Pressekonferenz des BundesratsBerset: «Inakzeptabel, dass Spitäler Wahleingriffe nicht verschieben»
Neuer Armeeeinsatz, Geld für Profisport, Hilfe für Härtefälle: Der Bundesrat informiert über neue Beschlüsse in der Corona-Krise. Wir berichteten live.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Das Wichtigste in Kürze:
Zur Bewältigung der zweiten Coronavirus-Welle stellt der Bundesrat den Kantonen bis zu 2500 Armeeangehörige zur Verfügung.
Die Profi-Sportklubs könnten schon bald Beiträge à fonds perdu erhalten. Der Bundesrat hat das VBS damit beauftragt, bis im Dezember ein «Aussprachepapier» zu erarbeiten.
Zudem will der Bundesrat Härtefälle, die besonders unter der Corona-Krise leiden, zusätzlich finanziell unterstützen.
Zusammenfassung
Zur Bewältigung der zweiten Coronavirus-Welle stellt der Bundesrat den Kantonen bis zu 2500 Armeeangehörige zur Verfügung. Doch die Bedingungen für eine Unterstützung sind dieses Mal strenger.
Unter anderem die Kantone Freiburg, Genf, Wallis, Bern und Jura hätten beim Bund bereits ein offizielles Gesuch zur Unterstützung ihres Gesundheitssystems durch die Armee eingereicht, sagte Verteidigungsministerin Viola Amherd am Mittwoch vor den Medien. Sie hätten den Bund informiert, dass ihre personellen Kapazitätsgrenzen sowie diejenige ihrer Pflegeplätze erreicht seien.
Die Soldaten könnten den Spitälern bei der Erweiterung ihrer Kapazitäten auf ihren Intensivpflegestationen mit Material und Personal helfen oder als Fahrer den Transport von ansteckenden (»infektiösen" laut Communiqué) Patienten durchführen.
Strenge Bedingungen
So müssen die Kantone, die sich Hilfe von der Armee erhoffen, dieses Mal aufzeigen, dass sie «sämtliche ihnen zur Verfügung stehende zivile Mittel und Instrumente ausgeschöpft haben», wie es in der Mitteilung weiter hiess. Dazu gehörten auch der Zivilschutz, der Zivildienst, die Feuerwehr, aber auch der private Sektor.
Ausserdem müsse bewiesen werden, dass auf dem Arbeitsmarkt kein zusätzliches Personal rekrutiert werden könne, dass es keine Möglichkeit gebe, Arbeitslose anzustellen und dass Medizin-Studierende, Samariter und andere Freiwillige angefragt worden und nicht mehr verfügbar seien.
Bundesrat prüft Beiträge à fonds perdu für Profi-Sportklubs
Auch die Profi-Sportklubs könnten schon bald Beiträge à fonds perdu erhalten. Der Bundesrat hat das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) damit beauftragt, bis im Dezember ein «Aussprachepapier» zu erarbeiten.
Wegen der Corona-Pandemie können Sportveranstaltungen auch in den nächsten Monaten nur mit wenigen oder gar keinen Zuschauern durchgeführt werden. «De facto heisst das Geisterspiele», sagte Sportministerin Viola Amherd am Mittwoch vor den Medien. Es zeichne sich deshalb ab, dass der Sport zusätzliche Unterstützung benötigen werde.
Bundesrat stellt Details der Corona-Härtefallregeln zur Diskussion
Der Bundesrat will Härtefälle, die besonders unter der Corona-Krise leiden, zusätzlich finanziell unterstützen. Der Bund beteiligt sich zur Hälfte an kantonalen Massnahmen. Laut Finanzminister Ueli Maurer sind noch einige Fragen offen – etwa, wie viel Geld nötig ist. Der Bundesbeitrag wurde im Verordnungsentwurf auf maximal 200 Millionen Franken festgelegt. In Anbetracht der im Raum stehenden Forderungen sei das sicher zu wenig, sagte Maurer. «Die Zahl muss überarbeitet werden.»
