Anklage gegen TrumpGeheimakten im Schlafzimmer, in der Dusche, im Ballsaal
Wie im Mafiafilm: Donald Trump lagerte Dokumente aus dem Weissen Haus offenbar auch in einem Badezimmer in seinem Anwesen Mar-a-Lago.
In welch historischem Moment er auftrat, wusste Jack Smith ganz genau, als er sich am Freitagnachmittag in Washington an ein Rednerpult vor zwei Flaggen stellte. Links jene der Vereinigten Staaten, rechts jene des Justizministeriums. In dessen Auftrag hat Smith als Sonderermittler ein halbes Jahr lang gegen Donald Trump ermittelt, den früheren Präsidenten und aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. Ein Phantom blieb Smith in dieser Zeit, hielt sich von allen Kameras fern.
Nun ist Smith mit einem Knall an die Öffentlichkeit getreten: Er hat erwirkt, dass erstmals ein früherer US-Präsident als Beschuldigter vor einer Bundesrichterin antreten muss. «Heute wurde eine Anklageschrift veröffentlicht, die Donald J. Trump Verbrechen gegen die Gesetze unserer nationalen Sicherheit vorwirft und die Teilnahme an einer Verschwörung, die Justiz zu behindern», sagte Smith. Mit ernster Stimme hob er das Ausmass und die Schwere der vorgeworfenen Verbrechen hervor: Amerikanische Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter riskierten ihr Leben für das Land, Verletzungen der Gesetze zur nationalen Sicherheit hingegen würden es Gefahren aussetzen.
Darum seien die Gesetze zum Schutz des Landes durchzusetzen, und zwar gegen alle, weil sie für alle gleich gelten. «Unser Respekt für den Rechtsstaat setzt ein Beispiel für die ganze Welt», sagte Smith, der vor seiner Einsetzung als Sonderermittler für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gearbeitet hatte. Indirekt verwahrte er sich gegen den Vorwurf Trumps, die Anklage sei politisch: Ein Geschworenengremium in Florida, zusammengesetzt aus Bürgern, habe der Anklage zugestimmt, betonte Smith.
Die Anklageschrift führt 38 Gesetzesbrüche auf. 37 davon betreffen Donald Trump, teilweise gemeinsam mit seinem persönlichen Mitarbeiter Waltine Nauta. Ein Anklagepunkt richtet sich allein gegen Nauta; als Navy-Mann war er schon Trumps persönlicher Butler im Weissen Haus, inzwischen wird er als sein «body man» beschrieben, als sein engster Mitarbeiter.
Trump war wohl nicht nur Mitwisser am Rande
Die ersten 31 Punkte betreffen ebenso viele Aktenstücke, die aus Gründen der nationalen Sicherheit besonders geschützt waren. Es geht etwa um die Atomwaffen eines anderen Staates und Angriffsoptionen der USA auf ein ungenanntes Land, bei dem es sich um Iran handeln dürfte. Trump habe diese Dokumente nach dem Ende seiner Präsidentschaft widerrechtlich in sein Anwesen in Mar-a-Lago mitgenommen.
Vor allem rückte er sie nicht heraus, als zuerst das Nationalarchiv und danach das FBI und ein Geschworenengremium sie verlangten. Vielmehr, und darauf beziehen sich die restlichen sieben Anklagepunkte, habe Trump versucht, die Behörden an der Nase herumzuführen. Deswegen sind Trump und Nauta nun auch der Verschwörung zur Behinderung der Justiz angeklagt, mehrerer Varianten des Verbergens von Beweismitteln sowie der Falschaussage in einem Strafverfahren. Es handelt sich dabei um relativ schwere Verbrechen, für die jeweils eine Höchststrafe von bis zu 20 Jahren Gefängnis vorgesehen ist.
Trump war bei diesen Vorgängen nicht nur Mitwisser am Rande. Laut Anklageschrift war er persönlich eng involviert, wann immer es um die Kisten mit seinen Unterlagen aus dem Weissen Haus ging, mit Schachzügen, die einer zweitklassigen Mafiakomödie entlehnt wirken. Trump fragte seine Anwälte laut Anklageschrift beispielsweise, ob er einfach behaupten könne, er habe keine Dokumente. Als die verneinten und verlangten, die Kisten mit den Geheimakten zu sichten, befahl Trump seinem Butler Nauta kurz vor dem Termin, Dutzende Kartons in seine Residenz zu tragen, um sie vor den Anwälten zu verstecken. Bei einer Befragung durch das FBI log Nauta dazu. Bilder von Überwachungskameras und Textnachrichten liessen die Lüge auffliegen.
