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Regionalwahlen in Deutschland
Die beliebten Amtsinhaber setzen sich durch

Versteht seinen Sieg als Vertrauensbeweis der Bürgerinnen und Bürger: Der 72-jährige baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen.
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Vor 10 Jahren war der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands noch eine Sensation gewesen, nun dominierte er wie selbstverständlich: Winfried Kretschmanns Partei steigerte sich bei den Landtagswahlen auf eine neue Bestmarke und liess die einst übermächtigen Christdemokraten so weit hinter sich wie noch nie. «Baden-Württemberg und Grün – das passt zusammen», freute sich Kretschmann in Stuttgart.

Der 72-jährige öko-konservative Pragmatiker ist der entscheidende Grund für den Triumph seiner Partei: Laut Umfragen wollten 70 Prozent der acht Millionen Wählerinnen und Wähler von Baden-Württemberg ihn als Regierungschef behalten, in Deutschland ein Höchstwert. Selbst drei von fünf CDU-Anhängern zogen ihn der eigenen Spitzenkandidatin vor. «Grün wählen für Kretschmann», hatte dessen Partei zwischen Bodensee, Rhein und Neckar plakatiert – und die Wähler folgten.

Jetzt ohne die CDU?

2011 bis 2016 hatte Kretschmann bereits mit der SPD regiert, in den letzten fünf Jahren mit den Christdemokraten. Nun könnte er nochmals eine neue Konstellation ausprobieren: Eine Ampelkoalition von Grünen, SPD und FDP hätte eine so komfortable Mehrheit wie Grün-Schwarz. Grün-Rot verfehlte eine Mehrheit lediglich um eine Stimme.

Die Grünen nahmen die CDU zuletzt vor allem in der Klimapolitik zunehmend als «Klotz am Bein» wahr. Ob Kretschmann in einer Dreierkonstellation mit den Liberalen allerdings glücklicher würde, ist keinesfalls sicher. Gewiss ist in jedem Fall, dass «der Alte» neue Ministerinnen und Minister braucht – im besten Fall auch jemanden, der ihm spätestens in fünf Jahren als grüner Ministerpräsident nachfolgen könnte.

Regierung gut bewertet

Auch in Rheinland-Pfalz entschied eine populäre Amtsinhaberin die Wahl: Die Sozialdemokratin Malu Dreyer, die seit 2013 regiert, sorgte dafür, dass ihre Partei zwischen Mosel und Rhein mehr als doppelt so viele Stimmen gewann als im deutschen Durchschnitt. Wie vor fünf Jahren hatte sie die CDU erst in den letzten Wochen vor der Wahl noch überholt.

Die Hälfte der SPD-Wähler wählten die Partei wegen ihr: Die 60-jährige rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.  

«Für mich ist das ein glücklicher Abend, eine Bestätigung und ein klarer Auftrag», sagte Dreyer in Mainz. Für die 60-Jährige sprach aus Sicht der Wählerinnen und Wähler nicht nur eine mehrheitlich als gut bewertete Regierungsleistung, sondern auch der Umstand, dass ihr christdemokratischer Herausforderer Christian Baldauf bis kurz vor der Wahl zwei von fünf Wählern gänzlich unbekannt war. Im «Lockdown» war es für ihn besonders schwer, sich breiter bekannt zu machen.

Debakel für die CDU

Insgesamt stürzten die Christdemokraten in ihren einstigen Hochburgen auf historische Tiefstwerte. In beiden Bundesländern, die strukturell als konservativ gelten, ist die CDU mittlerweile stark ländlich-konservativ geprägt. Die einst selbstverständliche Dominanz in der bürgerlichen Mitte hat sie an die Grünen beziehungsweise an die SPD verloren. Dazu passte, dass die CDU in beiden Ländern für den liberal-konservativen Friedrich Merz als neuen Parteichef geworben hatte – der aber dem Mitte-Politiker Armin Laschet knapp unterlag.

Während die SPD dank Dreyer in Mainz siegte, büsste sie in Stuttgart auf tiefem Niveau weiter Stimmen ein. In den südwestlichen und südöstlichen deutschen Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Sachsen liegen die Sozialdemokraten nunmehr überall unter oder knapp über 10 Prozent, auf dem Niveau einer Kleinpartei also.

Verluste für die AfD, Gewinne für FDP und Freie Wähler

Auch die Alternative für Deutschland (AfD) blieb deutlich unter den Werten, die sie vor fünf Jahren erreicht hatte. Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz waren damals die ersten gewesen, seit eine Million Flüchtlinge aus dem Nahen Osten in Deutschland Zuflucht gesucht hatte. Ein besseres Ergebnis als damals in Baden-Württemberg (15,1 Prozent) hat die AfD im Westen des Landes bis heute nicht erreicht.

Die FDP hingegen erzielte in Baden-Württemberg eines ihrer besten Resultate seit 50 Jahren. In der Pandemie waren die Liberalen als Oppositionspartei zunächst in ganz Deutschland bedrohlich gegen die 5-Prozent-Marke gesunken, die den Einzug in die Parlamente begrenzt. Seit der Unmut über die Eindämmungspolitik der Grossen Koalition in Berlin zunimmt, findet der liberale Ruf nach mehr Tests, schnelleren Impfungen und grosszügigeren Öffnungen aber deutlich mehr Gehör. In Stuttgart könnte die FDP nun sogar mit einer weiteren Regierungsbeteiligung belohnt werden.

Die Linkspartei hingegen musste wieder einmal feststellen, dass sie es ausserhalb der grossen Städte in Westdeutschland ausgesprochen schwer hat. Dafür schafften es in Rheinland-Pfalz die Freien Wähler in den Landtag, wie zuletzt in Bayern.