Kommentar zur US-Anklage Trump als verurteilter Straftäter im Weissen Haus? Welch düstere Pointe
Die Republikaner hatten es in der Hand, den Ex-Präsidenten von der politischen Bühne zu entfernen. Sie haben es unterlassen – aber was, wenn er vor der Wahl verurteilt wird?
Es wird ein Spektakel, es wird chaotisch, es wird laut: Es wird ein Tag ganz nach Donald Trumps Geschmack. Wenn der ehemalige US-Präsident am Dienstag in Miami angeklagt wird, weil er am Ende seiner Amtszeit geheime Dokumente in seinen Golfclub Mar-a-Lago geschafft hatte, wird nicht nur ein Mediensturm losbrechen. Es werden sich auch viele seiner Anhänger versammeln, und man kann nur hoffen, dass es nicht zu Ausschreitungen kommt. Denn auszuschliessen ist das nicht.
Trumps Verbündete, darunter Mitglieder des Kongresses, haben die Anklage als «kriegerischen Akt» bezeichnet, sie haben «Vergeltung» gefordert, und Kari Lake, unterlegene Gouverneurskandidatin aus Arizona, hat soeben auf dem republikanischen Parteitag darauf hingewiesen, dass viele Trump-Fans Waffen trügen. Um zu unterstreichen, dass es sich um eine unverhohlene Drohung handelte, sagte sie: «Dies ist keine Drohung.»
Trump selbst hat seine Rhetorik in den vergangenen Tagen noch verschärft. Der «vollkommen korrupte» Präsident Joe Biden wolle ihn mundtot machen, es herrschten in den USA Zustände wie im «stalinistischen Russland» und dem «kommunistischen China». Die andere Seite wolle «die USA zerstören». Die Wahlen von 2024 hat Trump als «finale Schlacht» bezeichnet. Was ihn so nervös macht: In diesem Verfahren ist die Beweislast erdrückend. Selbst die Kommentatoren auf seinem Haussender Fox News sehen das so.
Trump wird immer radikaler – und Teile seiner Basis könnten ihm mit Taten folgen.
Bevor seine Anhänger im Januar 2021 das Capitol stürmten, hatte Trump sie auf Twitter und in einer Rede angestachelt. Im Amtsenthebungsverfahren, das deshalb gegen ihn angestrengt wurde, kam er zwar knapp mit einem Freispruch davon, doch selbst prominente Republikaner wie Mitch McConnell, der damals gegen eine Verurteilung stimmte, sagten ausdrücklich, dass die Verantwortung für diesen Angriff auf das Herz der amerikanischen Demokratie bei Trump liege.
Dieses Impeachment-Verfahren war die letzte Chance, Trump von der politischen Bühne zu entfernen. Die Republikaner hatten sich aus parteitaktischen Gründen dagegen entschieden. Nun zahlen nicht nur sie, nun zahlt die Demokratie in den USA den Preis für dieses taktische Manöver. Trump wird verbal immer radikaler, und es steht zu befürchten, dass Teile seiner Basis ihm in dieser Radikalisierung mit Taten folgen.
Wenn er doch vor dem Wahltag verurteilt würde, stünde das einer zweiten Amtszeit nicht im Wege.
Nach normalen Massstäben sollte der in Miami anhängige Fall Trumps politische Laufbahn beenden, doch normale Massstäbe gelten für den Ex-Präsidenten schon lange nicht mehr. Vor der Wahl von 2016 war eine Aufnahme aufgetaucht, auf der Trump sagt, als Prominenter könne man Frauen ungefragt und ungestraft «an die Muschi fassen». Dass dieser Vorfall sich als folgenlos erwies, muss im Rückblick als der Moment gelten, in dem Trump feststellte, dass er in Drachenblut gebadet hatte: Er war unverwundbar.
Der Dokumenten-Fall aus Miami ist ernst, er wird allerdings kaum vor der Wahl von 2024 zu Ende verhandelt sein. Das heisst, Trump wird im Rennen bleiben, und selbst wenn er doch vor dem Wahltag verurteilt würde, stünde das einer zweiten Amtszeit nicht im Wege.
Die Laufbahn des Donald Trump ist die wohl ungewöhnlichste Geschichte der amerikanischen Politik. Sollte er am Ende als verurteilter Straftäter erneut ins Weisse Haus einziehen, hätte sie ihre ebenso düstere wie logische Pointe gefunden.
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