Gescheiterte LohnverhandlungenHollywood streikt – was das bedeutet
Filmstars sagen internationale Auftritte ab. Auch Festivals in der Schweiz müssen bangen: Der Ausstand hat weltweit Auswirkungen für Film und Fernsehen.
Noch bevor der Film begann, verliessen die Stars des neuen Blockbusters «Oppenheimer» die Premiere. Denn seit Donnerstag sind Hollywoods Schauspielerinnen und Schauspieler im Streik. Das bedeutet auch, dass sie momentan keine Werbung für ihre Filme machen. Wer genau warum streikt und was das für die Schweiz bedeutet, haben wir hier für Sie zusammengetragen.
Wer streikt alles?
Rund 11’500 Drehbuchautorinnen und -autoren der Writers Guild of America (WGA) haben ihre Arbeit bereits Anfang Mai niedergelegt. Am Donnerstag sind dem Streik nun auch die Schauspielerinnen und Schauspieler der Gewerkschaft SAG-Aftra beigetreten, da auch ihre Verträge mit den Produktionsstudios ausliefen und die Neuverhandlungen keine Einigung brachten. Die SAG-Aftra hat über 160’000 Mitglieder, von Stuntleuten über TV-Journalistinnen bis zu den ganz grossen Hollywoodstars. Teil des Streiks sind nur Film-, Fernseh- und Serienschauspielerinnen und -schauspieler. Es sind jedoch praktisch alle Schauspieler Hollywoods Teil der Gewerkschaft, da eine Mitgliedschaft häufig Bedingung für eine Anstellung ist. Ausserdem bietet SAG-Aftra Zugang zu Krankenversicherung und Altersvorsorge, was in der unsicheren Filmbranche für viele sehr wichtig ist.
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Wer wird bestreikt?
Die Streikenden richten ihre Forderungen an die Allianz der Film und Fernsehproduzenten (AMPTP). Zu dieser gehören die grossen Studios und Streaminganbieter wie Disney, Warner Brothers, Sony, Netflix und Amazon.
Was wollen die Streikenden?
Im Zentrum der Forderungen steht Geld. So forderte die Gewerkschaft SAG-Aftra laut der «Los Angeles Times» ursprünglich eine generelle Lohnerhöhung von 15 Prozent im ersten Jahr nach den Verhandlungen. Die Forderung begründet sie unter anderem mit der Inflation. Die Gewerkschaften sagen, dass es für viele Mitglieder immer schwerer werde, einen Lebensstil der «Mittelklasse» beizubehalten.
Die Streikenden wollen ausserdem höhere Tantiemen für die Wiederausstrahlung von Filmen und Serien. Hier stellen sich besonders die Streaminganbieter quer. Diese behalten ihre Nutzerzahlen geheim und verunmöglichen damit eine transparente Beteiligung am Erfolg einer Sendung.
Generell hat die Umstellung von klassischen Fernsehserien auf Streaming bei Netflix und Co. negative Folgen für die Mitglieder der Gewerkschaften. Nicht nur erhalten sie weniger Tantiemen, sondern sie werden auch für kürzere Zeit angestellt, da Serien immer weniger Folgen haben.
Für weitere Frustration sorgt der Umgang mit künstlicher Intelligenz. Die Schauspieler und Autorinnen befürchten, dass ihre Arbeit in Zukunft von KI erledigt wird. Dass also zum Beispiel Hintergrunddarsteller digital kopiert werden und dann – leicht abgeändert – in neuen Produktionen verwendet werden. Hier fordern sie Mitbestimmung und finanzielle Beteiligung.
Was sagen die Studios?
Die grossen Produktionsfirmen stellen sich auf den Standpunkt, dass sie den Gewerkschaften mit «historischen Lohnerhöhungen» entgegengekommen seien. Auch bei der Frage nach dem Einsatz von künstlicher Intelligenz hätten sei einen «bahnbrechenden» Vorschlag gemacht.
Sie betonen ausserdem, dass die Umstände auch für sie nicht einfach seien. Immer weniger Leute würden ins Kino gehen und die Profite seien beim Streaming geringer als beim klassischen Fernsehen. Die Studios haben deshalb in letzter Zeit Tausende Stellen gestrichen. Das hinderte sie jedoch nicht daran, in der Chefetage königliche Gehälter zu bezahlen. So verdiente der Chef von Warner Brothers 2021 fast 250 Millionen US-Dollar. Im vergangenen Jahr waren es immerhin noch fast 40 Millionen. Andere Studiobosse verdienten ähnlich viel.
Was bedeutet der Streik?
Solange gestreikt wird, dürfen die Schauspielerinnen und Schauspieler weder spielen noch proben noch Animationsfilme einsprechen. Auch dürfen sie keine Werbung für Filme und Produktionen machen. Darunter fallen auch Auftritte an Festivals, Interviews und Posts in den sozialen Medien. Bei Verstössen droht die Gewerkschaft mit Sanktionen. Erlaubt sind jedoch unter anderem generelle Werbeauftritte sowie die Teilnahme an Talkshows.
Die Drehbuchautorinnen und -autoren verweigern jegliche Arbeiten für Firmen, die Teil der Verhandlungen sind. Es wird weder geschrieben noch werden Projekte besprochen oder Verhandlungen geführt.
Was heisst das für das Publikum?
Am sichtbarsten wird der Streik im Moment wohl bei Premieren oder Festivals. An diesen werden keine Schauspieler anwesend sein. So haben zum Beispiel Margot Robbie und Ryan Gosling ihre Teilnahme an der «Barbie»-Premiere in Berlin für diesen Samstag abgesagt.
Auf die aktuellen Kino- und Streamingprogramme hat der Streik noch keinen Einfluss, da die Arbeiten zu diesen meist bereits weit im Voraus abgeschlossen wurden.
Im Kino und auf Netflix werden die Folgen des Streiks wohl erst in einiger Zeit zu sehen sein. Premieren werden sich verzögern und die Streamingdienste werden wohl vermehrt alte Produktionen oder Serien von ausserhalb der USA zeigen. Serien wie «The Last of Us» und «The Mandalorian» und Filme wie der neue «Spider-Man» und der nächste «Captain America» seien wegen des Streiks bereits im Verzug.
Hat der Streik auch einen Einfluss auf die Schweiz?
Je nachdem, wie lange der Streik dauert, könnten auch die Schweizer Filmfestivals in Zürich und Locarno betroffen sein. Letzteres findet bereits im August statt. In Locarno sollte auch Hollywoodstar Cate Blanchett teilnehmen.
Gab es einen solchen Streik schon mal?
Dass die Drehbuchautorinnen und -autoren die Arbeit verweigern, ist nichts Neues. Bereits Ende 2007 streikten sie über drei Monate lang. Dass die Schauspieler gemeinsam mit den Autorinnen streiken, gab es jedoch erst einmal im Jahr 1960. Damals wurde gefordert, dass die Produktionsstudios sich an ihren Renten- und Versicherungskosten beteiligen sollen. Angeführt wurden die Schauspielerinnen damals vom späteren US-Präsidenten Ronald Reagan. Die Studios kamen den Forderungen schlussendlich nach.
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