Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Trauerfeier für George Floyd
«I can't breathe» auf den Hemden, Biden wendet sich an Angehörige

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Der Sarg glänzt golden vor der Bühne der Kirche «The Fountain of Praise» in Houston. In ihm liegt der Mann, dessen Namen etliche Amerikaner in den vergangenen zwei Wochen bei den Massenprotesten gegen Rassismus und Polizeigewalt gerufen haben. George Floyds Tod hat die USA im Mark erschüttert wie kaum ein Todesfall der vergangenen Jahrzehnte. In Houston in Texas wuchs der Afroamerikaner auf, dort nahmen nun Tausende von ihm Abschied.

Grosse Bilder auf der Bühne zeigen ihn mit angedeuteten Engelsflügeln und Heiligenschein. Auch auf zahlreichen Corona-Schutzmasken und Anstecknadeln prangt das Konterfei des «sanften Riesen» von fast zwei Metern. Viele sind ganz in Weiss gekleidet, andere in Schwarz. Einige tragen Corona-Schutzmasken, auf denen «I Can't Breathe» steht – Ich kann nicht atmen, die letzten Worte George Floyds, längst auch eine Zustandsbeschreibung der systematisch benachteiligten amerikanischen Minderheiten.

Die Zeremonie der Familie mit geladenen Gästen in der Kirche «The Fountain of Praise» in Houston im Bundesstaat Texas.

Die Stimmung ist feierlich und kämpferisch, ganz im Geiste der «Black Lives Matter»-Bewegung. Ein Höhepunkt ist die kurze Ansprache von George Floyds Nichte Brooke Williams: «Keine Hassverbrechen mehr, bitte», sagt sie ins Mikrofon. Und weiter: «Jemand hat gesagt: Make America Great Again. Aber wann war Amerika jemals grossartig?» – eine Anspielung auf Präsident Donald Trumps zentralen Wahlkampfslogan 2016. Applaus brandet auf in der Kirche.

Joe Biden, der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, wendet sich in einer vorbereiteten, mit Klaviermusik unterlegten Videobotschaft an die Trauernden. Vor allem aber an Floyds sechsjährige Tochter Gianna. «Du bist so mutig, Dein Papa schaut runter und er ist so stolz auf dich. Ich weiss, dass du diese dicke Umarmung vermisst, die nur er geben konnte.» Wieder Applaus. Biden ruft zur Überwindung des Rassismus auf, zu dem auch Floyds Tod beitragen werde. «Wir können die Wunden dieser Nation heilen.»

«Jemand hat gesagt: Make America Great Again. Aber wann war Amerika jemals grossartig?» Joe Biden spricht per Videobotschaft zur Trauergemeinde.

Biden war am Tag zuvor nach Houston gereist und traf die Familie Floyds. «Ich denke, was hier passiert ist, ist einer dieser grossen Wendepunkte in der amerikanischen Geschichte, was bürgerliche Freiheiten, Bürgerrechte und die gerechte Behandlung von Menschen mit Würde betrifft», sagte er später dem TV-Sender CBS. Der 77-Jährige würde gerne der politische Anführer dieser Bewegung werden, der Heiler einer gespaltenen Nation. In der Gruppe der Afroamerikaner sieht er seinen stärksten Rückhalt für die Wahl im November.

Präsident Donald Trump versucht dagegen, sich den Amerikanern als «Präsident für Recht und Ordnung» zu präsentieren. Das waren seine Worte am Montag vergangener Woche, als seine Regierung gewaltsam Demonstranten von einem Platz vor dem Weissen Haus vertreiben liess. Die landesweite Debatte über Polizeigewalt und Rassismus versucht er für seine Zwecke zu nutzen und wirft den «radikalen linken Demokraten» vor, diese wollten den Sicherheitsbehörden die Finanzen entziehen und die Polizei «abschaffen».

Die Trauerfeier fand im Kreis der Familie statt.

Tatsächlich finden Forderungen nach einem «Defunding» der Polizei und einer Umwidmung der Gelder für soziale Projekte zunehmend Widerhall bei den landesweiten Protesten. Unter anderem die grossen Polizeien in Los Angeles und New York können sich nach Ankündigung der örtlichen Bürgermeister auf Einschnitte einstellen. Doch weder Biden noch die Demokraten im Kongress wollen die Polizei die Mittel entziehen oder diese sogar auflösen. Sie verlangen Reformen gegen Polizeigewalt.

Diese Gewalt trifft überproportional häufig Schwarze, wie aus Zahlen der «Washington Post» hervorgeht. Das ist nicht der einzige Beleg dafür, dass die USA systematischen Rassismus noch lange nicht überwunden haben. Schwarze werden Studien zufolge häufiger von der Polizei kontrolliert und werden bei gleichen Straftaten zu höheren Haftstrafen als Weisse verurteilt. Schwarze stellen mehr als ein Drittel aller Häftlinge in US-Gefängnissen, obwohl sie nur 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Nicht nur im Bereich der Justiz sind Afroamerikaner benachteiligt gegenüber Weissen: Das gilt beispielsweise auch auf dem Arbeitsmarkt und beim Einkommen.

Die Stimmung ist feierlich und kämpferisch, ganz im Geiste der «Black Lives Matter»-Bewegung.

Die Wut über diese Verhältnisse bricht sich nun auf der Strasse Bahn. Immer mehr Kritiker werfen Trump vor, das Land inmitten der Proteste zu spalten – darunter auch Trumps Ex-Verteidigungsminister James Mattis und sein früherer Stabschef John Kelly. Auch viele Bürger folgen dem Kurs des Staatsoberhauptes neuen Umfragen zufolge nicht. Seine Zustimmung sinkt, das Verständnis für friedliche Proteste ist demnach hoch.

Trump dürfte es am liebsten sein, wenn die Demonstrationen nach Floyds Beisetzung schnell wieder abebben und der Druck auf ihn wieder nachlässt. Die Demokraten wollen genau das verhindern – sie hoffen für ihre Reformen und strukturellen Änderungen auf die Unterstützung von der Strasse.

Die letzten Meter bis zum Grab legte der Sarg in einer Pferdekutsche zurück.

Am Donnerstag will der Präsident selbst nach Texas reisen – aber nicht, um Floyds Familie persönlich seine Anteilnahme auszudrücken. In Dallas will er ein Essen veranstalten, um Spenden für seine Wiederwahl im November einzusammeln. Laut «Dallas Morning News» kostet die Teilnahme pro Paar mehr als eine halbe Million Franken. Am Tag der Trauerfeier in Houston machte Trump indessen Schlagzeilen mit einer Verschwörungstheorie, dass ein 75-Jähriger, der von der Polizei bei einer Demonstration geschubst und verletzt wurde, ein linker Provokateur sein könnte.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

red/sda/reuters