Medienkonferenz in BernGrossevents trotz steigender Fallzahlen vertretbar – das sagten die Experten
Nachdem ein Todesfall einer Person zwischen 20 und 30 vermeldet wurde, sind Fachexperten des Bundes vor die Medien getreten. Wir berichteten live.
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Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz ist erstmals ein junger Erwachsener am Coronavirus gestorben.(Hinweis der Redaktion: Am Abend meldete der Kanton Bern, dass es sich dabei um eine Fehlinformation handelt.)
- Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen ist seit Anfang Woche schon mehrmals über 200 gestiegen.
- Gleichzeitg hat der Bundesrat entschieden, Grossveranstaltungen ab Oktober wieder zuzulassen.
- Wie passen diese beiden Tatsachen zusammen? Experten des Bundes nahmen vor den Medien Stellung.
Richtigstellung nach Formular-Chaos
Zusammenfassung
Die Zahl der neuen Ansteckungen mit dem Coronavirus nimmt kontinuierlich zu – für die Experten des Bundes ein Grund zur Sorge. Die meisten Ansteckungen geschehen nach wie vor in der Schweiz und werden nicht aus dem Ausland importiert. Dennoch wurde die Liste der Risikoländer erneut erweitert.
Die steigenden Fallzahlen seien ein Grund zur Besorgnis, sagte Stefan Kuster, Leiter Übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit (BAG), am Freitag vor den Bundeshausmedien. Letzte Woche gab es 1093 gemeldete Neuansteckungen bei 38'761 getesteten Personen. Zwar seien dies einige Fälle weniger als in der Vorwoche, jedoch mehr als noch eine Woche davor Ende Juli mit 822 gemeldeten Neuansteckungen bei 35'710 Getesteten, sagte Kuster.
Am stärksten stiegen die Neuansteckungen in den Kantonen Genf (277), Waadt (232) und Zürich (279). Unter den Neuinfizierten seien vor allem Reiserückkehrende, am meisten Ansteckungen gebe es jedoch immer noch in der Schweiz. Viele darunter passierten im familiären Umfeld und am Arbeitsplatz.
Dennoch hat die Schweiz gegen ein weiteres Land Einreisebeschränkungen verhängt: Das Staatssekretariat für Migration hat Marokko auf die Liste der Risikoländer gesetzt. Erst Mitte Juli war die Einschränkung für den nordafrikanischen Staat aufgehoben worden.
Unterschiedliche Ausgangslagen für Grossanlässe
Dagegen gebe es innerhalb der Schweiz keine Grenzen und keine roten Listen für Regionen, in denen die Zahl der Ansteckungen zunimmt, sagte Kuster. Wichtig sei, dass die Kantone Ansteckungsherde im Griff hätten. So habe der Kanton Genf etwa Nachtlokale geschlossen. Inzwischen habe sich die Zahl der Neuansteckungen dort stabilisiert.
Am Freitag wurden dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) 268 neue Ansteckungen mit dem Coronavirus in der Schweiz und in Liechtenstein gemeldet. Zudem meldete das BAG neun neue Hospitalisationen und einen weiteren Todesfall.
Trotz der steigenden Fallzahlen sind ab Oktober Grossanlässe mit mehr als tausend Menschen wieder erlaubt. Aber auch dann werde es Anlässe geben, die nur schwer durchführbar seien, sagte Kuster. Er erwähnte etwa «Volksfeste, an denen viel gegessen und getrunken wird».
Anders sei es beispielsweise bei einem Orientierungslauf im Wald mit 1200 Teilnehmenden. Solche gestaffelte Open-Air-Anlässe dürften laut Kuster keine Probleme haben, griffige Schutzkonzepte zu erarbeiten.
900 Einsprachen gegen Kurzarbeit-Bewilligungen
Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), informierte vor den Bundeshausmedien seinerseits über den Stand bei den Einsprachen des Bundes gegen Bewilligungen von Kurzarbeit. Insgesamt habe es fast 900 solcher Einsprachen gegeben, sagte Zürcher. Knapp die Hälfte davon wurden bisher behandelt.
Dabei wurden 201 Einsprachen durch die Kantone gutgeheissen, und die Bewilligungen wurden abgelehnt. In 43 Fällen zogen die Gesuchssteller die Anträge zurück, weil sie zur Einsicht gelangten, das Anrecht auf Kurzarbeit sei nicht gerechtfertigt. In 12 Fällen lehnten die kantonalen Behörden die Gesuche ab.
