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Wenn die Zinsen wieder steigen
Hohe Inflation bringt Notenbanken in Erklärungsnot

Von einer absehbaren Zinserhöhung will sie nichts wissen: Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank.
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Rund ein Jahrzehnt lang haben die Notenbanken der entwickelten Länder das Ziel verfolgt, die Inflation zu erhöhen, und sind dabei gescheitert. Jetzt ist die Lage exakt umgekehrt. Sie versprechen, dass sie die Teuerung im Griff haben, und man glaubt es ihnen nicht.

Davon zeugen die jüngsten Einschätzungen zur Geldpolitik vor allem grosser Institute wie der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed. EZB-Chefin Christine Lagarde hat am vergangenen Donnerstag die Geldpolitik ihres Instituts erläutert. Am Mittwoch wird das Jerome Powell als Chef des Fed ebenfalls tun. Die Schweizerische Nationalbank folgt erst im Dezember.

Im laufenden Jahr ist die Teuerung in vielen Ländern im Vergleich zum Vorjahr stark angestiegen: in den USA im September auf 5,4 Prozent, in der Eurozone auf 4,1 Prozent. Einen solchen Preisanstieg haben beide Weltregionen seit der Finanzkrise nicht mehr gesehen.

Ein deutlich entspannteres Bild zeigt sich bisher in der Schweiz. Hier belief sich der Anstieg des Preisniveaus nach den letzten Daten vom September im Vergleich zum Vorjahr auf 0,9 Prozent. Ein kräftiger Anstieg ist aber auch dies, sanken doch die Preise im vergangenen Dezember noch um 0,8 Prozent. Neue Zahlen werden am Dienstag veröffentlicht.

«Temporär» dauert länger

Trotz der Preisentwicklungen weltweit erklären Notenbanken hüben und drüben, die aktuell besonders stark ausschlagende Teuerung sei ein temporäres Phänomen, hauptsächlich Lieferengpässen bei wichtigen Gütern und deutlich angestiegenen Energiepreisen geschuldet. Dass die Preise nach der Krise wieder ansteigen, sei insofern auch ein positives Phänomen, als das für die Erholung und eine Normalisierung der Wirtschaft spreche.

Derart hohe Ausschläge bei den Preisen haben allerdings weder die Notenbanker noch andere Beobachterinnen und Beobachter erwartet, und jüngst mussten sowohl Fed-Chef Jerome Powell wie auch Christine Lagarde von der EZB eingestehen, dass die Teuerung auch noch bis ins nächste Jahr hinein hoch bleiben wird.

Damit wächst die Sorge, dass die gestiegenen Preise zu sogenannten Zweitrundeneffekten führen, wenn Unternehmen und Beschäftigte ihre Preise und Löhne ebenfalls nach oben anpassen. Dann gehen die Preiserhöhungen in eine anhaltende Inflation über. Vor allem Entwicklungen in den USA befeuern diese Sorgen.

Noch bis vor kurzem sahen die führenden Notenbanken der Welt keinen Anlass, ihre Geldpolitik rasch zu straffen. Weiter als die EZB geht allerdings die US-Notenbank Fed. Sie hat bereits im September Hinweise auf kommende Zinserhöhungen geliefert. Die Hälfte des Entscheidungsgremiums der Notenbank rechnet für Ende 2022 mit einer ersten Zinserhöhungen und weiteren im Jahr 2023.

«Wir sehen ein erhebliches Risiko, dass die Zinserhöhungen weiter vorgezogen werden.»

Tiffany Wilding, Ökonomin bei Pimco

Für den Mittwoch wird erwartet, dass das Fed auch einen genauen Plan bekannt geben wird, wie es die Ankäufe von Staatsanleihen und verbrieften Hypothekenpapieren im Umfang von monatlich 120 Milliarden Dollar beenden wird. Der Anleihengigant Pimco erwartet laut seiner für die USA zuständigen Ökonomin Tiffany Wilding eine Reduktion der Käufe um 15 Milliarden pro Monat ab November, sodass sie im nächsten Juni gänzlich auslaufen.

Doch zum Fed steigt die Erwartung, dass die Notenbank angesichts der Teuerung zu einem noch früheren Handeln gezwungen sein könnte: «Wir sehen ein erhebliches Risiko, dass die Zinserhöhungen weiter vorgezogen werden», schreibt etwa Wilding von Pimco.

Ein Hoffnungsschimmer für die Nationalbank

Angesichts der Bedeutung des Euro für die Schweizer Wirtschaft hat die Geldpolitik der EZB aus hiesiger Sicht die grössere Bedeutung. Anders als das Fed haben die Europäer bisher für die Zukunft keine Erhöhung ihrer Leitzinsen angekündigt. Doch an den Kapitalmärkten wird eine Zinserhöhung in der Eurozone bereits für nächsten Sommer erwartet, wie sich aus Marktdaten lesen lässt.

An ihrer Pressekonferenz vom letzten Donnerstag gab sich EZB-Chefin Christine Lagarde allerdings alle Mühe, die Erwartungen einer Zinserhöhung bereits im nächsten Jahr in den Wind zu schlagen. Genützt hat es wenig, die Erwartungen zur Zinserhöhung in den Marktpreisen haben sich im Nachgang kaum verändert.

Sollten Notenbanken wie das Fed und erst recht die EZB die Zinsen, wie an den Märkten aktuell angenommen, tatsächlich früher erhöhen als bisher von ihnen geplant, dann würde das der Schweizerischen Nationalbank (SNB) helfen. Es würde ihr ermöglichen, schon früher von Negativzinsen Abschied zu nehmen. Denn die SNB begründet die Tiefstzinsen hauptsächlich damit, dass diese tiefer sein müssten als jene in der Eurozone, weil sonst Anlagen in Franken zu attraktiv würden.

Innert eines Jahres und ausgeprägt in den letzten Monaten sind die langfristigen Zinsen in der Schweiz, gemessen an der Rendite von zehnjährigen Staatsanleihen, jedenfalls bereits merklich angestiegen. Sie befinden sich aber noch immer knapp unter null.

Bei ihrer letzten Beschlussfassung am 23. September hielt die SNB an ihrem Leitzins von minus 0,75 Prozent fest. Ihre Einschätzung zur Inflationsentwicklung liess auf keine Änderung dieser Politik bis mindestens 2024 schliessen. Bis dann soll sich die Teuerung in der Schweiz auf bloss 0,8 Prozent belaufen. Die nächste Einschätzung folgt am 16. Dezember.