Vorurteile beim RecruitingHR-Leute diskriminieren Ausländer vor allem kurz vor Feierabend
Lässt die Konzentration bei der Arbeit nach, lassen sich die Rekrutierenden in Firmen stärker von Stereotypen gegenüber Minderheiten leiten. Das zeigt eine neue Studie der ETH Zürich.
Frauen und ausländische Stellenbewerbende werden auf dem Arbeitsmarkt systematisch und regelmässig gegenüber Schweizer Kandidaten benachteiligt – vor allem wenn ihr Name fremd klingt – trotz vergleichbarer Ausbildung, fachlicher Kompetenz und Erfahrung. Eine aktuelle Studie der ETH Zürich, die in der renommierten Fachzeitschrift «Nature» veröffentlicht wurde, wirft ein neues Licht auf die Problematik.
Was dabei ins Auge springt: Je nach Tageszeit kommen die Vorurteile der Rekrutierenden gegenüber Minderheiten mehr oder weniger stark zum Tragen. Am Morgen nach Arbeitsbeginn und nach Wiederbeginn am Nachmittag, wenn die Rekrutierenden frischer und konzentrierter sind, treffen sie weniger diskriminierende Entscheidungen als vor der Mittagspause und am späteren Nachmittag.
Durchsicht in ein paar Sekunden
Die Forscher erklären dieses Verhalten damit, dass tief verankerte Vorstellungen und Voreingenommenheiten gegenüber Minderheiten zur Diskriminierung beitragen. Solch unbewusste Stereotype treten im Fall der Rekrutierenden dann besonders zutage, wenn sie müde sind und das Arbeitsende herbeisehnen. Wie konnten die Forscher dies feststellen? An der gemessenen Zeit, welche die Rekrutierenden zur Durchsicht der Lebensläufe von Stellensuchenden auf der Schweizer Stellenplattform Job-Room verwendeten.
Zwischen 9 und 10 Uhr morgens betrug die gemessene Zeit durchschnittlich 10,5 Sekunden; zwischen 11 und 12 Uhr aber nur noch 9,7 Sekunden. Ähnlich verhält es sich am Nachmittag: Von durchschnittlich 10,8 Sekunden gleich nach der Mittagspause sinkt die verwendete Zeit pro Bewerbung auf 10,1 Sekunden zwischen 16 und 17 Uhr und weiter auf 9,5 Sekunden zwischen 17 und 18 Uhr.
Online-Portale trifft keine Schuld
Parallel zu diesem Zeitmuster im Tagesablauf schwankt auch die Ausprägung der Diskriminierung zwischen inländischen Stellenbewerbern und solchen mit süd- oder osteuropäischer Herkunft. Wie die ETH-Forscher ermittelt haben, steigt die Benachteiligung dieser ausländischen Minderheiten im Tagesablauf um rund 20 Prozent, wenn sich die Rekrutierenden weniger Zeit nehmen, um die Lebensläufe der Kandidaten zu sichten.
Da Online-Plattformen für Stellensuchende und Rekrutierende immer wichtiger werden, stellt sich die Frage, ob diese Verlagerung in den virtuellen Raum die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt noch verstärkt. Die ETH-Forscher verneinen: Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass auf solchen Plattformen stärker diskriminiert werde als in anderweitigen Rekrutierungsprozessen. Online-Plattformen bieten indes hinreichend Datenmaterial, um solche Benachteiligungen detailliert zu untersuchen.
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