In vielen Fällen sei also der Anspruch auf Kurzarbeit nicht gegeben gewesen, betonte Zürcher. Die Aufsicht nehme die Aufgabe wahr, und die Wirksamkeit sei vorhanden.
Ende der Pressekonferenz
Die Pressekonferenz ist beendet. Am nächsten Mittwoch tritt voraussichtlich der Bundesrat vor die Medien.
Neue Risikoliste kommt nächste Woche
Kuster kündigt an, dass voraussichtlich nächste Woche eine neue Risikoliste publiziert werde. Der 14-tägliche Rhythmus der Publikation werde ungefähr eingehalten.
Kuster: «Grossevents mit Schutzkonzepten möglich»
Zu einer Frage über den Entscheid des Bundesrates, Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen wieder zu erlauben, sagt Kuster: Der Entscheid des Bundesrats sei nachvollziehbar. Mit den Schutzkonzepten sei die Durchführung möglich.
Was in vier Wochen sein werde, wisse man aber nicht. «Die Hoffnung ist gross, dass Grossveranstaltungen mit den geplanten Schutzkonzepten möglich sind.»
«Es gibt Grossveranstaltungen, die durch die Schutzkonzepte auch schon in der Vergangenheit problemlos hätten durchgeführt werden können», sagt Kuster auf eine Folgefrage dazu. Gleichzeitig gebe es solche, wofür man auch in Zukunft keine guten Schutzkonzepte entwickeln könne.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Ein Entscheid zur Unzeit – aber was wäre die Alternative
Sind die Schulen gewappnet?
Eine Frage bezieht sich auf die Kinder als mögliche Überträger des Virus und darauf, wie gut die Schulen dagegen gewappnet sind. «Aus der Zeit von vor den Ferien haben wir den Eindruck, dass die Kinder in die Schule gehen können», antwortet Kuster. Es gebe zwar Fälle, diese könnten aber durch das Contact Tracing in den Kantonen verfolgt werden.
Verstorbener war vorher gesund
Heute wurde bekannt, dass in Bern ein junger Mann im Alter zwischen 20 und 30 an den Folgen des Coronavirus verstorben ist. Laut Stefan Kuster handelt es sich nach bisherigem Erkenntnisstand um einen gesunden jungen Mann. Dieser Todesfall sei tragisch, sagt Kuster. «Das Virus macht nicht Halt vor jungen Personen», ergänzt er.
Selbst beim Grippevirus, das deutlich weniger gefährlich sei als das Coronavirus, sei ihm aus seiner ärztlichen Tätigkeit bekannt, dass auch junge Menschen auf der Intensivstation landen.
Da bei den meldepflichtigen Todesfällen Risikofaktoren abgefragt würden, wisse man, dass der verstorbene junge Mann keine Vorerkrankungen gehabt hätte, sagt Kuster zu einer Folgefrage, warum Vorerkrankungen ausgeschlossen werden könnten.
Kantone als Risikogebiete
Eine weitere Frage: Warum kann die Schweiz gewisse Länder auf die Risikoliste setzen, aber Regionen mit hohen Fallzahlen in der Schweiz nicht? «In der Schweiz gibt es keine Grenzen», antwortet Kuster.
Wichtig sei, dass die Kantone Ansteckungsherde im Griff hätten, sagte Kuster. So habe der Kanton Genf etwa Nachtlokale geschlossen. Inzwischen hätten sich die Neuansteckungen im Kanton Genf stabilisiert.
«Kantone haben Contact Tracing im Griff»
Eine Frage zielt auf die hohen Fallzahlen: «Wir schauen die Situation mit einer gewissen Besorgnis an», antwortet Stefan Kuster. «Im Moment haben wir das Gefühl, dass die Kantone das Contact Tracing im Griff haben.»
900 Einsprachen gegen Kurzarbeitsentscheide
Der Bund hat in fast 900 Fällen Einsprache gegen Bewilligungen von Kurzarbeit erhoben, die die Kantone im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erteilt haben. Das gab Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), am Freitag vor den Bundeshausmedien bekannt.
Knapp die Hälfte dieser Einsprachen, nämlich 420, wurden bisher behandelt. Dabei wurden 201 Einsprachen durch die Kantone gutgeheissen, und die Bewilligungen wurden abgelehnt. In 43 Fällen zogen die Gesuchssteller die Anträge zurück und in 12 Fällen lehnten die kantonalen Behörden die Gesuche ab. In 121 Fällen hielten die Kantone an ihrer Bewilligungserteilung fest.
