Erfolg wegen klimaschädlicher WendeIn Deutschland boomt die Kohle – und Glencore profitiert
Deutschland setzt zunehmend auf Kohlestrom. Das ist umweltpolitisch fragwürdig. Der Schweizer Rohstoffkonzern freut sich – und hat bei einem Minenkauf Glück mit dem Timing.
Eigentlich wollte Deutschland schrittweise aus dem Kohlestrom aussteigen. Doch das Gegenteil ist geschehen: Im Vorjahr stieg der Kohleverbrauch deutlich an. Und ein Unternehmen hat davon massgeblich profitiert: der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore.
Doch der Reihe nach: Trotz aller Absichten, auf klimaschonendere Energieträger umzusteigen, ist Kohle immer noch die wichtigste Energiequelle zur Stromerzeugung in Deutschland. Im vergangenen Jahr stammten 33,3 Prozent des deutschen Stroms aus Kohlekraftwerken – rund 10 Prozent mehr als im Jahr davor.
Grund für die Kehrtwende bei der Kohle war zum einen die geringere Leistung der verbleibenden Atomkraftwerke, die nur noch halb so viel Strom lieferten. Denn Deutschland hatte Ende 2021 drei der bis dahin noch in Betrieb befindlichen sechs AKW abgeschaltet. Die letzten drei wurden im April dieses Jahres abgeschaltet.
Zum anderen sank die Stromproduktion aus Gaskraftwerken – weil Gas wegen des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine ein knappes und teures Gut wurde. Einen Teil dieser Ausfälle machte Deutschland mit mehr Kohlestrom wett. Dieser stammt zu 60 Prozent aus Braunkohle, die in Deutschland selbst abgebaut wird.
Die restlichen 40 Prozent der zur Stromerzeugung benötigten Kohle sind Steinkohle. Sie wurde traditionell aus Russland importiert. Doch die Europäische Union hat im Zuge des Ukraine-Kriegs Sanktionen gegen Russland erlassen, um die russische Wirtschaft zu schwächen. Diese betreffen auch Kohle: Seit Mitte 2022 sind Importe aus Russland in die EU verboten.
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Deutschland musste andere Quellen anzapfen, um den Bedarf zu decken, und führt verstärkt Kohle aus Kolumbien ein. 5,8 Millionen Tonnen waren es vergangenes Jahr – gut dreimal so viel wie ein Jahr davor. Die Importe aus Kolumbien stiegen stärker an als jene aus anderen Ländern wie den USA oder Australien.
Und hier kommt Glencore ins Spiel. Denn dem Schweizer Konzern gehört seit Anfang 2022 ein riesiger Steinkohletagbau im Norden Kolumbiens: Die Mine El Cerrejón ist eine der grössten weltweit. Tausende Mitarbeiter fördern dort seit Jahrzehnten Kohle – hauptsächlich für den Export.
Perfektes Timing für die Übernahme der Mine
Glencore hielt die Mine zunächst gemeinsam mit den beiden anderen Bergbaukonzernen Anglo American und BHP zu je 33,3 Prozent. Mitte 2021 kündigte Glencore dann an, die Anteile der beiden anderen Firmen für insgesamt 588 Millionen Dollar zu übernehmen. Komplett war der Deal Anfang 2022.
Das Timing war perfekt. Glencore profitiert von den Verwerfungen am Energiemarkt durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Der Preis für Steinkohle schoss unmittelbar nach Kriegsausbruch auf über 400 Dollar je Tonne hoch.
Denn nicht nur Deutschland, sondern auch einige andere Länder wie Indien und China setzen verstärkt auf Kohle, um den steigenden Energiebedarf zu decken. Mittlerweile ist der Preis gesunken; er liegt bei rund 100 Dollar. Das ist im Vergleich zu den Jahren davor immer noch eher viel. Dank der hohen Kohlepreise machte sich die Übernahme für Glencore in Windeseile bezahlt. Ursprünglich hatte der Konzern erwartet, dass das erst knapp zwei Jahre nach dem Abschluss des Deals der Fall sein wird.
Die beiden anderen Bergbaukonzerne haben mit dem Ausstieg in Kolumbien ihr Engagement im klimaschädlichen Kohlebau beendet oder zurückgefahren. Glencore hingegen ist dort nun noch stärker präsent.
Der Konzern begründet die Übernahme der Mine damit, deren beste Eigentümerin zu sein. Andere Miteigentümer würden die Nachhaltigkeitsstrategie beim Betrieb der Mine gefährden und auf eine Verlängerung der Produktion über das Jahr 2034 hinaus dringen, so der Konzern. Bis 2034 läuft die bestehende Konzession für den Kohleabbau in Cerrejón. Dann fällt diese an die kolumbianische Regierung zurück.
Trotz der durch die Übernahme steigenden Konzernemissionen bekräftigte das Unternehmen sein Ziel, bis 2050 für keine Treibhausgasemissionen mehr verantwortlich zu sein. «Glencores Übernahme von Cerrejón steht im Einklang mit unserer Klimawandelstrategie», erklärte das Unternehmen anlässlich der Übernahme.
Neben Kolumbien hat Glencore auch noch Kohleminen in Südafrika und Australien. Konzernweit will die Firma die Kohleproduktion im laufenden Jahr etwa konstant halten. Glencore plane die Schliessung von drei Kohleminen in naher Zukunft und die Schliessung mindestens sechs weiterer Kohleminen bis Ende 2035, so eine Sprecherin.
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