Tamedia-Umfrageresultate zu Homeoffice«So tun, als müsste man arbeiten» – wie unsere Leserschaft das Homeoffice bewertet
Unter unseren Leserinnen und Lesern tut sich ein Graben auf: Fans der neuen Arbeitsmodelle schätzen die Freiheiten, Gegner vermuten Faulheit. Doch es gibt noch andere Argumente.
Herrscht tatsächlich ein «hässlicher Krieg» zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, wie jüngst behauptet wurde? Jedenfalls war in der Pandemie zu erleben, dass eine Dauerpräsenz im Büro für die Produktivität nicht unbedingt nötig ist – und trotzdem mahnen international und auch hierzulande manche Firmen wie Novartis die partielle oder auch komplette Rückkehr ins Büro an. Gegen teils heftigen Widerstand ihrer Angestellten.
Wir haben Sie gefragt: Wo arbeiten Sie im Zeitalter von New Work? Viele Antworten sind eingegangen, wofür wir uns herzlich bedanken. Rund 60 Prozent der Zuschriften befürworten mit Nachdruck das volle oder zumindest teilweise ein Homeoffice, also einen hybriden Arbeitsplatz – und zwar geschlechtsunabhängig. Die restlichen 40 Prozent der Schreibenden sehen das Homeoffice eher skeptisch oder lehnen es gar komplett ab.
Bloss kein Homeoffice!
Alexander T.* (29), Jurist (100%)
Arbeitssituation: 4 Tage Büro, 1 Tag Homeoffice
Bewertung: Sind wir mal ehrlich: Homeoffice wird von mir und von meinem Umfeld hauptsächlich fürs Wäschemachen und andere Hausarbeiten ausgenutzt. Die Produktivität ist dementsprechend auch auf diesem Niveau. Man könnte also wirklich die 4-Tage-Woche einführen. Dann müsste man einen Tag nicht noch so tun, als würde man arbeiten.
Sara I.* (41), Kommunikations- und Marketingfachfrau (70%)
Arbeitssituation: Einzelne Tage hatte ich schon vor der Pandemie von zu Hause aus gearbeitet. Seit drei Wochen arbeite ich nun wieder vorwiegend vor Ort und hatte noch kein einziges Teams-Meeting.
Bewertung: Während und nach der Pandemie arbeitete ich, wie fast alle, nur noch im Homeoffice und fand es anfangs auch sehr angenehm. Den ganzen Paratmachi-Zirkus inklusive Bereitmachen der Kids, alle gleichzeitig aus dem Haus zu hetzen – das hatte mir nicht gefehlt. Ich arbeitete öfters im Pischi. Sobald sich ein überraschender Videocall anbahnte, war ich blitzschnell mit «Notfall-BH-Anziehen».
Als man wieder ins Büro gehen konnte, bevorzugten in unserem 10-köpfigen Team praktisch alle das Daheimarbeiten. So blieben wir zu Hause. Ich sah wenig Sinn darin, allein an einem mittlerweile Random-Pult (unsere persönlichen Arbeitsplätze wurden aufgehoben) in einem verlassenen Büro zu sitzen. Ich merkte aber immer mehr, wie mir die Einsamkeit zu schaffen machte und mir die persönlichen Begegnungen fehlten. Und all die Gespräche zwischen Tür und Angel sind ja nicht nur fürs Gemüt, sondern manchmal auch für die Arbeit nützlich.
Ich war erstaunt, dass wenige in unserem Team das Bedürfnis teilten, wieder an den «richtigen» Arbeitsplatz zurückzukommen. Vor einigen Monaten habe ich dann zu einem grossen Teil auch aus dem Grund gekündigt, dass mir der persönliche Kontakt zu sehr gefehlt hat. Ich hatte eine Art Homeoffice-Depression entwickelt.
David M.* (61), Leitung Biotechnologiefirma (100%)
Arbeitssituation: Wir produzieren, erfinden, kontrollieren, handeln, aber ich sage meinen Leuten immer: In erster Linie sind wir eine Kommunikationsfirma. Denn was immer wir tun, die Interaktion untereinander, mit unseren Partnern, Investoren, Kunden, ist viel wichtiger als das Kleinzeug, das wir mit den Händen machen.
Bewertung: Die Interaktion zwischen den Mitarbeitenden ist in Abwesenheit tot; insbesondere schliesst das auch die negativen Erfahrungen und Emotionen ein, die im Leben nötig sind. Ich halte die Sache mit der Kontrolle der Mitarbeitenden in der Präsenzzeit für marginal: Wollen Google oder Novartis wissen, ob man unproduktiv ist, kriegen die das einfacher hin.