Die Härtefallregelung kommt bei Unternehmen zum Tragen, die zusätzlich zu den anderen Massnahmen auf Hilfe angewiesen sind. Gemäss dem Vorschlag des Parlaments und des Bundesrats gilt ein Unternehmen als Härtefall, das verglichen mit den Vorjahren 40 Prozent an Umsatz verloren hat. «Wenn die Voraussetzungen sich ändern sollten, wäre der Bundesrat bereit, das Gesetz mit einem dringlichen Verfahren anzupassen», sagte Maurer. Es sei nun erst einmal darum gegangen, möglichst schnell zu handeln.
MK ist zu Ende
Die Medienkonferenz der drei Bundesräte ist zu Ende. Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. In Kürze folgt eine Zusammenfassung.
Nochmals Berset zu den Wahleingriffen
Wieder die Frage zur Verschiebung von Wahleingriffen, die Berset beantwortet. Diese sei nicht zwingend für die Kantone. «In einigen Kantonen ist die Situation aber dramatisch, die Spitäler sind an der Kapazitätsgrenze oder haben sie bereits überschritten.» Also seien alle Kantone und Spitäler aufgerufen, Wahleingriffe zu reduzieren, um Raum und Kapazitäten für alle anderen zu schaffen.
Frage: Wie wird mit positiv getestetem Pflegepersonal umgangen?
Infiziertes Personal könne nicht arbeiten, sagt Masserey vom BAG. Wer aber in Quarantäne ist, ohne Symptome zu haben, sollte vielleicht von einer Ausnahmeregelung profitieren, sodass die Person trotz Quarantäne arbeiten könne. In der Freizeit sollte die Quarantäne aber weiter gelten.
Frage: Wird es Steuererhöhungen geben?
Wenn die Situation noch über Jahre mit der Pandemie anhalte, sei dann mit Steuererhöhungen zu rechnen, lautet eine Frage. Maurer, der zuvor von einer schwierigen wirtschaftlichen Zeit von 10 bis 15 Jahre gesprochen hat, antwortet: «Steuererhöhungen wären jetzt falsch, auch wenn der Staat mehr Geld braucht. Es braucht eine hohe Ausgabendisziplin, aber Steuererhöhungen kann ich ausschliessen, mit Ausnahme der Altersvorsorge.»
Frage: Gibt es schon eine Triage?
Laut Masserey vom BAG muss momentan noch keine Triage in den Spitälern vorgenommen werden, alle Patienten können behandelt werden.
Frage: Bekommt der Bund das Geld vom Bund zurück?
Maurer: Ja, das sei so gedacht, aber wie genau das laufe, müsse noch geregelt werden. Man wisse nicht, wie lange die Situation anhalte und ob allenfalls noch Massnahmen verschärft werden müssten. Man müsse flexibel reagieren, aber sich immer bewusst sein, dass nicht der Steuerzahler an vorderster Front stehe. Dass die Kaufkraft der Bevölkerung erhalten bleibe, sei zentral. Was die Betriebe angehe, stünden eben auch Eigentümer und Kreditgeber in der Pflicht. Man solle die Krise zudem als Chance sehen, Strukturbereinigungen vorzunehmen, auch wenn das harte Entscheide sein mögen.
Problempunkt Personal
Eine Frage lautet: Gibt es eine Prognose, wie lange die Betten noch reichen, wenn alle nicht dringlichen Operationen verschoben werden?
Berset antwortet: «Wir haben gewisse Erfahrungen aus dem März. Die Intensivbetten, die von Nicht-Covid-Patienten besetzt gewesen waren, haben stark abgenommen. So konnte die Kapazität für Covid-Patienten gesteigert werden. Wir waren im März weit weg von einer Überlastung der Intensivplätze.» Die grosse Frage seien aber nicht die Betten und Beatmungsgeräte, sondern das Personal. «Ein Bett ohne Personal bringt gar nichts.» Das sei die grosse Herausforderung. «Wir glauben aber, dass sich das bewältigen lässt, wenn unsere Massnahmen wirken und wir damit eine starke Abflachung der Kurve erreichen können.»
Virginie Masseray vom BAG ergänzt, dass es momentan 1016 Intensivplätze gebe, das könne auf bis zu 1400 ausgebaut werden. Aber auch Masseray sagt: «Das Problem sind nicht die Plätze, sondern das Personal.»
