Bauprojekt der StararchitektenHerzog & de Meuron sollen Affoltern urbaner machen
90 Wohnungen der Basler Architekten sind auf einem ehemaligen Industrieareal geplant. «Ein Leuchtturmprojekt», sagt die Stadtpräsidentin. «Wollen wir ein Manhattan?», fragt ein Säuliämter.
Ganz schön progressiv. Im Juni überraschte Affoltern am Albis mit der Idee, eine 38-Stunden-Woche einzuführen. Und jetzt will die Stadt Sonderbauvorschriften durchboxen, damit Herzog & de Meuron sechs Holzwohnhäuser bauen können, jene Basler Architekten, die das Olympiastadion in Peking und die Elbphilharmonie in Hamburg entwarfen.
«Wir wollen zeigen, dass Affoltern urbaner wird», sagt Stadtpräsidentin Eveline Fenner (EVP). Und: «Klar macht es Freude, dass dieses renommierte Architekturbüro hier bauen will.»
«Eine radikal nachhaltige Wohnüberbauung»
Die Fabrikhallen auf dem Zena-Areal werden momentan zwischengenutzt. Der Rex-Sparschäler – ein Designklassiker, millionenfach verkauft – wurde hier hergestellt. Doch vor drei Jahren kaufte der Sackmesserhersteller Victorinox die Firma Zena auf; er produziert den Sparschäler seither nicht mehr in Affoltern, sondern in den eigenen Fabriken.
Jetzt soll das Areal im Zentrum von Affoltern überbaut werden. Am Montag wird das Projekt der Bevölkerung vorgestellt. Bis 2027 will Herzog & de Meuron 90 Miet- und Eigentumswohnungen für Ältere, junge Paare und Familien bauen. «Es soll eine radikal nachhaltige Wohnüberbauung werden», schreibt das Architekturbüro.
Der versiegelte Boden des Zena-Areals soll revitalisiert, das Regenwasser gesammelt und wiederverwendet werden. Dazu: ein grosser Veloparkplatz, E-Car-Sharing-Parkplätze, Gemeinschaftsräume, Gewerbeflächen.
Laut Herzog & de Meuron setzt sich das Projekt mit der Frage des Wohnens an einem Ort auseinander, der weder ausschliesslich städtisch noch ländlich geprägt sei.
Bis zum Baustart muss das Projekt noch einige Hürden überwinden. Laut der aktuellen Bauordnung dürfen auf dem Zena-Areal Häuser mit höchstens fünf Geschossen gebaut werden. Für das Projekt von Herzog & de Meuron will die Stadt Affoltern Sonderbauvorschriften walten lassen. Statt nur 14 soll 25 Meter hoch gebaut werden dürfen.
Ein Bilbao-Effekt?
Das gefällt nicht allen. In einem Leserbrief im «Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern» fragte der pensionierte Immobilien-Treuhänder Stefan Kessler: «Wollen wir ein Manhattan?» Er zitiert den dänischen Architekten Jan Gehl, der sagt: «Hochhäuser sind des faulen Architekten Antwort auf die Frage nach Dichte.»
Inzwischen hat sich Stefan Kessler aber wieder beruhigt, wie er sagt. Die Stadt Affoltern habe Kontakt mit ihm aufgenommen. Und per Definition gelte ein Gebäude in der Schweiz erst bei mehr als 25 Metern als Hochhaus. Diese Grenze werden die Holzwohnhäuser auf dem Zena-Areal nicht überschreiten. Und ob der Spielraum komplett ausgenutzt wird, ist ebenfalls noch nicht klar.
Stefan Kessler ist gegen Hochhäuser, «weil sie sehr teuer sind und der soziale Kontakt der Bewohnerinnen und Bewohner verloren geht». Viel eher ein Vorbild ist für Kessler eine baskische Stadt. «Im besten Fall kann Affoltern durch den Bau von Herzog & de Meuron von einem Bilbao-Effekt profitieren», sagt er. Dort führte der Bau des Guggenheim-Museums zu einem wirtschaftlichen und touristischen Aufschwung.
Ganz so grosse Vergleiche macht Stadtpräsidentin Eveline Fenner nicht. Aber auch sie sagt, dass es ein Leuchtturmprojekt sei und sich von normalen Überbauungen abhebe. «Die Holzwohnhäuser würden Affoltern aufwerten», sagt Fenner. Eine gewisse Höhe der Häuser sei nötig, damit sich das Projekt rechne. Dadurch werde Affoltern definitiv nicht zu einem Manhattan. Doch es sei wichtig, verdichtet zu bauen, weil der Wohnraum knapp sei.
Neben dem geplanten Projekt in Affoltern am Albis baut das Architekturbüro Herzog & de Meuron auch in der Stadt Zürich. Bis Ende 2027 wird die UBS am Paradeplatz umgebaut. An den Fassaden werden Pflanzen emporwachsen. Der Innenhof soll öffentlich zugänglich werden.
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