WM-Abfahrt der Männer in SaalbachWegen Goldjunge von Allmen verunstaltet sich sogar Marco Odermatt
Der Berner Oberländer gewinnt mit seinen 23 Jahren das wichtigste Rennen des Jahres. Sein Zimmerkollege wird Dritter. Und das ganze Team lässt Haare – auch der Superstar.

Die Rasierapparate laufen an diesem Sonntag heiss im Schweizer Skiteam, gleich mehrere Köpfe verlieren ihre Haarpracht. Schliesslich lautete die Abmachung unter den Trainern so: Gewinnt einer ihrer Athleten die WM-Abfahrt von Saalbach, rasieren sie sich eine Glatze. Und so kommt es dann auch, sorgt Franjo von Allmen für das grosse Scheren in der Schweizer Mannschaft, weil er tatsächlich zu Gold fährt in der Königsdisziplin des Skisports.
Doch am Sonntagabend, bei der grossen Feier in Saalbach, bei der die Medaillen vergeben werden, wird offensichtlich: Nicht nur die Trainer, nein, auch die Chefs wie Swiss-Ski-Direktor Hans Flatscher und die Athleten haben ihren Kopf hergehalten. Besonders auffällig ist Marco Odermatts Frisur, quer durch seine Haare wurde eine Schneise geschnitten. Auch Stefan Rogentin hat ordentlich Haare gelassen.


Von Allmen auf dem Podest wiederum fehlt vorne ein Stück und hinten ganz viel an Haarpracht. Als er später seine Mütze noch einmal vom Kopf nimmt, ist auch bei ihm eine Schneise zu sehen.

Es ist wohl auch die Solidarität mit einem anderen Athleten, die die Coachs und Teamkollegen zu dieser Aktion bewegt. In Kitzbühel vor zwei Wochen war es Alexis Monney, dem nach dessen zweitem Rang in der Abfahrt die vollen Locken abrasiert wurden. Und dieser Monney trägt nun ebenso seinen Teil dazu bei, dass der Abschluss der ersten WM-Woche so wunderbar wird für die Mannschaft von Swiss-Ski.
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Monney holt Bronze, zwischen die beiden jungen Schweizer zwängt sich einzig Routinier Vincent Kriechmayr, der für die nächste Medaille des Heimteams sorgt. Und so kann von Allmen hinterher sagen, sie würden am Abend «zu Boden gehen» beim Feiern, oder: «Wir werden festen bis zum Umkippen.» Was er auch noch sagt: Die Vorzeichen stünden «auf Abriss!»
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Es sind die unbekümmerten Worte eines Mannes, der im Sommer gerade einmal 23 geworden ist, der erst 14 Abfahrten und überhaupt erst 25 Weltcuprennen bestritten hat, der mit dem Super-G in Wengen vor etwas mehr als drei Wochen ein einziges Mal gewonnen hat auf höchster Stufe. Und nun also gelingt ihm dieser verrückte Lauf an dem Tag, an dem es um Abfahrtsgold geht. Es wirkt dabei, als würde er die Eigenschaften auf die Piste bringen, die er in seinem gelernten Beruf als Zimmermann benötigt: einen Hauch von brachialer Gewalt – und dabei doch viel Gefühl und das Auge für Details.
Es ist ein wilder Auftritt von Allmens, einer, wie er ihn schon öfter hatte, immer leicht am Limit, manchmal etwas darüber, ein paarmal hätte er auch ausscheiden können, stattdessen macht er sich zum Goldjungen. «Ich wollte voll angreifen, hatte nichts zu verlieren, nahm volles Risiko. Wenn das aufgeht, ist es schnell», sagt der Berner Oberländer. So ist es an diesem Sonntag, keiner ist schneller als er.
Oben am Start freute sich von Allmen für Monney
Er habe noch die Fahrt von Monney gesehen, der drei Nummern vor ihm ins Rennen ging. Über eine Sekunde war der Freiburger schneller als der zu dieser Zeit führende Franzose Nils Allègre. «Als ich das sah, hatte ich eine Scheissfreude für ihn», sagt von Allmen. «Ich dachte mir, dass es das gewesen sein könnte für ihn. Ich wusste aber auch, dass noch etwas möglich ist und ich versuchen muss, es ihm gleichzutun.» Er machte es dann gar noch ein bisschen besser als sein 25-jähriger Teamkollege.
Die Worte von Allmens stehen sinnbildlich für das, was dieses Schweizer Abfahrtsteam ausmacht: dass sich die Athleten für die Leistungen der anderen freuen können. Und es wirkt nicht gekünstelt, es ist, was Abfahrtstrainer Reto Nydegger zuoberst auf der Prioritätenliste hatte. Dass nicht mehr gegeneinander gearbeitet wird, wie das auch schon war in der Vergangenheit, sondern miteinander.