In diesen Fällen spielt das ordentliche Verfahren und die Fälle gehen vor das kantonale Versicherungsgericht. Bei bleibenden Differenzen können die Fälle bis vor Bundesgericht weitergezogen werden.
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Keine Aussteuerungen laut Seco
Laut Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit Seco, gibt es zwischen dem 1. März und 31. August keine Aussteuerungen. Diese sechs Monate würden beim ordentlichen Taggeldbezug nicht in Rechnung gestellt.
Reiserückkehrer nach wie vor wichtig
Die Reiserückkehrer seien nach wie vor eine wichtige Quelle für die Meldung von Neuinfektionen und zwar aus den unterschiedlichsten Regionen, wie Kuster sagt – also Nachbarländer aber auch Länder, die auf der Risikoliste stehen. «Aber wir sehen auch Ansteckungen im familiären Umfeld häufig oder am Arbeitsplatz.»
«Schweiz testet sorgfältig und viel»
«Wir haben das Gefühl, dass die Schweiz sorgfältig und viel testet», sagt Kuster mit Blick auf den internationalen Vergleich. Bei Ländern mit tiefen Infektionszahlen aber vielen Todesfällen könne man davon ausgehen, dass die Dunkelziffer hoch sei.
Geografische Verteilung
Laut Kuster verteilen sich die stark ansteigenden Neuinfektionen über die Wochen vor allem in den bekannten Regionen. Dazu nennnt er Genf mit 277 Fällen, Waadt mit 132 und Zürich mit 279 Neuinfektionen. In den anderen Kantonen liegen die Zahlen deutlich unter 100 – bedingt natürlich auch durch die Einwohnerzahlen.
Beginn
Stefan Kuster, Leiter Übertragbare Krankheiten biem BAG, nennt als erstes die aktuellen Zahlen. Innerhalb von 24 Stunden wurden 268 positiv getestete Personen gemeldet, dazu kommen ein Todesfall und neun neue Hospitalisationen.
Wichtiger als die Zahlen eines Tages sei aber die Entwicklung über die Wochen.
«Über die letzte Woche sehen wir eine kontinuierliche Zunahme», sagt Kuster. Die Positivitätsrate betrage damit 3,3 Prozent.
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Medienkonferenz um 14 Uhr
Am Freitagnachmittag treten Fachexperten in Bern vor die Medien. Bundeskanzlei, Seco und BAG informieren über den aktuellen Stand der Pandemie.
Anwesend sein werden Stefan Kuster vom BAG, Boris Zürcher vom Seco und Stephan Brunner von der Bundeskanzlei, wie das Bundeshaus ankündigt.
Ausgangslage
In der Schweiz ist erstmals ein junger Erwachsener an Covid-19 gestorben, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage bestätigte. Er stammte aus der Altersklasse der 20- bis 29-Jährigen.
Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen ist seit Anfang Woche schon mehrmals über 200 gestiegen. Am Freitag meldete das BAG 268 neue Ansteckungen mit dem Coronavirus innerhalb eines Tages. Am Donnerstag waren es 234, am Mittwoch 274 und am Dienstag 187 Covid-19-Infizierte.
In der gleichen Woche – vorgestern Mittwoch – hat der Bundesrat entschieden, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ab Oktober wieder zu erlauben.
«Grossanlässe stellen ein Risiko dar»
Damit will der Bundesrat eine «gewisse Rückkehr zur Normalität» ermöglichen, wie Gesundheitsminister Alain Berset sagte. Man müsse einen Weg finden, mit dem Virus zu leben.
Allerdings warnte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga auch, die Lockerungen seien kein Freipass.
Bei den Bewilligungen für Grossanlässe müssen die Kantone ihre epidemiologische Lage und ihre Kapazitäten für das Contact Tracing berücksichtigen. Der Bundesrat will damit sicherstellen, dass sich die Situation in der Schweiz nicht verschlechtert. «Grossanlässe stellen ein Risiko dar», sagte Berset mehrmals.
Den Öffnungsschritt hatten Sportvereine und Kulturveranstalter vehement verlangt, die um das finanzielle Überleben kämpfen. Die Kantone hatten sich allerdings für eine Lockerung erst Ende Jahr ausgesprochen.
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oli/red/sda
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