Aber die Unersetzlichkeit der innovativen Kraft von Sozialkontakten? Da bin ich total einverstanden. Es stimmt zwar, dass es gewisse Aufgaben gibt, bei denen man produktiver ist, wenn man mehrere Stunden ungestört dranbleiben kann. Und haben Sie einen sozialen Defekt, lasse ich das als Argument gelten – mit qualifizierter Diagnose. Aber zwischen den Leuten geschieht Magie, gerade weil es Konflikte, Unvorhergesehenes gibt oder Emotionen.
Zudem werden Chat-GPT und Bots in allernächster Zukunft so effektiv werden, dass ich, was immer Sie allein zu Hause tun, schneller und billiger mit einem Gerät tun kann, das auch noch weniger CO₂ erzeugt – und Sie werden ersetzt. Magie kriege ich aber von Chat-GPT nicht.
Julius M.*, 43, angestellt bei einem Versicherungsbroker (60%)
Arbeitssituation: In der Firma gibt es zwei obligatorische Bürotage pro Woche, die der Dynamik im Team sehr guttun. Ich gehe aber auch an meinem dritten Tag. Bin ich da, arbeite ich ohne Ablenkung, nach meinem Empfinden effizient und stehe ganz im Dienste des Arbeitgebers. Aber wenn ich abends die Tür hinter mir schliesse, schalte ich mein Geschäftstelefon aus und bin wieder eine Privatperson. Dafür, dass die Firma Miete zahlt, damit ich einen Büroplatz zur Verfügung habe, bin ich sehr dankbar.
Bewertung: Als Quiet Quitter würde ich mich nun nicht gerade bezeichnen, aber die frühere volle Selbstständigkeit hat mich eins gelehrt: Wenn es kaum mehr Grenzen zwischen Beruf und Privat- bzw. Familienleben gibt, kann das auf Dauer sehr schwierig werden, auch gesundheitlich. Darum versuche ich inzwischen, strikt zu trennen.
Ueli W*., seit kurzem pensioniert, davor IT-Spezialist in Kaderfunktion
Arbeitssituation: Ich habe Homeoffice (ab und zu) auch gemacht. Viele Arbeiten lassen sich aber im Büro besser erledigen, vor allem wenn andere Leute in die Arbeit involviert sind.
Bewertung: Die Kommunikationswege sind schneller und kürzer, Entscheidungen schneller gefällt. Ich kenne Homeoffice-Benützer, die wirklich die volle Leistung auch von zu Hause aus vollbringen, sich strikte nicht von der Ehefrau oder den Kindern während der Arbeitszeit stören lassen. Vaters Büro ist in dieser Zeit für die Familie tabu.
Leider kenne ich auch andere Homeoffice-Benützer, die einfach nicht für diese Arbeitsweise geeignet sind. Sie erledigen während der Arbeitszeit viele private Sachen und Sächeli, «vergessen» Videokonferenzen, Telefonbedienung, sind einfach nicht erreichbar. Da sind allerdings die Vorgesetzten gefragt. Ich bin Homeoffice gegenüber skeptisch eingestellt, bin jedenfalls – zum Wohle der Firmen und Verwaltungen – gegen zu viel Homeoffice.
Am liebsten Hybrid!
Anja P. (33), Direktionsassistentin im Verband der Beherbergungsbranche (60%)
Arbeitssituation: Zwei ganze Tage im Büro und zwei halbe Tage im Homeoffice.
Bewertung: Die halben Tage im Homeoffice helfen mir durch den Wegfall des Arbeitsweges enorm, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Die beiden Tage im Büro schätze ich für den Austausch. Häufig entstehen so die besten Ideen. Die halben Tage im Homeoffice helfen mir, «ungestört» Dinge abzuarbeiten. Mehr als 50 Prozent im Homeoffice wäre mir zu langweilig – mir ist der Kontakt mit anderen wichtig.
Antonio C. (53), Marketing & Communication Manager (80%)
Arbeitssituation: Grundsätzlich finde ich ein Hybridmodell (50%) förderlich, wobei ich ehrlich gesagt auch mehr im Homeoffice arbeiten könnte. Ich bin alt genug, um mir meiner Verantwortung bewusst zu sein. Beim jetzigen Arbeitgeber habe ich ein 50%-Modell und schätze es sehr. All die, die mehr ins Büro gehen wollen, sollen das.