Der Leader dieses Teams ist das beste Beispiel dafür – er lebt die Rolle auch an diesem Sonntag, im Moment der Enttäuschung: Marco Odermatt, am Freitag noch überlegener Super-G-Sieger, verpasst die Titelverteidigung und muss sich mit Rang 5 zufriedengeben. Zwei, drei Fehler seien ihm unterlaufen, sagt der Nidwaldner, weil er gewusst habe, dass er mit seiner späten Startnummer 13 alles riskieren müsse, nachdem er die Fahrten von von Allmen, Kriechmayr und Monney gesehen habe. «Leider hatte ich zwei Verschneider, was mir sehr selten passiert», sagt Odermatt. «Aber das ist derzeit unsere Qualität: Wenn ich einmal nichts gewinne, was halt auch passieren kann, springen andere Schweizer ein.» Gegenüber dem österreichischen TV-Sender ORF sagt der 27-Jährige noch: «Wir haben ein Superteam, treiben uns gegenseitig an und helfen uns. Wir profitieren gegenseitig voneinander. Und: Es ist mir lieber, ein Schweizer gewinnt als ein Österreicher.»
Der tragische Tod seines Vaters
Das tut an diesem Sonntag von Allmen. Seine Geschichte ist eine, die dieses Happy End richtig verdient. Als er 17 ist, stirbt sein Vater unerwartet. In die Trauer des Teenagers mischt sich die Sorge um seine Karriere. Aus finanziellen Gründen steht diese plötzlich auf der Kippe. Dank eines Crowdfunding kann er einen Winter anhängen. In diesem empfiehlt er sich für die Kader von Swiss-Ski. Nicht auszudenken, welch Talent dem Schweizer Verband durch die Lappen gegangen wäre.
So aber sorgt dieser Franjo von Allmen für den nächsten Schweizer Glücksmoment an dieser WM im Salzburgerland. Dass ausgerechnet Alexis Monney mit ihm aufs Podest steigt, mit dem er in dieser Woche das Zimmer geteilt hat, macht das Ganze noch kitschiger. Zumal die beiden noch am Freitag bei Odermatts Demonstration zu den Geschlagenen gehörten. Monney war auf Silberkurs, als er wegrutschte und ausschied. Von Allmen kam mit dem Kurs nicht zurecht und wurde Neunter. Und jetzt also müssen sich die Trainer seinetwegen kahl rasieren.
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Startnummer 12 – Dominik Paris
Der italienische Abfahrts-Oldie zeigt ein beherztes Rennen, aber das Podest verpasst er knapp. Mit 45 Hundertsteln Rückstand wird er Vierter.
Startnummer 11 – Franjo von Allmen
Nach der Enttäuschung im Super-G will der Berner heute sein anderes Gesicht zeigen. Ganz oben verschneidet es ihm schon ein wenig die Ski, auch danach gibt es in seiner Fahrt ein paar Unsicherheiten. Alles völlig egal, denn von Allmen scheint Raketen unter den Füssen zu haben. Er schlägt Kriechmayr tatsächlich, dank eines famosen unteren Teils. 24 Hundertstel liegt er voraus! Chapeau!
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Startnummer 10 – Bryce Bennett
Rang 3 für den Zweimeter-Mann aus den USA, wobei er schon über eine Sekunde zurück liegt. Er jubelt ausgelassen, aber die Prognose sei gewagt: Das wird nicht für eine Medaille reichen.
Startnummer 9 – Vincent Kriechmayr
In Wengen stürzte der Österreicher schwer, seither hat er Knieschmerzen und kann nur mit Schmerzmitteln fahren. Und dennoch zeigt der Weltmeister von 2021 eine hervorragende Fahrt. Oben ist er deutlich schneller als Monney, bis ins Ziel rettet er sieben Hundertstel Vorsprung. Das Publikum flippt total aus.
Startnummer 8 – Alexis Monney
Der Schweizer Bormio-Sieger legt fulminant los – und trotz einem Fehler nach einer Welle baut er den Vorsprung aus. Und wie er das tut! Monney übernimmt die Spitze mit über einer Sekunde Vorsprung und jubelt frenetisch. Reicht das schon für eine Medaille? Oder gar für Gold? Eine Ansage war das auf jeden Fall. Rogentin ist nun Dritter.
Startnummer 7 – James Crawford
Im Super-G enttäuschte der Kanadier als Titelverteidiger schwer, generell scheint er die WM-Piste nicht wirklich im Griff zu haben. Mit einer guten halben Sekunde Rückstand reicht es dem Kitzbühel-Sieger nur für Platz 6. Die Abstände sind bisher äusserst gering.
Startnummer 6 – Nils Allègre
Und nun folgen die Top 10 der Abfahrtsweltrangliste. Und Allègre verblüfft doch ziemlich! Oben hat der Franzose Rückstand, ganz unten aber ist er der Schnellste. Er übernimmt die Spitze mit nur vier Hundertsteln Vorsprung. Aber klar, das dürfte noch deutlich schneller gehen.
Startnummer 5 – Ryan Cochran-Siegle
Zweimal stellte er die Trainingsbestzeit auf, der Amerikaner also hat die Strecke im Griff. Aber Cochran-Siegle zeigt keine perfekte Fahrt, er bleibt tatsächlich um fünf Hundertstel hinter Rogentin zurück. Im Ziel wirkt er doch ziemlich enttäuscht.