Frage zu den Forderungen der Kantone/Wahleingriffe
Berset: Im März sei es so gewesen, dass der Bund die Wahleingriffe verboten habe für sechs Wochen. Da habe es eine Diskussion gegeben um Einkommenseinbussen der Spitäler. Der Bund habe da aber klar gesagt, dass er nicht bereit sei, für Mindereinnahmen bei den Spitälern aufzukommen. Jetzt sei es aber eine andere Diskussion: «Es ist jetzt ein klare gesetzliche Pflicht für die Kantone, dass sie alles tun müssen, damit es genügend Plätze gibt. Es ist aber nicht mehr so, dass der Bund im Notrecht Wahleingriffe verbietet wie im Frühling.»
Frage: Was muss passieren, dass der Bundesrat sich für à-fonds-perdu-Beiträge im Sport entscheidet?
Gemäss Amherd laufen die Abklärungen bis Mitte November. «Wir müssen im Kopf behalten, dass es dabei um Steuergeld geht. Es muss auch im Vergleich zur Unterstützung der Wirtschaft verhältnismässig sein. Sollten solche Beiträge für den Sport nötig werden, werden sie an klare Bedingungen geknüpft sein. Dann sollen sie aber auch schnell gesprochen werden können.»
Frage: Werden Gesuche für Armee-Support abgelehnt?
Eine Journalistin möchte wissen, ob die bereits gestellten Anträge auf Unterstützung der Armee abgelehnt würden, weil erst die Kantone besser zusammenarbeiten müssten. Berset erklärt, dass das im Einzelfall geprüft werde. Wichtig sei, dass die Armee jetzt bereit sei, Gesuche schnell zu prüfen und bei berechtigten Gesuchen schnell zu reagieren.
Frage: Wie steht es um die Definition der Härtefälle?
Maurer sagt, dass jetzt ein Unternehmen als Härtefall gelte, das 40 Prozent an Umsatz verloren habe. Um diese Fragen sei im Parlament hart gerungen worden. Die 40 Prozent würden aber nun zum Start in die Verordnung übernommen. Wenn die Voraussetzungen sich ändern sollten, wäre der Bundesrat bereit, das zur Änderung ins Parlament zu geben und die Verordnung entsprechend anzupassen. Es sei nun erst einmal darum gegangen, so schnell wie möglich zu handeln.
Frage: Ist das nicht eine unfaire Behandlung?
Ein Journalist hakt nach, ob es denn fair sei, wenn etwa ein Hotel in einem Kanton unterstützt werde, in einem anderen aber nicht. Maurers Replik: «Es wird unterschiedliche Lösungen in den Kantonen geben, das ist so. Doch dahinter werden strategische Überlegungen stehen. Wir kommen damit vom Gedanken weg, einfach flächendeckend Unterstützung anzubieten.»
Frage: Können Gastrobetriebe als Härtefälle gelten?
Was die Kantone unterstützen, bleibe ihnen überlassen, sagt Maurer. Die Gegebenheiten seien auch regional verschieden. Der Bund stelle allen Kantonen einen Grundbetrag zur Verfügung. Wenn Härtefälle entstehen, müssten aber auch Kreditgeber und Eigentümer geradestehen, und nicht immer der Steuerzahler.
Frage: Ist das nicht alles ein Widerspruch?
Ein Journalist aus dem Wallis stört sich daran, dass Berset sage, es gebe noch Kapazitäten, handkerum werde die Armee mobilisiert. Berset erklärt: «Es kann natürlich nicht sein, dass wir die Armee mobilisieren, um Wahleingriffe in den Kliniken zu schützen. Zu den fünf Tagen, bis die Kapazitätsgrenze an Intensivplätzen erreicht ist, ist noch zu sagen: Das wäre der Fall, wenn der Anstieg gleich schnell weitergehen würde, was nicht der Fall ist, er hat sich leicht abgeschwächt. Und auch die Verschiebung der Wahleingriffe kann noch einmal helfen.»
Amherd fügt hinzu: «Es gibt klare Richtlinien, wann das Militär zur Unterstützung kommen kann. Im März wurde allenfalls noch vereinzelt 'auf Reserve' Militär bestellt. Daraus haben wir gelernt.»
