Krieg in NahostHamas-Chef in Teheran getötet – das ist bislang bekannt
Der Politchef der Hamas kam bei einem Angriff in Teheran ums Leben. Angeblich traf ein Lenkflugkörper die Residenz von Ismail Haniya.
Was ist passiert?
Der Chef des Hamas-Politbüros, Ismail Haniya, ist nach Angaben der islamistischen Palästinenserorganisation und der iranischen Revolutionsgarden in Teheran getötet worden. Er sei infolge einer Attacke auf seine Residenz ums Leben gekommen, teilte die Hamas mit.
Wer ist für den Anschlag verantwortlich?
Zunächst reklamierte niemand den Angriff für sich, der Verdacht fiel jedoch schnell auf Israel, das im Gazastreifen Krieg gegen die militant-islamistische Palästinenserorganisation führt. Die Hamas sprach von einem «zionistischen Luftangriff» auf Haniyas Residenz in Teheran, nachdem dieser an der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian am Dienstag teilgenommen habe. Von israelischer Seite gab es dafür vorerst keine Bestätigung.
Unter welchen Umständen starb der Hamas-Chef?
Iranische Staatsmedien berichten, dass der Anschlag ungefähr um zwei Uhr nachts stattgefunden habe. Gemäss Nachrichtenagentur IRNA sei das Gebäude, in dem sich Haniya befand, von einem «luftgestützten Lenkflugkörper» getroffen worden. Dafür gab es aber zunächst keine Bestätigung von offizieller Seite. Nach Angaben der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) kam ausser Haniya auch einer seiner Leibwächter ums Leben. Ursache und das Ausmass des Vorfalls werde untersucht, die Ergebnisse würden später bekannt gegeben, teilten die Revolutionsgarden am frühen Morgen mit.
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Wie reagieren die Akteure in der Region?
Ein ranghoher Vertreter der islamistischen Palästinenserorganisation hat mit Konsequenzen gedroht. Musa Abu Marsuk, Mitglied des Hamas-Politbüros, erklärte am Mittwoch, die «Ermordung» Haniyas sei eine «feige Tat» und werde «nicht unbeantwortet bleiben». Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einer «feigen Tat» und rief die Palästinenser zu Einigkeit gegenüber Israel auf.
Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Hussein Al-Scheik, schrieb auf der Plattform X, seine Organisation verurteile «den Mord an dem nationalen Führer» Haniya. Er sprach von der Notwendigkeit der Einigung der verschiedenen palästinensischen Gruppen und Fraktionen.
Ein Bündnis der verschiedenen politischen Gruppen im Westjordanland rief als Reaktion auf den Tod Haniyas zu einem Generalstreik auf. Ausserdem solle an Kontrollpunkten die Konfrontation mit israelischen Soldaten gesucht werden, hiess es. Ob es sich dabei um Demonstrationen oder Angriffe handeln sollte, blieb unklar.
Nach Berichten über den Tod des Hamas-Chefs hat die Türkei dessen «schändliche Ermordung» verurteilt. «Dieser Angriff zielt auch darauf ab, den Gaza-Krieg auf eine internationale Dimension auszuweiten», erklärte das türkische Aussenministerium am Mittwoch. Die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe erneut gezeigt, dass «sie nicht die Absicht hat, Frieden zu schaffen», hiess es weiter.
Der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, hat eine Vergeltung für den Tod Haniyas in Teheran angekündigt. «Das kriminelle zionistische Regime (Israel) hat unseren Gast in unserem Haus ermordet», wurde Chamenei auf seiner Website zitiert. «Es wird eine harte Bestrafung geben.» Auch der neue iranische Präsident, Massud Peseschkian, kündigte Vergeltung an. Sein Land werde seine territoriale Integrität verteidigen und dafür sorgen, dass jene, die für den Angriff auf Haniya verantwortlich seien, ihre Aktion bereuen würden.
Wie äussern sich die USA?
Die USA waren nach Angaben von Aussenminister Antony Blinken nicht am gewaltsamen Tod von Hamas-Führer Ismail Hanija beteiligt. Auch habe die US-Regierung von der Tötung nichts gewusst, sagte Blinken bei einem Besuch in Singapur dem örtlichen Sender Channel News Asia (CNA).
Blinken betonte erneut die Notwendigkeit einer Waffenruhe im Gazastreifen, um die Spannungen in Nahost abzubauen. «Wir werden so lange daran arbeiten, bis wir dahin kommen», sagte er. Eine Waffenruhe sei nicht nur von entscheidender Bedeutung, um das Leiden der Palästinenser in der Region zu beenden, sondern auch, um die Geiseln heimzuholen.
«Eines der Dinge, auf die wir uns konzentriert haben, ist sicherzustellen, dass sich der Konflikt (…) nicht ausbreitet, nicht auf andere Orte übergreift, nicht eskaliert, und das werden wir auch weiterhin tun», fügte er hinzu.
Wer ist überhaupt Haniya?
Haniya lebte als Politchef der Hamas seit vielen Jahren im Ausland und hielt sich vor allem in Katar und der Türkei auf. Von dort steuerte er die politischen Aktivitäten der Terrororganisation. Laut Karim Khan, dem Chefermittler des Internationalen Strafgerichtshofs, soll Haniya auch für die Terroranschläge vom 7. Oktober mitverantwortlich sein. Im vergangenen Mai beantragte Khan einen Haftbefehl gegen ihn.
Haniya ist schon lange ein militärisches Ziel für Israel. Seit dem Krieg gegen die Hamas sind bei israelischen Angriffen viele Familienmitglieder Haniyas getötet worden. Im April tötete die Armee bei einem Luftschlag drei seiner Söhne. Damals liess sich Haniya folgendermassen zitieren: «Ich danke Gott für diese Ehre, die er uns mit dem Märtyrertod meiner drei Söhne und einiger Enkelkinder erwiesen hat.» Mehr zu Ismail Haniya lesen Sie hier.
Was macht den Zeitpunkt so brisant?
Die Nachricht von HaniyasTötung folgte nur wenige Stunden nach einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dabei wurde nach Angaben der israelischen Armee Fuad Schukr getötet, ein ranghoher Kommandeur der Schiitenmiliz Hizbollah. Die Hizbollah ist mit der Hamas im Gazastreifen verbündet, beide sind wiederum verbündet mit Israels Erzfeind Iran.
Seit dem Terrorüberfall der Hamas und anderer Gruppen auf Israel am 7. Oktober greift die Hizbollah aus Solidarität mit der Hamas Ziele im Norden Israels an. Ihre Angriffe will sie erst einstellen, wenn es in Gaza zu einem Waffenstillstand kommt.
Wieso war er in Teheran?
Haniya habe vor seinem Tod an der Zeremonie zur Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen, teilte die Hamas auf ihrem Telegram-Kanal mit.
Der als moderat geltende 69-jährige Peseschkian war im Parlament in Teheran vereidigt worden und nimmt somit offiziell die Amtsgeschäfte als neunter Präsident der Islamischen Republik auf. An der Vereidigungszeremonie nahmen nach iranischen Angaben hochrangige Vertreter aus 86 Ländern teil. Die meisten westlichen Länder hatten Peseschkian weder zum Wahlsieg gratuliert noch standen ihre Vertreter auf der Gästeliste des Parlaments.
DPA/AFP/jaw
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