Startnummer 4 – Adrien Theaux
Und gleich der nächste französische Routinier: Theaux ist bereits 40, und doch hat er vor dieser Saison nochmals die Skimarke gewechselt. Zwischen 2011 und 2015 gewann er einst drei Abfahrten, aber von der Form jener Tage ist er weit entfernt. Im oberen Teil zeigt er einen spektakulären Sprung und verliert danach wegen einem Umweg viel Zeit. Es reicht nur für Zwischenrang 4.
Startnummer 3 – Maxence Muzaton
34 ist der Franzose schon, vor 14 Jahren war er Junioren-Weltmeister im Super-G. Auf dem Abfahrtspodest aber ist Muzaton noch nie gestanden. Er zeigt jedoch eine gute Leistung und büsst auf Rogentin nur knapp drei Zehntel ein.
Startnummer 2 – Stefan Rogentin
Und schon ist der erste Schweizer im Ziel. Rogentin geht auch gleich in Führung, er nimmt Casse immerhin 43 Hundertstel ab und jubelt. Schwierig einzuschätzen, für was diese Fahrt reichen ist. Unter der Woche beklagte sich der Bündner noch, dass er die Qualifikation gegen Lars Rösti und Marco Kohler am Donnerstag vor dem Super-G bestreiten musste.
Startnummer 1 – Mattia Casse
Los geht’s in Saalbach mit der WM-Abfahrt. Und mit dem Italiener Casse eröffnet das Rennen gleich ein Mitfavorit. Im Dezember gewann er den Super-G von Gröden, wie so oft in den Abfahrtstrainings war er auch in den Übungseinheiten auf der WM-Piste schnell. Im oberen Teil verpasst er zweimal die Ideallinie, auch danach lässt er sich ein paarmal etwas gar weit nach unten treiben. Mit 1:42:49 setzt Casse die erste Richtzeit. Die perfekte Fahrt war das nicht. Zum Vergleich: In den Trainings war die beste Zeit 1:41:06.
Die Schweizer Startnummern
Stefan Rogentin startet als Zweiter, Alexis Monney mit Nummer 8. Später folgen Franjo von Allmen (11), Marco Odermatt (13) und Justin Murisier (14). Insgesamt sind 56 Athleten am Start.
Prominente Abwesende
Cyprien Sarrazin, der im letzten Winter in Bormio und zweimal in Kitzbühel gewann, ist ebenso verletzt wie Aleksander Kilde, der vor zwei Jahren in Courchevel WM-Silber holte. Bronze gewann damals Cameron Alexander, und auch der Kanadier fehlt heute. Im Training in Saalbach stürzte er und hat seither Schmerzen am Knie.
Die Favoriten
Schweiz, Schweiz und nochmals Schweiz – von Odermatt und Co. wird heute am meisten erwartet. Ebenfalls Medaillenchancen hat der Österreicher Vincent Kriechmayr, in den Trainings überzeugte derweil Ryan Cochran-Siegle (USA). Das Rennen eröffnet der Italiener Mattia Casse, auch er mag die Strecke. Und dessen Landsmann Dominik Paris sollte man nie zu früh abschreiben.
Schwierige Titelverteidigung
Marco Odermatt hat 2023 in Courchevel die letzte WM-Abfahrt gewonnen. Zweimal hintereinander Gold in der Königsdisziplin zu holen ist äusserst schwierig, letztmals ist das Bernhard Russi gelungen. Er siegte 1970 in Gröden und 1972 in Sapporo. Wobei es sich in Japan um Olympische Spiele handelte, die damals gleichzeitig aber auch als Weltmeisterschaft galten.
Die Schweizer Abfahrts-Weltmeister
1931: Walter Prager, 1933: Walter Prager, 1934: David Zogg, 1936: Rudolf Rominger, 1970: Bernhard Russi, 1972: Bernhard Russi, 1985: Pirmin Zurbriggen, 1987: Peter Müller, 1991: Franz Heinzer, 1993: Urs Lehmann, 1997: Bruno Kernen, 2015: Patrick Küng, 2017: Beat Feuz, 2023: Marco Odermatt.
Die Schweizer Aussichten
Marco Odermatt, Franjo von Allmen, Alexis Monney, Justin Murisier und Stefan Rogentin – besser geht es fast nicht. Das Schweizer Abfahrtsteam ist hervorragend besetzt, in den ersten vier Rennen der Saison gab es jeweils einen Doppelsieg. Im Abfahrtsweltcup liegen vier Schweizer in den Top 5, einzig der Slowene Miha Hrobat sprengt das Quartett. Ein Medaillengewinn ist Pflicht, ja mehr noch, die Swiss-Ski-Delegation will heute den neuen Weltmeister stellen. Dass dank Titelverteidiger Odermatt gar fünf statt nur vier Schweizer starten können, ist gewiss auch ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz.
Herzlich willkommen
Um 11.30 Uhr geht es los mit dem Höhepunkt dieser Ski-WM – der Männer-Abfahrt. Verfolgen Sie das Rennen bei uns im Liveticker.
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