US-Präsident im KriegsgebietBiden bringt Israel Munition, zieht aber rote Linien
Der US-Präsident sichert seinem Gastgeber Netanyahu grosszügige Unterstützung zu, warnt aber vor einer Besetzung des Gazastreifens.
US-Präsident Joe Biden hat Israel am Mittwoch einen Blitzbesuch abgestattet. «Ich möchte, dass das israelische Volk und die Welt wissen, wo wir stehen», sagte er in Tel Aviv, und damit das auch jeder sogleich sehen konnte, trug er eine Krawatte in den Farben Israels, in Blau und Weiss. Ein eindrückliches Zeichen der Solidarität also will Washington aussenden mit dieser Reise – einerseits. Andererseits geht es um konkrete militärische Hilfe – und darum, welchen Preis Israel dafür zu zahlen hat.
Biden ist der erste US-Präsident, der Israel mitten in einem Krieg besucht. In den wenigen Stunden seines Aufenthalts traf er Premierminister Benjamin Netanyahu und Präsident Isaac Herzog und nahm im Hauptquartier der israelischen Armee an einer Sitzung des sogenannten Kriegskabinetts teil.
«Wir werden die Hamas besiegen und diese schreckliche Bedrohung aus unserem Leben entfernen.»
Netanyahu dankte ihm überschwänglich, dass er Israel zur Seite stehe, «heute, morgen und immer». Zugleich machte er Biden klar, warum sein Land nun einen Kampf mit voller Härte führen müsse. «Zwanzigmal 9/11», so hoch sei die Zahl der israelischen Toten durch den Terrorüberfall der Hamas hochgerechnet auf die Bevölkerung der USA. «Wir werden die Hamas besiegen und diese schreckliche Bedrohung aus unserem Leben entfernen», erklärte er.
Warnung an die Hizbollah
Dafür wird er von Biden volle Unterstützung bekommen – nicht nur in Gaza, sondern auch an der möglichen zweiten Front zum Libanon und darüber hinaus gegenüber dem Iran. Der US-Präsident hat diese beiden Staaten bereits knapp und deutlich vor einem Kriegseintritt gewarnt: «Tuts nicht.»
Auf Worte folgte Waffenhilfe: Grosse Mengen Munition werden bereits von den USA nach Israel geliefert. Berichten zufolge hat Israel eine zusätzliche US-Militärhilfe in Höhe von zehn Milliarden Dollar erbeten. Überdies wurden zwei amerikanische Flugzeugträger in die Region entsandt. Für die Hizbollah und den Iran soll dies eine Abschreckung sein. Für Israel ist es eine Rückversicherung, die auch mögliche Gedanken an einen Präventivschlag verdrängen soll.
Biden will Konflikt beeinflussen
Doch all die amerikanische Unterstützung bedeutet nicht, dass Washington seinem Verbündeten eine Carte blanche erteilt in diesem Krieg. Biden geht es nicht nur darum, Israel in unvergleichlicher Weise zu helfen. Er will dadurch auch Einfluss gewinnen auf den Verlauf des Konflikts. Schliesslich geht es in Nahost immer auch um US-Interessen. Man kann daraus aber auch ein deutliches Misstrauen gegen Israels Führung ablesen. Biden kennt Netanyahu lange und gut genug, um ihm auch Destruktives zuzutrauen.
«Die Hamas repräsentiert nicht das gesamte palästinensische Volk.»
Die amerikanische Unterstützung ist deshalb grosszügig, aber nicht grenzenlos. Biden zieht gleich mehrere rote Linien für den Krieg um Gaza. Schon vor Beginn einer Bodenoffensive warnt er die israelische Regierung, dass eine Wiederbesetzung des palästinensischen Küstenstreifens «ein schwerer Fehler» wäre. Zudem richtet er den Blick auf die vom Krieg betroffene Zivilbevölkerung. «Die Hamas repräsentiert nicht das gesamte palästinensische Volk», sagte er in Tel Aviv und fordert von Israel «lebensrettende Massnahmen, um all den Palästinensern zu helfen, die unschuldig mitten in diesem Konflikt gefangen sind».
Drama in Krankenhaus wirkt sich auf Bidens Mission aus
Welchen Gefahren die 2,3 Millionen Bewohner des Gazastreifens ausgesetzt sind, war auf dramatische Weise klar geworden, kurz bevor Biden zu dieser Reise aufbrach: Fast 500 Tote wurden durch die Explosion in einem Spital in Gaza-Stadt gemeldet. Die Hamas beschuldigt Israel. Israel weist jede Verantwortung zurück und erklärt die Katastrophe mit einer fehlgeleiteten Rakete, die vom Islamischen Jihad in Gaza abgefeuert worden sei. Biden unterstützte in Tel Aviv zwar die israelische Sichtweise. «Es sieht so aus, als ob es vom anderen Team gemacht wurde, nicht von Ihnen», sagte er. Aber er schränkte auch ein, «es gibt eine Menge Leute da draussen, die sich nicht sicher sind». Wegen des blutigen Vorfalls musste sich Biden bei seiner Nahostreise auf einen Kurzbesuch in Israel beschränken. (Lesen Sie dazu die Analyse zum Angriff auf das Spital im Gazastreifen.)
Der Vorfall führt Biden vor Augen, wie kompliziert diese Mission für Washington werden kann. Denn bei aller politischen und auch persönlichen Nähe des US-Präsidenten zu Israel muss er stets auch seine arabischen Verbündeten von Amman über Kairo bis nach Riad im Blick behalten. Dort heizt der Krieg um Gaza die Stimmung auf den Strassen auf. Der Zorn auf Israel setzt die Herrscher unter Handlungsdruck. Biden hat nun mit seiner Reise demonstriert, dass von einem Rückzug der USA aus Nahost keine Rede sein kann.
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