Bewertung: Wir wollen die Umwelt schonen und vor allem weniger Autoverkehr haben, aber gleichzeitig sollen alle wieder zur Arbeit fahren. Beim alten Arbeitgeber (Branche Softwareentwicklung) ergab eine Auswertung sogar, dass wir im Homeoffice produktiver waren. Folglich passten wir das Arbeitsmodell an. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass Präsenzzeit nicht per se produktiver ist: Es gibt so viele Sesselfurzer, die die Zeit absitzen!
Andreas S. (62), bei IT-Dienstleister – KMU (100%)
Arbeitssituation: 2 bis 3 Tage pro Woche Homeoffice.
Bewertung: Mein Arbeitsweg entfällt, der pro Weg 65 Minuten dauert. Die Work-Life-Balance ist dadurch deutlich besser, möchte das nicht mehr missen. Zu Corona-Zeiten arbeitete ich 100% zu Hause. Anfangs war ich der Meinung, dass sollte immer so sein. Ich musste dann aber ziemlich schnell feststellen, dass mir der persönliche Kontakt zu meinen Arbeitsgspäändli schon fehlt.
Doch meine Arbeitsleistung im Homeoffice ist sicher gleich gut wie im Büro. Betreffend Anwesenheit und Erreichbarkeit bin ich sogar viel flexibler, was ja auch dem Arbeitgeber zugutekommt.
Simon P.* (47), Pensum als Produktmanager im Bereich IT (100%)
Arbeitssituation: 1 Tag Büro pro Woche. Unser Team ist über den ganzen Erdball zerstreut, mit den lokalen Kollegen habe ich fachlich in der Regel wenig zu tun. Daher verbringe ich auch im Büro den Grossteil meines Tages in Telefonkonferenzen oder mit Einzelarbeit, den schnellen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen konnten wir nach meinem Empfinden sehr gut digitalisieren.
Bewertung: Da ich zu Hause nicht dem Lärm ausgesetzt bin, den die anderen Anwesenden am Telefon oder in Gesprächen verursachen, bin ich zu Hause deutlich effizienter und konzentrierter. Da wir uns auch gut an die technischen Hilfsmittel gewöhnt haben, leidet meines Ermessens auch die Kreativität nicht. Einen Nachteil gibt es: Man nimmt weniger Information «en passant» auf, es braucht etwas mehr Willen, sich in andere Themen einzubringen. Aber das liess sich bisher mit einem Tag Büro pro Woche auch gut lösen.
Thomas K.* (40), im Finanzsektor eines Grosskonzerns (100%)
Arbeitssituation: Ich arbeitete bereits vor Covid teilweise im Homeoffice und habe es aufgrund des langen Arbeitswegs sehr geschätzt. Covid hat gezeigt, dass es auch im grossen Stil möglich ist, und heute leben wir ein gutes Mittelmass. Die meisten Mitarbeiter sind 1 bis 3 Tage im Büro, das hilft, den persönlichen Kontakt zu pflegen und spontane Besprechungen abzuhalten.
Bewertung: Wir alle schätzen die Freiheit, Arzttermine und Handwerker flexibler vereinbaren zu können. Nicht zuletzt hat der Arbeitgeber es mit dem Sparen bei der Büroinfrastruktur nicht gerade attraktiv gemacht, sich im Büro wohlzufühlen: Die Grossraumbüros sind lärmig, steril und anonym, die Pflanzen und Abfallkübel wurden schon vor Jahren aus Kostengründen entfernt, einen festen Arbeitsplatz hat man sowieso nicht mehr. Und meist hat der Benutzer am Vortag sicher ein Gipfeli über der Tastatur gegessen.
Homeoffice bringt eine grosse Flexibilität auch für den Arbeitgeber: Bei spontanem grossem Arbeitsanfall können die Mitarbeiter von zu Hause aus flexibel auch ausserhalb der normalen Arbeitszeiten einspringen; ich kann schon mal bis 22 Uhr arbeiten, aber nur, wenn ich danach nicht noch 2 Stunden Zug fahren muss.
Und natürlich die Nachhaltigkeit: Wir haben jetzt gesehen, dass viele Pendelkilometer einfach unnötig sind. Sollte der Druck kommen, noch mehr ins Büro zu gehen, wird das von den Mitarbeitern sehr schlecht aufgenommen werden.
Christian G.* (63), Telekommunikationsbranche
Arbeitssituation: Ideale Homeoffice-Situation.
Bewertung: Der Wert von Büroarbeit besteht vor allem auch in den Zufallsbegegnungen, Spontandiskussionen, Sich-in-die-Augen-Schauen, zusammen Lunchen, dem Austausch am Kaffeeautomaten, das alles ist unersetzlich. Die richtige Mischung von Büro und Homeoffice macht es aus. Das Apple-Modell fand ich von Anfang an gut. Ich würde als Firma auch auf 3 Tagen im Büro bestehen.
