50 Jahre Hard Rock CafeHamburger, Claptons Gitarre, Trumps Rücken und McEnroes Mittelfinger
Zwei 20-jährige US-Expats in London vermissen ein Stück Heimat. Also eröffnen sie in einer ausgedienten Rolls-Royce-Filiale ein Hamburger-Lokal. Und dann kommt dieser bereits bekannte Gast, um zu bleiben. Der Beginn des Hard Rock Cafes.
An Kaffee denkt nun wirklich niemand, beim Hard Rock Cafe. Nicht mal ansatzweise. Auch die beiden Gründer, die US-Expats Isaac Tigrett und Peter Morton, beide Anfang zwanzig, hatten alles andere als das Brühgetränk im Kopf, als sie am 14. Juni 1971 das erste Hard Rock Cafe in London eröffneten.
Zuvor hatten Tigrett und Morton in London erfolglos nach Hamburgern und Pommes frites gesucht, die ihnen geschmeckt hätten. In einer ehemaligen Filiale der Edelmarke Rolls-Royce fanden sie eine verfügbare Lokalität. Ihr Vermieter gewährte ihnen allerdings anfangs nur einen Vertrag über sechs Monate. Doch die Lage an der Old Park Lane – nur einen Steinwurf vom Buckingham Palace entfernt – war perfekt gewählt. Illustre Kundschaft sollte folgen.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Die Rock-’n’-Roll-Kellnerin
Zur gleichen Zeit erhielt Rita Gilligan einen Zuruf ihres Ehemannes, der gerade die Stellenanzeigen im «Evening Standard» durchblätterte: «Sie suchen Leute wie dich», rief Mr. Gilligan. «Ältere Frauen – Ende 30, 40 und 50.» Rita war damals 29 Jahre alt. Zu jung eigentlich, aber trotzdem fuhr sie ins Zentrum von London. «Ich war reif und wusste alles über das Leben.» Was sie damals nicht wusste, war, dass sie fünf Jahrzehnte als Angestellte des Hard Rock tätig sein und dabei die berühmtesten Gesichter der Zeit zu sehen bekommen würde.
Muhammad Ali, die Beatles, die Rolling Stones, Liza Minnelli, Bruce Springsteen, Prinz Harry und Schauspieler Paul Newman (ihr Herzensschwarm): Alle haben sich mit ihr unterhalten. Nicht gesprochen mit ihr hat ein anderer Prominenter: «John McEnroe kam als junger Top-Tennisspieler ins Cafe. Er war ein unhöfliches kleines Ding und hat mir den Mittelfinger gezeigt – kannst du das glauben?»
Zu ihrer ersten Begegnung mit den Gründern sagte Gilligan: «Ich hatte erwartet, von einem Mann im Smoking begrüsst zu werden. Stattdessen stand ein junger Mann an der Tür, der aussah wie ein Hippie – lange Haare, Jeans. Ich hielt ihn für einen Tellerwäscher, nickte ihm freundlich zu und ging vorbei. Er fragte mit amerikanischem Akzent: «Kann ich Ihnen helfen, Ma'am?» Sie suche den Manager oder den Oberkellner, antwortete Gilligan, «Nicht nötig, ich bin der Besitzer.» Es stellte sich heraus, dass es Hard-Rock-Mitgründer Peter Morton war. «Er fragte mich, wie alt ich sei, und ich sagte 32. ‹Zu jung›, sagte er, aber ich sagte ihm: ‹Ich bin die Beste, die du bekommen wirst, also nimm mich besser.› Er lachte und sagte: ‹Du bist eingestellt.›»
«Es war nicht mehr als die verrückte Idee von zwei klugen amerikanischen Hippies».
«Niemand dachte, dass die beiden Erfolg haben würden», so Gilligan, die mit Ende 70 als Botschafterin des Hard Rock Cafe weltweit neue Filialen eröffnet. «London war damals ganz anders als heute. Fast Food und laute Musik? Das klang bekloppt für mich. Das hat man in einem Restaurant damals einfach nicht gemacht.»
Was Clapton kann, kann Townshend schon lang
Tigrett und Morton setzten nicht nur auf Essen im American Style, sondern auch auf Livemusik, und lockten somit immer mehr Gäste ins Lokal. Stammgast wurde unter anderen Eric Clapton. Ihm und einem Nacheiferer ist es zu verdanken, dass jedes Hard Rock Cafe heute nicht nur Restaurant, sondern auch eine Art Musikmuseum ist.
Als das Lokal 1971 eröffnet wurde, gab es die unzähligen Rock-’n'-Roll-Erinnerungsstücke an den Wänden und in den Vitrinen, für die das Unternehmen berühmt ist, noch nicht. Sieben Jahre später war Clapton einer der ersten prominenten Stammgäste des Lokals. Stammplatz inklusive. Deshalb bat er darum, seine Gitarre über seinem Lieblingsplatz aufzuhängen.
Als The-Who-Gitarrist Pete Townshend das eine Woche später sah, fuhr er angeblich nach Hause und schickte dem Restaurant mit einem Kurier seine eigene Gitarre.
Mittlerweile verfügt die Kette über 70’000 Ausstellungsstücke. Ob ersteigert oder geschenkt bekommen: Es ist die grösste Musikexponatensammlung der Welt. Darunter gehören neben unzähligen Gitarren das Schlagzeug von Led-Zeppelin-Drummer John Bonham, ein purpurner Samtanzug von Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards und eine Lederjacke von Madonna.
