Vincenz-Prozess: Tag 7Im Gericht kommt es zum Schlagabtausch
Anklage und Verteidigung werfen sich gegenseitig vor, Schlüsselindizien falsch zu interpretieren. Es wird zum Teil um jedes Wort gerungen, um Schuld oder Unschuld zu belegen. Es bleibt spannend.
Am Ende des siebten Verhandlungstages zeichnet sich immer deutlicher ab, mit welcher Strategie Anklage und Verteidigung im Vincenz-Prozess agieren. Die Anklage arbeitet mit einem Wust an Indizien aus Mails, Notizen und Aussagen.
Daraus versuchen Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel und sein Team ein kohärentes Bild zusammenzustellen. Damit soll belegt werden, dass sich Pierin Vincenz und sein Partner Beat Stocker mit der Hilfe der weiteren Angeklagten verdeckt an Firmen wie Commtrain, Eurocaution und Investnet beteiligten. Dann hätten sie ihren Einfluss genutzt, damit Raiffeisen oder die Kreditkartenfirma Aduno diese Firmen zu für die Altaktionäre günstigen Konditionen kauft. Aduno-Anwalt Marc Engler nannte es am Mittwoch «ein Mosaik aus Hunderten Elementen», das dieses Gesamtbild ergebe.
Hier versucht die Verteidigung anzusetzen. Und stürzt sich auf die Schlüsselindizien der Anklage. Ihr Ziel: glaubhaft zu machen, dass die Anklage diese Dokumente falsch deute und diese nicht die Erzählung der Anklage stützten.
Daher wird vor Gericht zum Teil um jedes Wort gekämpft. Wie beim Brief von Investnet-Gründer Peter Wüst vom 27.9.2011 an Beat Stocker. Darin schreibt er: «Nun habe ich mir überlegt, ob es nicht vielleicht eine Möglichkeit gibt, dass Du Aktionär werden kannst, vielleicht als Statthalter und Du und ein möglicher Co-Investor/Partner von dem steuerfreien Kapitalgewinn profitieren könnt.»
Was ist ein «Statthalter»?
Die Frage ist nun: Meinte Wüst mit dem Wort «Statthalter», dass Stocker die geplante Investnet-Beteiligung als Vertreter für Pierin Vincenz bekommen sollte? Das ist die Lesart der Anklage.
Falsch, meint die Verteidigung: Der Begriff «Statthalter» beziehe sich auf die Rolle von Stocker, dieser solle Investnet-Aktien für eine gewisse Zeit als Statthalter für Raiffeisen halten. Hier wiederum entgegneten gestern die Anwälte von Raiffeisen: Die Bank wusste nichts von Stockers Beteiligung, wie konnte er da als Statthalter im Aktionärskreis von Investnet fungieren? Wüst selbst hat bei seinen Vernehmungen nicht klar gesagt, wen er mit «Statthalter» meinte.
Die Staatsanwaltschaft betonte mehrfach, über «erdrückende Beweise» für eine Beteiligung von Vincenz an Investnet zu verfügen. Am Ende ist es eine Kette von Indizien. Dem kann das Gericht folgen. Muss es aber nicht.
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