Traum vom Ruder-GoldAuf dem Wasser brennt das olympische Feuer
Auch nach dem Rücktritt ihrer Vorzeige-Athletin bleiben die Schweizer Ruderinnen ambitioniert. Nun hat der Verband ein regelrechtes Prestigeprojekt lanciert.
Sie seien eher noch stärker geworden, beantwortet Salome Ulrich die Frage zu den Fortschritten über den Winter: «Wir können jetzt über die Mitte des Rennens noch etwas konstanter fahren und haben mehr Rennerfahrung.» Fabienne Schweizer ergänzt: «Auch die Endschnelligkeit ist eine unserer Stärken.» Lisa Lötscher setzt einen drauf: «Jetzt müssen sich alle festhalten, wenn wir zum Schlussspurt ansetzen.» Sofia Meakin schliesslich fasst es so zusammen: «Wir freuen uns enorm darauf, bald gemeinsam an der Startlinie zu stehen.» Die vier jungen Frauen haben sich am Verbandssitz in Sarnen zum gemeinsamen Gespräch eingefunden.
Im letzten Jahr hatte sich der Doppelvierer aus dem Nichts ins Rampenlicht gerudert. Platz 5 beim Weltcup in Belgrad machte den Anfang, drei Wochen später setzte das Team mit Rang 2 in Posen das erste Ausrufezeichen, danach folgten mit Platz 4 und 5 an EM respektive WM weitere Glanzresultate.
«Wir sind wie Schwestern»
2022 hatte der Doppelvierer noch ein anderes Gesicht gehabt. Lötscher und Ulrich waren immer dabei gewesen, dazu kamen Pascale Walker und mehrheitlich Célia Dupré. Letztere studiert nun an der Stanford University und wird erst im Juni zurückkommen, das damalige «Team-Mami» Walker testet mindestens in der ersten Saisonphase ihre Leistungsfähigkeit im Skiff.
Die Hierarchien haben sich durch die neue Konstellation etwas verändert. Ulrich sieht darin Positives: «Wir können uns nun als Youngsters beweisen. Es gibt für jede Person eine Chance, eine etwas andere Rolle einzunehmen.» Die Integration der Neuen hat bestens geklappt, wobei dies auch nicht anders zu erwarten war. Lötscher, Ulrich und Schweizer kennen sich seit gemeinsamen Jugendtagen im Seeclub Luzern, und Lötscher und Meakin ruderten schon 2015 an der Coupe de la Jeunesse im selben Boot. Für Schweizer ist klar, weshalb das Team so schnell zur Einheit zusammengefunden hat: «Die Kommunikation ist sehr wichtig, bei uns teilen alle ihre Gefühle. Wenn sich jemand nicht wohlfühlt oder eine andere Meinung hat, können wir darüber reden.» Meakin sagt: «Wir sind mehr als Teamkolleginnen, wir sind wie Schwestern.»
Projekt «Succès» – der Name ist Programm
Hätte vor einigen Jahren jemand von einem Schweizer Frauen-Grossboot gesprochen, wäre er unweigerlich als Fantast bezeichnet worden. Lange galt die vor kurzem zurückgetretene Jeannine Gmelin als alleiniges Synonym für das Schweizer Frauenrudern in den offenen Gewichtsklassen. Zuletzt stiessen dank ausgezeichneter Arbeit bei Swiss Rowing immer mehr Talente nach, den vorläufigen Höhepunkt bildete U-23-WM-Gold von Lötscher, Ulrich, Nina Wettstein und Dupré 2021. Auch Schweizer, Meakin und Walker hatten auf U-23- oder Juniorinnen-Stufe schon WM-Medaillen gewonnen, der Pool ist damit gross wie nie.
Entstanden ist das Projekt «Succès», dem diese sieben Athletinnen angehören und das mittels intensivierter Förderung zum Ziel hat, dass möglichst viele dieser Athletinnen in Paris an der Startlinie stehen werden. Es fehlte noch ein Sponsor, der dank der Vermittlung von Sabine Horvath, Vizepräsidentin des Verbands, bald gefunden wurde. Dominique de Meuron, eine leidenschaftliche Ruderin, und ihr Ehemann, Stararchitekt Pierre, entschlossen sich, das Projekt privat grosszügig zu unterstützen. Dazu kommt ein wichtiger finanzieller Support von der Schweizer Sporthilfe.
«Wir geniessen den Erfolg, und wir haben beim Erfolg die schönsten Emotionen.»
Der Name «Succès», er könnte auch einen gewissen Druck erzeugen. Das sei aber überhaupt nicht so, sagt Ulrich, vielmehr spricht sie von einer Extramotivation: «Wir lieben den Erfolg, und das Streben nach Erfolg macht einen grossen Teil unseres Antriebs aus. Wir geniessen den Erfolg, und wir haben beim Erfolg die schönsten Emotionen.»
Am ersten Mai-Wochenende wird in Zagreb in die kurze Weltcup-Saison gestartet, drei Wochen später finden in Bled (SLO) die Europameisterschaften statt. Der klar wichtigste Anlass der Saison folgt aber erst Anfang September, wenn in Belgrad an der WM der Grossteil der Olympiatickets vergeben wird. Natürlich richten sich die Gedanken jetzt schon auf das Kräftemessen in Serbien. «Das Ziel ist es, so viele Boote wie möglich nach Paris zu bringen», gibt Meakin die Zielsetzung heraus.
Es ist nur eine Zwischenzielsetzung, das Quartett fühlt sich auch 2024 dem Projektnamen verpflichtet. «Wir sind Feuer und Flamme für Olympiagold», sagt Lötscher, und nun schaut sie ernst. Dass sie es auch so meint, zeigt ein Blick auf ihre Halskette mit den olympischen Ringen. In Gold.
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