Frage: Gibt es Parallelen zur Lombardei?
Berset: Man habe die Entwicklung beobachtet. Der 14-Tage-Trend in den Spitälern liege unter dem in den Nachbarländern. Die Massnahmen würden hoffentlich bereits ihre Wirkung entfalten. Der Trend sei aber 30 Prozent tiefer als in den Nachbarländern. «Wir möchten, dass Situation sich nicht verschlimmert.» Die Kantone sollten sich solidarisch verhalten, in einigen sei die Kapazitätsgrenze bereits erreicht. Wahleingriffe müssten verschoben werden.
Lesen Sie mehr zum Thema: Interview zur Situation der Spitäler
Frage: Wann sind die Kapazitäten der Intensivstationen überlastet?
Berset antwortet: «Landesweit sei ein Drittel durch Corona-Patienten belegt, ein Drittel durch andere Patienten, ein Drittel sei noch frei. «Doch in den Kantonen ist die Lage teils dramatischer. Ich glaube aber nicht, dass wir schweizweit schon in wenigen Tagen überlastet sein werden. Das Ziel ist es jetzt wirklich, sicherzustellen, dass die Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den Kantonen funktioniert. Die Kantone, welche die Kapazitäten in Privatkliniken noch nicht ausgereizt haben und noch Wahleingriffe durchführen, müssen jetzt handeln.»
Lesen Sie mehr zum Thema: So ausgelastet sind die Spitäler in den Kantonen
Frage: Wieviel Geld braucht es für Härtefälle?
Maurer: Er könne nicht sagen, wie viel es brauchen werde. «Wenn Sie mir sagen, wie sich die Krise entwickelt, kann ich Ihnen sagen, wie viel Geld es geben wird. 400 Millionen sind vermutlich nur eine Anzahlung, wenn ich alleine an die Gastronomie und die Hotellerie denke.» Weitere Corona-Kredite drängten sich derzeit aber nicht auf, auch im Frühling seien rund zwei Milliarden diese Kredite nicht in Anspruch genommen worden.
Regelung ab dem 1. Dezember vorgesehen
Die Inkraftsetzung der Härtefallregel ist laut Maurer auf den 1. Dezember 2020 geplant. die maximale Summe von 200 Millioenn Franken, welche Bund und Kantone zur Verfügung stelle, sei wohl zu niedrig angesetzt worden. Die Verordnung habe also derzeit mehrere Probleme: «Die Definition, was ein Härtefall ist und die Höhe der Härtefall-Entschädigungen. Das heisst nicht, dass sämtliche Betriebe, die Umsatzeinbussen haben, auf Hilfe zählen können. Wir müssen mit Konkursen rechnen und auch die Arbeitslosenzahlen werden steigen.»
Maurer sagt am Ende noch generell (und kann sich einen Seitenhieb im Hinblick auf die nächste Abstimmung nicht verkneifen): «Trotz guten Instrumenten, die wir haben, werden wir wirtschaftlich in einer schwierigen Situation sein. Wir brauchen eine hohe Ausgabendisziplin und ein gutes Wirtschaftsklima. Eine Annahme der Konzerninitiative wäre Gift für unsere Wirtschaft.»
Kantone müssen Härtefälle definieren
Im Frühling sei das Problem gewesen, die Liquidität aufrechtzuerhalten. Heute sei die Situation anders: «Heute braucht es kein Massengeschäft mehr. Die Banken sind so aufgestellt, dass sie Kredite gewähren können. Auch haben wir keinen Lockdown mehr. Wir können uns jetzt auf die Härtefälle konzentrieren.» Der entsprechende Paragraph im Covid-Gesetz sei vom Parlament verabschiedet.
Die Kantone seien im Lead, um Härtefälle zu definieren. Der Bund wird sich mit 50 Prozent beteiligen. «Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir die Verordnung im Oktober erarbeitet haben, mit der zweiten Welle kommen jetzt aber neue Herausforderungen.» Ein Härtefall bestehe bei einem Umsatzrückgang von 40 Prozent und mehr. Da müsse man allenfalls noch einmal über die Bücher, um diese Definition zu prüfen.
SDA/red
Fehler gefunden?Jetzt melden.