Viel beworbene Nahrungsergänzung Hilft Zink wirklich gegen Erkältungen?
Das Spurenelement gilt als eines der wenigen Mittel, die bei einer Erkältung nützlich sind. Doch der Grat zwischen Wirkung und Nebenwirkungen ist nur schmal.
Wenn die Tage kürzer und kälter werden, kommt auch wieder die Erkältungszeit. Denn in der kühlen, feuchten Luft fühlen sich Viren besonders wohl.
Was also tun? Einen wirksamen Schutz vor den regelmässig auf Herbst/Winter wiederkehrenden Erkältungserregern gibt es noch nicht – ebenso wenig wie eine Impfung (die Grippeimpfung wirkt bekanntlich nur gegen eine echte Grippe, auch Influenza genannt).
Wenn eine Erkältung in aller Regel auch harmloser verläuft als eine Grippe, so wären doch die meisten Menschen froh, wenn sie ebenfalls etwas zur Hand hätten gegen die lästigen Erkältungssymptome wie Schnupfen, Husten, Hals- und Kopfweh.
In dieser Situation suchen dann viele Heilung oder wenigstens Linderung in bewährten Hausmitteln oder viel beworbenen Nahrungsergänzungen.
Vermeintliches Wundermittel
Hohe Erwartungen weckt dabei vor allem Zink. Das lebensnotwendige Spurenelement erfüllt zahlreiche Aufgaben im Körper, besonders wichtig ist es für ein gut funktionierendes Immunsystem. Da unser Körper Zink nicht selbst herstellen und auch nicht speichern kann, müssen wir es täglich zuführen – über die Nahrung, als Supplement oder beides zusammen.
So überrascht es nicht, dass praktisch jedes freiverkäufliche Erkältungsmittel neben Vitaminen auch ausdrücklich Zink enthält.
Seinen guten Ruf verdankt das Spurenelement vor allem einer wissenschaftlichen Analyse, die schon einige Jahre zurückliegt: 2011 werteten Forschende des renommierten Cochrane-Instituts alle bedeutenden Studien zum Thema aus und kamen zum Schluss: Zink hilft tatsächlich. Wer demnach innerhalb der ersten 24 Stunden einer Erkältung und während einiger Tage mindestens 75 Milligramm des Spurenelements einnehme, sei durchschnittlich einen Tag weniger lang krank und häufiger nach einer Woche wieder gesund als jemand, der nur ein Placebo schlucke.
Keinen nennenswerten Effekt scheint Zink dagegen zu haben, wenn es zur Vorbeugung genommen wird. Auch nützt Zink nichts gegen alle anderen Erkrankungen, ausser eben Erkältungen der oberen Atemwege wie Halsschmerzen und Schnupfen.
Für Präventivmediziner und Ernährungswissenschaftler David Fäh von der Berner Fachhochschule wirft die Cochrane-Studie allerdings Fragen auf – insbesondere die nach den möglichen Nebenwirkungen und Gesundheitsrisiken bei einer längerfristigen Anwendung mit solch hohen Zink-Dosierungen.
Da die 75 Milligramm pro Tag, die laut Studie für einen Nutzen nötig sind, kaum über die normale Nahrung gedeckt werden könnten, müsste dies vorwiegend über Nahrungsergänzungsmittel geschehen. Und das in einer ganz bestimmten Darreichungsform: als Lutschtablette. Denn das Zink sollte eine gewisse Zeit über die Schleimhäute des Rachenraums lokal einwirken können, um seine Wirkung entfalten zu können. Viele der gängigen Erkältungsmittel mit Zink sind aber zum Schlucken und de facto also nutzlos.
«Der geringe Nutzen steht meines Erachtens in keinem Verhältnis zu den möglichen Risiken.»
Für die Menschen in der Schweiz hat die Geschichte noch einen anderen Haken: Nahrungsergänzungsmittel mit hohem Zinkgehalt sind hierzulande im Detailhandel gar nicht mehr erhältlich, sie müssten folglich übers Internet aus dem Ausland bezogen werden. Der Grund: Seit Juli 2020 dürfen Supplemente bei uns nur noch maximal 5,3 Milligramm Zink pro Lutschtablette/Tablette enthalten (zuvor waren es 15).
Die herabgesetzte Höchstmenge orientiere sich neu am «Gesundheitsschutz», heisst es beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen auf Anfrage. Mit anderen Worten: Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen besser vor Überdosierungen geschützt werden.
Auch in der Sportszene beliebt
Tatsächlich hat Zink seine Tücken. So berichtete die deutsche Zeitschrift «Stern» kürzlich von einem Fitnesssportler, der grosse Mengen von Zinktabletten schluckte – allerdings in der Absicht, seine Testosteronproduktion zu fördern und damit mehr Muskeln aufzubauen. Denn auch diese Wirkung wird dem Spurenelement nachgesagt, zumal in einschlägigen Internetforen.
Doch statt stärker wurde der junge Sportler immer schwächer: Das übermässige Zink hatte in seinem Körper die Aufnahme von Kupfer behindert. Und weil Kupfer wiederum für die Aufnahme von Eisen wichtig ist, entstand ein Eisenmangel und in der Folge eine Blutarmut.
Auch der Schweizer Ernährungswissenschaftler Samuel Mettler, der auf Sporternährung spezialisiert ist, trifft immer wieder auf Athletinnen und Athleten, die über längere Zeit unnötig hohe Supplementierungen, auch von Zink, aufweisen – und damit negative Interaktionen mit anderen Mineralstoffen wie Eisen in Kauf nehmen. Im Spitzensport könne es zwar entscheidend sein, wenn sich eine Erkältung abschwächen und verkürzen lasse. Allerdings nütze auch hier nur eine kurzfristige, sehr gezielte Supplementierung über Lutschtabletten etwas. «Für den Muskelaufbau hingegen bringt Zink sicher nichts», stellt Mettler klar. «Im schlechten Fall kann es sogar der Gesundheit schaden.»
Kein Wunder, ist auch Fachkollege David Fäh beim Erkältungsschutz sehr zurückhaltend mit Empfehlungen punkto Zink: «Der geringe Nutzen steht meines Erachtens in keinem Verhältnis zu den möglichen Risiken. Von einer dauerhaften Einnahme über mehrere Monate rate ich jedenfalls klar ab.»
Sinnvoller sei es, über eine ausgewogene Ernährung genügend Zink aufzunehmen und so das Immunsystem zu unterstützen. «Dann kommt es garantiert auch nicht zu Überdosierungen.»
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