Fussballtragödie in IndonesienPolizei korrigiert die Zahl der Toten nach Massenpanik auf 125
Ein Erstliga-Spiel in der Provinz Ost-Java ist völlig ausser Kontrolle geraten. Viele der Opfer wurden zu Tode getrampelt, es ist eine der schwersten Sportstadion-Katastrophen der Welt.
Die Behörden in Indonesien haben die Zahl der Todesopfer nach den gewaltsamen Ausschreitungen bei dem Fussballspiel in der Stadt Malang auf 125 korrigiert – nachdem sie wenige Stunden zuvor von 174 Todesopfern gesprochen hatten. «Einige Namen wurden zweimal erfasst, da sie in ein anderes Krankenhaus verlegt und dort erneut aufgeschrieben wurden», sagte Emil Dardak, Vizegouverneur der indonesischen Provinz Ostjava, am Sonntag dem Sender Metro TV. 124 von 125 Todesopfern seien inzwischen identifiziert worden. Die Tragödie in Malang war eine der schwersten Sportstadion-Katastrophen der Welt.
Der indonesische Präsident Joko Widodo hat nun eine Sicherheitsüberprüfung der Fussballspiele des Landes angeordnet. Der Sport- und Jugendminister des Landes, der nationale Polizeichef und der Chef des indonesischen Fussballverbandes wurden angewiesen, «eine gründliche Bewertung der Fussballspiele und der Sicherheitsverfahren vorzunehmen», sagte Widodo in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung.
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Nach dem Spiel stürmten nach Polizeiangaben wütende Fans ein Fussballfeld, nachdem ihr Verein Arema FC das Spiel gegen den Erzrivalen Persebaya Surabaya 2:3 verloren hatte – die erste Niederlage seit mehr als zwei Jahrzehnten. Die Polizei versuchte daraufhin eigenen Angaben zufolge, die Fans zur Rückkehr auf die Ränge zu bewegen und feuerte schliesslich Tränengas in die Menge, nachdem zwei Polizisten getötet worden waren. Dies löste Polizeiangaben zufolge eine Massenpanik aus.
An einem Ausgang sei es zum Stau sowie zu «Atemnot und Sauerstoffmangel» gekommen, erklärte der örtliche Polizeichef Nico Afinta. Viele der Opfer wurden demnach zu Tode getrampelt.
Organisatoren haben angeblich die Empfehlung der Behörden ignoriert
Beim Sender Kompas TV berichtete ein Zeuge: «Als wir auf die Tribüne zurückkehrten, feuerte die Polizei Tränengas ab. Wir kämpften uns zum Ausgang durch. Es war überfüllt, heiss und zum Ersticken.» Ein zweiter Zuschauer behauptete, das Chaos sei erst ausgebrochen, nachdem die Polizei mit Gewalt gegen Zuschauer auf dem Spielfeld vorgegangen sei.
Polizeichef Afinta wehrte sich gegen die Vorwürfe. «Wenn sich die Fans an die Regeln gehalten hätten, wäre es nicht zu diesem Vorfall gekommen», sagte er. Auch ausserhalb des Stadions kam es zu Unruhen. Insgesamt sollen 13 Fahrzeuge und Teile des Stadions beschädigt worden sein. Die Bilder von Fotografen deuten das ungeheure Ausmass des ganzen Chaos an: demolierte Polizeiautos im Stadion, brennende Gegenstände, Rauchschwaden und Menschen, die entweder tot oder schwer verletzt vom Platz getragen werden.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International setzt sich derweil für eine Untersuchung des Tränengaseinsatzes durch die Polizei ein. Es müsse sichergestellt werden, «dass eine derartige herzzerreissende Tragödie nie wieder passiert», sagte Usman Hamid von Amnesty International in einer Mitteilung. Tränengas solle niemals auf begrenztem Raum eingesetzt werden.
Der indonesische Fussballverband setzte die Erstliga-Spiele daraufhin für eine Woche aus. Er untersagte dem Arema FC zudem für den Rest der Saison die Austragung von Heimspielen und kündigte an, ein Team nach Malang zu schicken, um die Ursache der Ausschreitungen zu ermitteln. «Wir bedauern den Vorfall und entschuldigen uns bei den Familien der Opfer und allen Beteiligten», sagte der Verbandsvorsitzende Mochamad Iriawan.
Die Organisatoren hätten die Empfehlung der Behörden ignoriert, das Spiel am Nachmittag statt am Abend abzuhalten, sagte der indonesische Koordinationsminister für politische, rechtliche und sicherheitspolitische Angelegenheiten, Mahfud MD. Ihm zufolge empfahl die Regierung, nur 38’000 Eintrittskarten zu drucken. Stattdessen seien sämtliche 42’000 Stadionplätze verkauft worden.
Spieler reisen unter Schutz
Die Regierung habe die Durchführung von Fussballspielen verbessert und werde dies auch weiterhin tun, doch der von der breiten Öffentlichkeit geliebte Sport provoziere oft «plötzliche Emotionen», schrieb der Minister im Online-Bilderdienst Instagram.
Gewalt durch Fans ist ein Problem in Indonesien. Tiefe Rivalitäten ziehen dabei oft tödliche Auseinandersetzungen nach sich. Manche Spiele sind so aufgeladen, dass die Spieler der Spitzenmannschaften unter Schutz zu Auswärtsspielen reisen müssen.
Das Unglück hat auch die Fussball-Welt erschüttert. Es sei «eine Tragödie jenseits aller Vorstellungskraft» und markiere einen «dunklen Tag» in der Geschichte des Fussballs, sagte Gianni Infantino, Präsident des Weltverbands FIFA. «Die Fussball-Welt ist nach den tragischen Vorfällen in einem Schockzustand».
Auch Papst Franziskus äusserte sich tief betroffen. «Ich bete auch für diejenigen, die bei den Zusammenstössen nach einem Fussballspiel in Malang, Indonesien, ihr Leben verloren haben und verletzt wurden», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche nach dem Angelus-Gebet vor Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom.
Weltweit gilt das Unglück im britischen Hillsborough-Stadion im Jahr 1989 als eines der verheerendsten, als beim Zusammenbruch der Tribünen 97 Fans des FC Liverpool ums Leben kamen. 2012 starben in Port Said in Ägypten bei Stadion-Ausschreitungen nach einem Fussballspiel 74 Menschen. 1964 wurden bei einer Massenpanik während eines Olympia-Qualifikationsspiels zwischen Peru und Argentinien im Nationalstadion von Lima 320 Menschen getötet und mehr als 1000 verletzt.
AFP/chk
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