Bitte immer Homeoffice!
Lukas G. (37), System-Engineer in einem international tätigen IT-Unternehmen (80%)
Arbeitssituation: Fast ausschliesslich Homeoffice, auch wenn mein Arbeitsweg zurzeit nur 15 Minuten mit dem Velo betragen würde.
Bewertung: Ich habe das Gefühl, dass ich daheim produktiver und konzentrierter bin. Die Entscheidung, nur noch im Homeoffice zu arbeiten, ist für mich gefallen, als ich nach Aufhebung des Lockdown einen Tag im Büro verbracht habe und mich am Ende des Tages gefragt habe, wie ich mit dem ganzen Lärm und den vielen Ablenkungen in einem Büro mit sechs anderen Mitarbeitenden jemals ungestört arbeiten konnte.
Ich bin froh, einen Arbeitgeber zu haben, der diese Flexibilität erlaubt, und bin vor allem froh, dass auch unsere Kunden gelernt haben, dass es nicht sinnvoll ist für ein einstündiges Sync-Meeting jede Woche von Bern nach Luzern zu pendeln.
Claudia S., Wissenschaftlerin an einer schweizerischen Forschungseinrichtung (100%)
Arbeitssituation: Ich arbeite seit vielen Jahren an der Forschungseinrichtung, und wir waren alle nie so erfolgreich und effizient wie während der Pandemie – dabei waren wir schon vorher vergleichsweise erfolgreich. Viele meiner neuen Kolleginnen und Kollegen habe ich per Zoom, Teams etc. eingestellt und mit ihnen teils mehrere Monate per Zoom zusammengearbeitet, bis ich sie das erste Mal getroffen habe.
Bewertung: Wir haben eine sehr gute Stimmung am Arbeitsplatz. Jedoch ist die grosse Mehrheit eindeutig der Meinung, dass ein Tag oder höchstens zwei Tage die Woche an persönlichen Kontakten am Arbeitsplatz definitiv genug sind, sonst leidet die Effizienz und auch die Work-Life-Balance, da die meisten sowieso viele Überstunden machen. Praktisch niemand kann die Entscheidung, wieder 60% am Arbeitsplatz sein zu müssen, nachvollziehen.
Ruth G.* (54), Notrufbearbeiterin (70%)
Arbeitssituation: Vor Corona wurde uns gesagt, dass Homeoffice absolut unmöglich sei aufgrund der Sicherheit: Wir arbeiten mit extrem sensiblen medizinischen Daten. Aber wegen Corona musste man eine Lösung finden. Unsere Firma hat keine Kosten und Mühen gescheut, uns mit dem Nötigen für zu Hause auszustatten. Jetzt aber sollen rund 50% des Pensums wieder im Büro absolviert werden.
Doch diese Anforderung sieht mein Chef flexibel, wofür ich sehr dankbar bin. Normalerweise bin ich ungefähr einen Tag rund alle zwei Wochen im Büro, wegen der sozialen Kontakte und wegen des kostenfreien Yoga.
Bewertung: Ich bin nicht weniger effizient im Homeoffice, im Gegenteil. Ich kann mich auch nicht vor der Arbeit drücken, da auch die anderen immer sehen, welche Anrufe ich abnehme. Umgekehrt ist das Arbeiten in einem Grossraumbüro am Telefon eher schwierig. Ich spreche über ein Notrufgerät mit meist älteren Leuten, und nicht selten haben diese ein Problem, uns zu verstehen. Dies erfordert, dass ich manchmal laut spreche und immer wieder dieselben Fragen stelle.
Wir sind bis zu sieben Mitarbeiter gleichzeitig, die manchmal alle in einem Anruf sind. Der Lärmpegel vor allem am frühen Nachmittag ist beträchtlich. Zwischen den Anrufen mit den Kunden wird untereinander auch ein Fall besprochen, was zwar sehr gut ist für ein abgeglichenes Abarbeiten, ich persönlich mag es jedoch nicht, weil häufig auch Unmut über gewisse Situationen zum Ausdruck gebracht wird. Ich denke, es ist schlecht für mein Karma, wenn ich höre, wie die anderen sich aufregen.
Ich war sehr froh darüber, in den letzten zwei Jahren viel Zeit zu Hause verbracht zu haben, da ich zudem eine schwierige Situation hatte mit einem pubertierenden Sohn, der viel Aufmerksamkeit verlangte. Wir haben einen vorbildlichen Arbeitgeber, grosszügig, auf unsere Gesundheit und unser Wohl bedacht.
