Hills, dort nannte sich Donovan auch mal Botschafter.

Wer angesichts des Angebots in Trumps Umgebung noch auffallen will, der muss sich anstrengen. Ganz vorne dabei ist ein bärtiger Mystiker, gekleidet in eine kubanische und eine amerikanische Flagge, auf seinem Käppi das Wort «Libertad», Freiheit. Er hält einen aufgespiessten Schweinekopf in die schwüle Luft, im Maul eine US-Fahne. Warum? Verrät er nicht.

Protest mitsamt Schweinekopf: Demonstrant in Miami.

Ein Truck fährt hupend vorbei, der Anhänger mit einer Gefängniszelle bemalt, darin Joe Biden, Bill Clinton, Nancy Pelosi, Barack Obama, daneben Donald Trump, Daumen hoch. Davor ein Panzerjeep mit Aufschrift «Apokalypse». Ein Mann hat sich einen Häftlingsanzug angezogen. Fast jedem läuft der Schweiss herunter. «Wir haben definitiv ein Hitzeproblem», sagt der Schweinekopf-US-Kubaner, Bidens Umweltpolitik nicht abgeneigt. «Die Hitze wird nachlassen, wenn ihr Trump hasst», verspricht nebenan ein mutiger Witzbold auf einem seiner Poster.

Es ist Xavier Presley (67), der gerne lacht und oft allein gegen Trump demonstriert, wenn sich dessen Sympathisanten treffen. Er kann sich vorstellen, dass sich Trump eines Tages ins Exil nach Saudiarabien absetzt, ist aber nur so eine Idee. Es macht ihm höllischen Spass, mit seinen Sprüchen die Trumpsters zu ärgern, auf seinen Anzug hat er diverse Male «Fuck Trump» geschrieben. Besonders gerne erinnert Presley daran, dass Trump damit prahlt, ein grossartiger Baseballspieler gewesen zu sein, was natürlich völliger Unsinn sei.

Auch seine Gegner haben sich versammelt: Ein Mann in Häftlingskostüm protestiert gegen Donald Trump in Miami. 

Bisher hat er die Mutproben gut überstanden, bei dieser Gelegenheit leisten ihm ein paar Gleichgesinnte Gesellschaft. «Lock him up», empfiehlt eine Frau, «sperrt ihn ein», sie meint Trump. Mal brüllen sich beide Seiten an. «Nazis», schreien die einen, «Kommunisten» die anderen. Und mal begegnen sich an diesem Tag auch einzelne Vertreter der Lager tatsächlich zu gesitteten Gesprächen. Eine Maga-Trump-Freundin, Make America Great Again, fällt sogar dem Trump-Feind Xavier Presley um den Hals, sie liebe ihn trotz allem. In diesem Moment könnte man ganz kurz, für Sekunden, fast wieder so etwas wie Hoffnung für die USA haben.