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Wahlfach Videospiele und E-Sport
Im Berner Oberland ist Gamen jetzt ein Wahlfach in der Schule

Schülerinnen und Schüler schauen sich in einem Video an, wie professionelle E-Sportler in Südkorea trainieren.
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Videospiele gehören bei vielen Schülerinnen und Schülern heute zum Alltag. Das zeigt gemäss einer James-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften nicht nur die Mediennutzung von Jugendlichen in der Schweiz. Daran lässt auch die Klasse an der Volksschule Lenk keine Zweifel, die an diesem frühlingshaften Dienstagnachmittag das Wahlfach «Games und E-Sport» besucht.

«Wir spielen alle regelmässig Videospiele, seien es Actiongames oder Rollenspiele in einer offenen Welt», tönt es einhellig von den sieben Buben und dem einen Mädchen im Alter von 12 bis 13 Jahren, die am Unterricht teilnehmen.

Klassenlehrerin Larissa Etter hat es also mit einem fachkundigen Publikum zu tun. In der anstehenden Doppellektion wird sie die gesellschaftliche Bedeutung von E-Sport in der Schweiz durchnehmen und mit ihren Schülern die Frage diskutieren, ob sich hierzulande mit wettkampfmässigem Videospielen ein Lebensunterhalt verdienen liesse.

In Südkorea sind E-Sportler Superstars

Dazu recherchiert die Klasse im Internet die Ausgangslage in Südkorea und stellt Vergleiche mit der Schweiz an. In Südkorea sind professionelle E-Sportler Superstars und können pro Turnier Preisgelder in Dollar im sechsstelligen Bereich abräumen. Die Wettbewerbe werden überdies im Fernsehen übertragen, was zur Popularität beiträgt.

Als Quellen dienen Videointerviews mit E-Sportlern aus der Schweiz und ein Fernsehbeitrag des ZDF-«Auslandsjournals» über das strenge Training von südkoreanischen Profimannschaften. Die Meinung in der Klasse ist rasch gemacht: In der Schweiz herrsche ein traditionelles Berufsbild vor, da könne sich der Job als Profigamer kaum durchsetzen. Und vor allem «alte Leute» seien wenig offen für Neues wie E-Sport.

Lehrerin Larissa Etter (links) unterstützt ihre Schülerinnen und Schüler bei einer Internetrecherche zu E-Sport.

Auf das neue Wahlfach zu Videospielen und E-Sport ist Etter per Zufall gestossen. Bei einer Informationsveranstaltung zum Thema Chatten, Liken, Posten sei das Angebot erwähnt worden. «Das hat meine Neugierde geweckt, und ich wollte es ausprobieren», sagt die Lehrerin.

Aussergewöhnlich am Unterrichtsstoff ist, dass er nicht Teil eines staatlichen Lehrmittels ist. Aufbereitet hat das Material die Swisscom. Der grösste Telecomanbieter des Landes stellt das digitale Lehrmittel mit 8 Modulen und bis zu 27 Lektionen kostenlos zur Verfügung.

Darin geht es nicht nur um E-Sport, es wird ebenfalls Wissen über die verschiedenen Spielgenres und über die Geschichte der Spielkonsolen vermittelt. Aber auch Gefahren, Gewaltdarstellungen sowie die Sicht der Eltern kommen zur Sprache.

Bislang haben sich gemäss der Swisscom 180 Personen für das Lehrmittel registriert; 120 nutzen es aktiv. Die Eltern müssen einverstanden sein, dass ihre Kinder das Wahlfach besuchen.

Völlig uneigennützig ist das Angebot nicht. Um Videogames ruckelfrei übers Internet im Mehrspielermodus spielen zu können, braucht es schnelle Leitungen. Genau solche bietet der staatsnahe Betrieb an. Weiter hat die Swisscom eine eigene Schweizer Liga für E-Sport ins Leben gerufen, die «Hero League».

Der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer LCH hat grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass öffentliche Schulen mit privatwirtschaftlich organisierten Firmen zusammenarbeiten. Solche Kooperationen seien wichtig, erklärt Beat A. Schwendimann, Leiter Pädagogische Arbeitsstelle beim Berufsverband.

«Schule nicht für Werbung missbrauchen»

Doch sagt Schwendimann auch: «Die Schule und der Unterricht dürfen nicht für Werbezwecke missbraucht werden.» Er verweist auf die Charta «Bildungssponsoring», die sowohl der Lehrerverband wie die Swisscom unterschrieben haben. Diese besagt, dass «direkte Produktwerbung» mit der «öffentlichen Bildung nicht zu vereinbaren» sei.

Da sticht ins Auge, dass die Schweizer E-Sportler im gezeigten Unterrichtsvideo die Logos von Swisscom und Postfinance am Kragen tragen. Die Bankentochter der Post engagierte sich von 2019 bis 2021 ebenfalls im E-Sport. Der Telecombetreiber teilt mit, dass die befragten E-Sportler die Swisscom «zu keinem Zeitpunkt inhaltlich» thematisierten und sich «sehr differenziert» zum Thema Videospiele äusserten.

Und wie beurteilen Experten und Schüler die Qualität des Wahlfachs? Die Module gingen sowohl auf positive Aspekte sowie negative Seiten von Videospielen ein, schickt Schwendimann vom Berufsverband der Lehrer voraus. Dies entspreche dem Ziel im Lehrplan 21, einen kritischen und überlegten Umgang mit Medien zu pflegen.

«Es ist jedoch unklar, ob und wie die bestehenden Module evaluiert und weiterentwickelt werden», sagt der promovierte Erziehungswissenschaftler. «Es wäre zielführend, gemeinsam mit Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern und Fachpersonen die Module auszuwerten und auf Erreichung der Lernziele zu überprüfen.»

Lehrerin Larissa Etter fügt hinzu: «Der Unterrichtsinhalt ist in ähnlich wiederholender Form aufgebaut. Hier wünschte ich mir noch mehr Abwechslung aus didaktischer Sicht.»

Konkrete Ideen, wie die Swisscom den Unterrichtsstoff weiterentwickeln könnte, gibt es ebenfalls in ihrer Schulklasse. Mehr Praxis für den Gameralltag, lautet der Wunsch. «Ich wünschte mir, dass im Unterricht mehr Videospiele analysiert würden», sagt Valentin. «Beispielsweise hätten wir uns spezielle Kniffe anschauen können, mit denen man in einem bestimmten Game zum Ziel kommt.»