Akten in der Dusche
Zwei Anwälte Trumps legten am Freitag ihr Mandat nieder. Sie hätten den Ex-Präsidenten am Morgen über ihren Schritt informiert, teilten John Rowley und Jim Trusty mit. Zu den Gründen war zunächst nichts bekannt. Es sei eine Ehre gewesen, Trump im letzten Jahr verteidigen zu dürfen, erklärten die beiden Anwälte in einer Stellungnahme.
Wie Trump mit den Geheimakten umging, führt die Anklageschrift anhand mehrerer Beispiele auf. Die Kisten standen demnach zuerst in Mar-a-Lago auf der Bühne eines Ballsaals. Später bewahrte Trump die Kartons in einer Dusche, seinem Büro, seinem Schlafzimmer und schliesslich einem Lagerraum in unmittelbarer Nähe des Pools seines Clubs auf, zu dem Hunderte Gäste Zutritt hatten.
Die Personenschützer des Secret Service informierte Trump nicht über seine heiklen Schätze. Einmal fand Nauta hochgeheime Unterlagen auf dem Boden des Lagerraums verstreut, weil einige Kisten umgekippt waren; unter welchen Umständen, ist in der Anklageschrift nicht festgehalten. Nauta machte ein Foto, auf dem die Akten lesbar waren, und schickte sie einem Mitarbeiter weiter.
Akten waren nicht deklassifiziert, räumt Trump ein
Auch in seine Sommerresidenz im Bedminster Club in New Jersey liess Trump Geheimdokumente bringen. Dort zeigte er sie verschiedenen Personen, mindestens zwei seiner Mitarbeiter und dem Autoren einer Biografie über seinen Stabschef Mark Meadows sowie dessen Verleger. Die Akten, die in der Anklageschrift nicht näher beschrieben sind, enthielten laut «CNN» einen Plan für einen militärischen Angriff der USA auf Iran. Trump legte sie offenbar mit der Bemerkung vor: «Ist das nicht toll? Ich habe einen ganzen Stapel von Papieren.»
In einer Aufnahme eines Gesprächs, dessen Abschrift in der Anklageschrift enthalten ist, räumt Trump ein, dass die Dokumente nicht deklassifiziert waren, wie er zu seiner Verteidigung oft behauptet. Einem Parteifunktionär zeigte er demnach eine militärische Karte mit der Bemerkung, das dürfe er eigentlich gar nicht.
Trumps Verhalten ist umso bemerkenswerter, als er selbst 2016 seine demokratische Rivalin Hillary Clinton für ihren Umgang mit Geheimakten hart kritisiert hatte. Damals versprach Trump, hart durchzugreifen, mit Ankündigungen, die die Ankläger nun genüsslich zitieren. «In meiner Regierung werde ich alle Gesetze zum Schutz von Geheiminformationen durchsetzen. Niemand wird über dem Gesetz stehen», sagte Trump etwa während des Wahlkampfs im Sommer 2016. Einmal im Amt liess er sogar eine Stellungnahme verbreiten, die nun direkt auf ihn zurückfällt: Es sei «höchst unangemessen», wenn frühere Amtsträger noch Zugang zu Geheiminformationen hätten, besonders, wenn sie parteipolitisch aktiv seien.
Jack Smith ein «gestörter Psycho»
Die Nachricht der Anklage hatte Trump selbst am Donnerstagabend auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social verbreitet. Dabei schrieb er von einem «dunklen Tag für die Vereinigten Staaten von Amerika»: Er sei unschuldig. Später griff er Sonderermittler Jack Smith persönlich an, nannte ihnen einen Trump-Hasser und «gestörten Psycho» und unterstellte den Justizbehörden und der Regierung Joe Bidens, Beweismittel gefälscht zu haben, um den Rivalen Trump aus dem Weg zu räumen.
Biden wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Er habe in der Sache keinen Kontakt mit Justizminister Merrick Garland gehabt. «Ich habe überhaupt nicht mit ihm gesprochen und werde auch nicht mit ihm sprechen. Und dazu habe ich keinen Kommentar», sagte der amtierende Präsident am Rande eines Besuches in North Carolina.
Smith versprach, er werde den Prozess gegen Trump so schnell wie möglich vorantreiben. Zuständig für den Fall ist Bundesrichterin Aileen Cannon, die noch von Trump selbst eingesetzt worden war. Sie hat im Verlauf der Strafuntersuchung schon wiederholt zugunsten Trumps Entscheide gefällt, die teilweise von übergeordneten Instanzen wieder umgestossen wurden.
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