Der Merchandising-Shop in London, der auf der anderen Strassenseite des Hard Rock Cafes in einer ehemaligen Bank errichtet wurde, beherbergt im Keller in einem begehbaren Safe ein Museum. Dort kann man auf Anfrage ganz besondere Rock-’n’-Roll-Souvenirs bestaunen – etwa das Cembalo, das die Beatles in den Abbey Road Studios für die Aufnahmen zu «Sgt Pepper's Lonely Hearts Club Band» benutzten, eine Kirchenbank aus dem Nachlass von Jimi Hendrix und einen Mantel von Elvis Presley.
Tempi passati trifft auf Neuzeit
Was also klein begann, hat sich zu einem milliardenschweren Grosskonzern entwickelt, der inzwischen nach eigenen Angaben über 180 Restaurants, 25 Hotels und 11 Casinos in 75 Ländern betreibt. Vom ursprünglichen Flair des ersten Hard Rock Cafes ist in den meisten Filialen nicht mehr viel zu spüren. Aus den Lautsprechern dröhnt kaum noch Rock von Cream, The Doors oder Led Zeppelin, stattdessen angesagte Popmusik von Ariana Grande oder Calvin Harris.
Auf dem Menü stehen längst nicht mehr nur Burger, Steak und Chili con Carne, sondern auch vegane Alternativen. Und der Merchandising-Shop ist heute mindestens genauso wichtig wie das Restaurant. In 50 Jahren ist aus einem rebellischen Kultlokal ein internationaler Konzern geworden, eine wirtschaftliche Goldgrube. Davon profitiert vor allem ein Stamm amerikanischer Ureinwohner.
Verkauf an den Indianerstamm
Nach mehreren Eigentümerwechseln übernahm 2007 ein Investor aus den USA für fast eine Milliarde Dollar die Kette. Allerdings handelte es sich nicht um eine Private-Equity-Gesellschaft oder einen Hedgefonds, sondern um einen Stamm amerikanischer Ureinwohner. Während viele Ureinwohner in Amerika ein tristes Dasein in verarmten Reservaten fristen, hat der Seminole Tribe of Florida mit Casinos ein Vermögen gemacht.
Die Seminolen nennen sich selbst «die Unbesiegten» und «den einzigen Stamm Amerikas, der noch nie einen Friedensvertrag unterzeichnete». Fest steht: In der hart umkämpften Glücksspielbranche ist der Stamm aus Florida ein Schwergewicht.
Und auch mit dem Kauf der Hard-Rock-Kette bewiesen die Seminolen ein glückliches Händchen, wie der damalige Häuptling James Billie 2015 bei einem Besuch der Filiale in Berlin erklärte. Der Umsatz sei innerhalb von zehn Jahren von 700 Millionen auf 3,9 Milliarden Dollar gestiegen, hiess es damals. Zuletzt lagen die jährlichen Erlöse nach Angaben des Restaurant-, Hotel- und Casino-Imperiums schon bei mehr als 6,0 Milliarden Dollar. Trotz der Pandemie bleibt Hard Rock also gut im Geschäft – nicht zuletzt aufgrund der Merchandising-Einnahmen.
Denn auch wenn der Rock-’n'-Roll-Vibe der Anfangszeit etwas verflogen sein mag, hat die Marke weiter hohe Strahlkraft. Das schlachtet das Unternehmen unter anderem mit einem riesigen Onlineshop für Fanartikel aus. Das Logo des 2017 gestorbenen Designers Alan Aldridge wurde irgendwann zum Erkennungszeichen der Globetrotter.
Mit dem T-Shirt aus dem Hard-Rock-Shop konnte man zeigen, wo man war. Von «Hard Rock Cafe Los Angeles» oder «Hard Rock Cafe Buenos Aires» bis zu Exoten wie «Hard Rock Cafe Chiang Mai» oder «Hard Rock Cafe Port El-Kantaoui», das Shirt war ein beliebtes Reisesouvenir auch bei vielen Touristen, die gar nicht erst zum Essen Platz nahmen.
Erst seit 2018 ist die Kette auch in der Schweiz vertreten. Als Hotel, dessen Einrichtung mit Sammelstücken der Musikgeschichte aufgepeppt wurde: Eine Fender Telecaster von Bruce Springsteen, ein Synthesizer von Depeche Mode oder eine Bassgitarre von Kiss hängen an den Wänden. Madonna spendete einen glitzernden Minirock.
Neben dem ersten Hard Rock Cafe gibt es in der britischen Hauptstadt noch ein zweites am berühmten Piccadilly Circus und auch ein Hard Rock Hotel. In der Old Park Lane, wo einst alles begann, läuft auch heute aus Prinzip fast nur Rockmusik, wie ein Mitarbeiter versichert, von ZZ Top über The Clash bis Guns N' Roses. Und zum 50. Jubiläum am 14. Juni soll wirklich wieder alles wie früher sein. Für einen Tag gilt im Hard Rock Cafe die Speisekarte von 1971 mit den Preisen von damals. Den berühmten Hamburger gibt es dann schon für 50 Pence. Aber an Kaffee denkt immer noch keiner.
nag
Fehler gefunden?Jetzt melden.