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Fussballtragödie in Indonesien
Hat der Polizeieinsatz die Panik und die Toten verursacht? 

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Die Toten waren noch nicht gezählt, als der Fussballverein Arema FC sich schon bei den Familien seiner Fans entschuldigte, für das Desaster, das sich für immer in die Geschichte der Menschen einbrennen wird, die mit dem Fussballspiel am Samstagabend in Malang, in Ost-Java, in Berührung gekommen sind.

125 Tote sind es bislang, darunter 17 Kinder. Hunderte Verletzte werden noch behandelt. Am Montag schilderte Malangs Bürgermeister Sutiaji, was er von Zeugen gehört hatte. «Wir haben hier einen Fünftklässler, der mitansehen musste, wie seine beiden Eltern gestorben sind», sagte er in einer Videoansprache. Das Kind habe den gesamten Sonntag keinen Ton gesagt. «Er ist ein Einzelkind und nun bei seinem Grossvater.» 

Die Tränen zuvorderst: Spieler und Offizielle des Arema FC trauern um die Opfer.

Dann versprach er Hilfe und psychologische Betreuung für die Hinterbliebenen und die Zeugen des Desasters. Auch soll nach den Verursachern gefahndet werden, eine Untersuchungskommission sei eingesetzt worden. Einfach aber dürfte das nicht werden. Gewalt und Auseinandersetzungen zwischen Hooligans sind im indonesischen Fussball üblich. Die indonesische Polizei agiert meistens mit Abschreckung und Härte statt deeskalierend, auch bei dem Spiel am Samstag waren die Polizisten mit Kampfmontur und Hunden im Einsatz.

Überfülltes Stadion

Das Stadion war mit etwa 42'000 Besuchern überfüllt, zugelassen ist es nur für 38'000, doch das war nicht der Grund für das Unglück. Arema FC hatte gegen den Erzrivalen Persebaya Surabaya verloren, etwa 3000 wütende Fans stürmten daraufhin das Feld. Aber selbst da hätte alles noch aufgelöst werden können. Erst als die Polizei Tränengas in die Menschenmenge schoss, brach Panik aus. Die Menschen versuchten durch die Tore des Kanjuruhan-Stadions zu fliehen, von hinten drückten die Nachrückenden, vorne ging nichts weiter. Nach bisherigem Kenntnisstand sind die meisten Opfer erstickt.

Auf den Platzsturm folgte die Massenpanik: Fans rennen nach dem Schlusspfiff auf den Rasen. 



Neben dem schmalen Tor und den eingedrückten Stahltüren erkennt man auf Fotos, die nach dem Ereignis gemacht wurden, dass die Fliehenden, die gegen die Wand gepresst wurden, versucht haben, ein Loch in ein zugemauertes Fenster neben dem Ausgang zu schlagen.

Das Desaster wird sich einreihen in die lange Geschichte grosser Stadionunglücke, doch in Malang ist keine Tribüne zusammengebrochen und die Menschenmenge ist nicht ohne Grund ausser Kontrolle geraten. Die Fifa-Regeln sehen vor, dass in keinem Fall Tränengas in einem Fussballstadion eingesetzt werden darf. Weder von den Fans noch von der Polizei.

Unter den Toten waren auch zwei Polizisten, so unübersehbar war die Lage bei dem Einsatz geworden. «Es wurde anarchisch, sie haben Polizisten angegriffen und Autos zerstört» sagte Nico Afinta, Polizeichef von Ost-Java auf einer ersten Pressekonferenz danach. «Aber wir sollten auch dazu sagen, dass nicht alle sich anarchisch aufgeführt haben. Es waren nur 3000, die auf das Feld gelaufen sind.»

Bislang deutet alles daraufhin, dass es der Polizeieinsatz war, der die Panik und die Toten verursacht hat. Die «Straits Times» berichtet am Montag, dass die Menschen aus der Kleinstadt Malang Blumen am Stadion ablegen, um der Opfer zu gedenken. Über Nacht hat jemand das Kürzel «ACAB» an die Wand gesprüht, ein auch in Schweiz bekanntes Akronym für «All Cops Are Bastards».

«Das Beunruhigendste ist, dass diese Katastrophe hätte verhindert werden können, wenn die Polizei solch exzessive, unnötige Gewalt vermieden hätte», kommentierte die Zeitung «Jakarta Post» und fügte hinzu, jemand müsse für diese «dunkle Episode im indonesischen Fussball» zur Rechenschaft gezogen und notfalls auch vor Gericht gestellt werden.

Ein demoliertes Polizeiauto im Stadion. Auch zwei Polizisten kamen bei der Stadiontragödie ums Leben

Spiele werden vorerst ausgesetzt

Nachdem der indonesische Fussballverband als Erster eine Untersuchung angekündigt hatte, waren auch Zweifel laut geworden. «Es genügt nicht, wenn die nationale Polizei und der indonesische Fussballverband ihre eigenen Untersuchungen veranlassen, denn sie könnten versucht sein, ihre Verantwortung herunterzuspielen», hatte beispielsweise Phil Robertson gesagt, der stellvertretender Direktor von «Human Rights Watch» in Asien.

Nach einer Sondersitzung der Regierung wurde am Montag bekannt, dass nun ein unabhängiges Expertenteam die Ursachen für die Katastrophe herausfinden soll. Es werde aus Regierungsbeamten, Vertretern des Fussballverbandes, Experten, Akademikern und Journalisten bestehen, sagte Sicherheitsminister Mohammad Mahfud. «Es wird erwartet, dass das Team seine Arbeit in zwei oder drei Wochen abgeschlossen hat.»

Die Fans der beiden Vereine sind nicht zum ersten Mal aufeinander losgegangen. Um Ausschreitungen zu verhindern, durften die Anhänger von Persebaya Surabaya nicht einmal Karten für das Spiel kaufen. Doch offenbar genügten Hooligans nur eines Vereins und die harte Reaktion der Polizei, um die Situation eskalieren zu lassen.

Indonesiens Präsident Joko Widodo sagte am Sonntag in einer Ansprache, dies solle «die letzte Fussballtragödie der Nation» sein. Er ordnete an, dass die Spiele der ersten Liga für den Zeitraum der Untersuchung ausgesetzt werden sollen.