Marco G. (50), Verkäufer im Aussendienst (80%)
Arbeitssituation: Schon seit circa 2010 arbeite ich im Homeoffice (damals war ich in der Pharmabranche). Früher waren das eher einzelne, verstreute Tage. In meiner jetzigen Position funktioniert Homeoffice noch besser als früher.
Bewertung: Ich spare mir den Weg ins Büro und abends nach Hause, stehe aber gleich früh auf. Das heisst, ich arbeite so schnell mal eine bis zwei Stunden länger an Homeoffice-Tagen. Ich arbeite besser, weil ich zu Hause fokussieren kann im Gegensatz zum Grossraumbüro. Ich tätige Videocalls und sehe so mein Team, auch wenn ich zu Hause bin.
Insgesamt beurteile ich mich und meine Leistungen als effizienter als im Büro mit den Kolleginnen und Kollegen. Zudem hat man im Büro meist unproduktive Sitzungen. Sie dauern zu lange und sind meist ungenügend vor- oder nachbearbeitet.
Allerdings: Um sich in ein Team einzufügen, ist Präsenz zwingend notwendig. Kennt man sich aber, reichen einige Tage im Büro, um auch das Soziale nicht zu vernachlässigen. Das Gerede von Innovationskraft, wie es gerade die Grossen vom Stapel lassen, ist meiner Meinung nach pure Verzweiflung: Die Pandemie hat bewiesen, dass das Homeoffice keine Leistungsminderung für die Unternehmen bringt.
Die Ambivalenten
René M. (64), IT-Projektleiter/Projektmitarbeiter (100%)
Arbeitssituation: 40% im Büro, den Rest im Homeoffice.
Bewertung: Da ich oft mit Projektmitarbeitenden in Asien arbeite, beginne ich regelmässig sehr früh. Im Homeoffice erspare ich mir gegen 2 Stunden Arbeitsweg pro Tag. Das ist entsprechend mehr Freizeit – ich liebe Homeoffice und würde gerne 100% so arbeiten! Wenn jemand ehrlich ist und Selbstdisziplin hat, ist das auch kein Nachteil für die Produktivität.
Aber ich gebe zu, dass es markante Nachteile gibt: Eine bestimmte Person kann nur kontaktiert werden, wenn man einen Termin abmacht (und nicht «über den Tisch»); es gibt Leute, denen bin ich seit zwei Jahren nicht mehr (oder sogar noch nie) persönlich begegnet. Und «kreative, spontane Meetings» mit 10, 12 Teilnehmern (mit Blödeln und Scherzen) wie früher erlebe ich nicht mehr.
Zusammengefasst ist Homeoffice für meine Work-Life-Balance ein echter Gewinn, aber wenn ich noch länger arbeiten müsste als nur ein knappes Jahr, dann würde ich (mir) eine Rückkehr ins Büro dringend empfehlen.
Nicolas K. (42), Abteilungsleiter in einem Technologiekonzern (100%)
Arbeitssituation: Ich habe den Job als Abteilungsleiter angetreten noch während der Homeofficepflicht und habe den Start weitestgehend ohne direkten sozialen Kontakt mit Kollegen als eher negativ empfunden. Nach Aufhebung der Pflicht wurde keine firmeninterne Regelung getroffen, was zu sehr unterschiedlicher Handhabe, selbst innerhalb meiner Abteilung, geführt hat.
Bewertung: Ich schätze den persönlichen Kontakt sowohl mit den Menschen meiner Abteilung wie auch mit anderen Kolleginnen und Vorgesetzten sehr, weshalb ich jeden Tag im Büro anzutreffen bin. Stimmung und die soziale Dynamik nimmt man über digitale Kanäle nur sehr ungenügend wahr. Auch schätze ich, wenn ich spontan Informationen austauschen kann.
Gleichwohl ist mir bewusst, dass gewisse Tätigkeiten eine starke Fokussierung erfordern und vor allem dass der Mensch ganz unterschiedlich «funktioniert». Dabei gilt es, abzuschätzen, ob eine Anwesenheitspflicht mehr Schaden anrichtet, als sie nützt. In meinem Fall, mit einem Team von Entwicklern im Bereich Hard-, Software-Entwicklung und Projektleitung, schätzen die meisten den direkten Austausch, während einzelne Personen ihre Arbeit mehrheitlich von zu Hause aus erledigen. In diesen Fällen verzichte ich bewusst auf Zwang.
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