Illegale MigrationWas Deutschlands Grenzkontrollen für die Schweiz bedeuten
Berlin meldet in Brüssel stationäre Massnahmen an seinen Grenzübergängen. Können künftig die Deutschen Asylbewerber an der Schweizer Grenze einfach zurückschicken?

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wartete offenbar noch die polnischen Parlamentswahlen ab, bevor sie den Schritt am Montag öffentlich machte: Wegen der starken Zuwanderung beantragt Deutschland bei der Europäischen Union, an seinen Grenzen zur Schweiz, zu Tschechien und zu Polen wieder stationäre Grenzkontrollen einrichten zu dürfen.
Faeser wies darauf hin, dass auch künftig nicht jedes Fahrzeug angehalten werde. Die Bundespolizei könne nun aber «flexibel das gesamte Bündel an stationären und mobilen grenzpolizeilichen Massnahmen einsetzen». Die Kontrollen sollten sich so wenig wie möglich auf den Alltag von Pendlern, auf den Handel und auf den Reiseverkehr auswirken.
Erst mal nur «präventiv» gedacht?
Laut Informationen der «Welt» ist die Anmeldung zunächst «präventiv» gedacht: für den Fall, dass Länder vermehrt Migranten nach Deutschland durchwinken. Nach der Anmeldung würden nicht sofort stationäre Kontrollen eingerichtet werden, hiess es, die Massnahme würde aber vorbereitet für den Fall, dass man sie bräuchte.
Derzeit gibt es im deutschen Grenzraum zur Schweiz die sogenannte Schleierfahndung, um etwa Schlepper aufzuspüren, dazu gemischte schweizerisch-deutsche Patrouillen auf Schweizer Boden, die Migrantinnen und Migranten ansprechen und darauf hinweisen, dass sie nicht nach Deutschland einreisen dürften. Die wenigsten halten sich allerdings daran.
Zahlen an der Grenze zu Polen sind viel höher
Zuletzt sind die von der deutschen Bundespolizei registrierten «unerlaubten Einreisen» nach Deutschland stark gestiegen: von 8000 im Juli über 12’000 im August auf 18’000 im September. Die meisten irregulären Zutritte wurden im vergangenen Monat an der Grenze zu Polen verzeichnet (7075), danach kamen Österreich (4518), Tschechien (4518) und die Schweiz (1799).
An der Grenze zu Österreich betreibt Deutschland bereits seit 2015 stationäre Kontrollen, allerdings lediglich an einigen Autobahnübergängen. Die bei der EU angemeldete befristete Massnahme wurde seither alle sechs Monate verlängert – bis heute. Die Opposition von CDU/CSU und AfD fordert seit Monaten, diese Kontrollen auf die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz auszuweiten.
Ein Schritt im Rahmen der «Asylwende»
Bisher sträubten sich Kanzler Olaf Scholz und Innenministerin Faeser gegen diesen Schritt und lobten stattdessen lieber die schweizerisch-deutschen Patrouillen als vorbildhaft auch für andere Grenzregionen. Schleierfahndungen seien sowieso effizienter als stationäre Kontrollen, hiess es. Die schweren Verluste der Regierungsparteien bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben die Regierung jetzt aber zu einem Kurswechsel veranlasst.
Wie die geplante Massnahme an der Schweizer Grenze tatsächlich umgesetzt wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Auf beiden Seiten fürchtet man negative Auswirkungen auf den intensiven Pendlerverkehr zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz. Rigide stationäre Kontrollen, wie es sie beispielsweise während der Corona-Pandemie gab, hätten zeitraubende und teure Staus zur Folge. Polizei und Politik weisen darauf hin, dass moderne Grenzkontrollen sehr flexibel sein könnten – jedenfalls werde nicht einfach der Schlagbaum runtergehen wie zu früheren Zeiten.
Was stationäre Kontrollen können und was nicht
Fachleute, Politikerinnen und Polizisten sind sich alles andere als einig, welche Kontrollen Flüchtende eher daran hindern, illegal von einem Land zum anderen weiterzureisen. Faeser nannte stationäre Kontrollen noch vor wenigen Wochen «Scheinlösungen», jetzt kündigt sie diese bei der EU selbst an.
Auch bei stationären Kontrollen können Flüchtende nicht ohne weiteres zurückgewiesen werden. Wer an der Grenze um Asyl in Deutschland ersucht und dies zuvor nicht nachweislich bereits in einem anderen Land des Schengen-Raums getan hat, kann von der deutschen Polizei nicht abgewiesen werden. Und wer einmal zurückgewiesen wurde, wird meist anderswo an der Grenze sein Glück erneut versuchen.
Frankreich als Vorbild für Deutschland?
Stationäre Grenzkontrollen sind im Innern der EU nur als befristete Ausnahmen erlaubt, sofern die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit eines Landes bedroht sind. Nicht nur Deutschland, auch Dänemark und eine Reihe anderer Staaten haben in den letzten Jahren solche Ausnahmen bei der EU offiziell beansprucht.
Frankreich etwa hat im letzten Jahr mit Hinweis auf Terrorrisiken und irreguläre Migration Kontrollen an all seinen Grenzen notifiziert, auch an der Grenze zur Schweiz. Tatsächlich wird aber nicht rund um die Uhr kontrolliert, sondern punktuell, wenn es die Lage erfordert. So ähnlich stellt sich Deutschland offenbar auch sein künftiges Vorgehen an der Grenze zur Schweiz, zu Tschechien und Polen vor.
Um die Kritik der Opposition zu besänftigen, hatte Faeser Ende September bereits die Schleierfahndungen an der deutschen Ostgrenze intensiviert. Vermehrt sollte es dort auch binationale Patrouillen auf polnischem und tschechischem Boden geben – wie seit längerem schon in der Schweiz.
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