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Neue SVP-Initiative
Eine Obergrenze für Flüchtlinge – wie soll das gehen?

Grenzwaechter nehmen Asylsuchende in Empfang am Bahnhof Chiasso, am Donnerstag, 2. Februar 2023. (KEYSTONE/Ti-Press/Massimo Piccoli)
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Die SVP hatte ihre neue Volksinitiative kurz vor den Wahlen angekündigt. Nun gibt sie Genaueres zum Inhalt bekannt. Erstens sollen alle einreisenden Personen systematisch kontrolliert werden. Zweitens sollen Asylsuchende, die aus einem sicheren Drittstaat kommen, weder einreisen noch ein Asylgesuch stellen dürfen. Drittens sollen jährlich maximal 5000 Personen Asyl erhalten. Viertens soll die vorläufige Aufnahme abgeschafft werden.

Andere Parteien reagieren ablehnend. Doch was wären die Folgen?

Ist eine Höchstzahl mit der Flüchtlingskonvention kompatibel?

Im vergangenen Jahr haben 4816 Personen in der Schweiz Asyl erhalten. Damit stellt sich die Frage, was geschehen würde, wenn mehr als 5000 Personen die Flüchtlingskriterien erfüllen. Würde die Schweiz die «Überzähligen» in ihr Herkunftsland zurückschicken, würde sie gegen das Non-Refoulement-Prinzip verstossen, einen wichtigen Pfeiler der Genfer Flüchtlingskonvention: Niemand darf in ein Land zurückgewiesen werden, in dem ihm Verfolgung droht. 

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sieht in der Höchstzahl indes keine Verletzung der Flüchtlingskonvention. Er beruft sich dabei auf den Bundesrat. Dieser hatte sich im Zusammenhang mit der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) von 2014 mit der Frage befasst. Die MEI verlangte ebenfalls eine Begrenzung – allerdings ohne eine Zahl zu nennen. 

Der Bundesrat kam damals zum Schluss, die Höchstzahl könnte so angesetzt werden, dass sie nicht zu einem Konflikt mit dem Non-Refoulement-Prinzip führen würde. Sollte die Höchstzahl dennoch überschritten werden, würde das Prinzip als zwingendes Völkerrecht trotzdem angewendet. Mit anderen Worten: Die Höchstzahl wäre nur dann kompatibel mit der Flüchtlingskonvention, wenn bei einem Überschreiten der Zahl niemand ins Herkunftsland zurückgeschickt würde – wenn sie also nicht strikt angewendet würde.

Will die SVP die Flüchtlingskonvention kündigen?

Der designierte SVP-Präsident Marcel Dettling sagte vor kurzem in einem Interview mit Radio SRF, er würde eine Kündigung in Kauf nehmen: «Wenn das der Weg sein muss, dann müssen wir die Flüchtlingskonvention eben kündigen.»

Aus Sicht von Thomas Aeschi stellt sich das Problem mit der Höchstzahl gar nicht: Da bei einer Annahme der Initiative keine Asylsuchenden aus sicheren Drittstaaten einreisen dürften, würde die Höchstzahl ohnehin nicht erreicht. Eine Ausnahme würde für Bürgerinnen und Bürger angrenzender Staaten gelten. «Wir rechnen mit deutlich weniger als 5000 Asylgesuchen pro Jahr», sagt Aeschi.

Wer dürfte überhaupt noch in der Schweiz ein Asylgesuch stellen?

Da die Nachbarstaaten der Schweiz sichere Drittstaaten sind, wären faktisch keine Asylgesuche von Personen mehr zulässig, die auf dem Landweg einreisen. Ein Asylgesuch dürften jene stellen, die mit dem Flugzeug aus einem Staat einreisen, in dem ihnen Verfolgung droht. Dieser Weg steht den meisten Flüchtlingen aber schon allein aus Visa-Gründen nicht offen. 

Möglich wäre laut Aeschi die Aufnahme von Flüchtlingen über das UNO-Resettlement-Programm für besonders verletzliche Personen. «Der Fokus würde dabei wohl eher auf Frauen und Kindern liegen statt auf jungen Männern, die vor allem aus ökonomischen Gründen ihr Herkunftsland verlassen», sagt Aeschi.

Was wäre mit den Abkommen von Schengen und Dublin?

Die Schweiz wäre mit diesem Regime nicht mehr Teil von Schengen und Dublin. Das Dublin-Abkommen regelt, welcher Staat für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständig ist. Die Schweiz kann damit Asylsuchende in jenen Staat zurückschicken, in dem sie zuerst registriert wurden. Sie kann stets mehr Asylsuchende in andere Staaten schicken, als sie aus diesen übernehmen muss.

Italien nimmt zurzeit allerdings keine Asylsuchenden zurück. «Schengen/Dublin ist gescheitert: Italien foutiert sich um die Dublin-Bestimmungen, elf weitere EU-Staaten haben schon Kontrollen an ihren Landesgrenzen eingeführt, und die EU-Aussengrenze ist so löchrig, dass jährlich Hunderttausende Personen illegal in die EU einreisen», sagt Aeschi.  

Wie stellt sich die SVP die Grenzkontrollen vor?

Einreisende Personen sollen systematisch kontrolliert werden. Das bedeute aber nicht, dass alle von einem Grenzwächter kontrolliert würden, sagt Aeschi. Für Schweizer und Grenzgänger könnte ein Badge eingeführt werden – ein System, das an der Grenze USA/Mexiko seit mehr als zehn Jahren erfolgreich zur Anwendung komme.

Heute führt die Schweiz risikobasierte Kontrollen durch. Da sie nicht Mitglied der Zollunion ist, kann sie Warenkontrollen durchführen und bei Verdacht auch Personen kontrollieren. Andere Länder haben ihre Kontrollen zwar verstärkt, kontrollieren aber nicht jeden Grenzübertritt. So sind etwa die Kontrollen, die Frankreich seit Jahren durchführt, kaum spürbar. Auch Deutschland kontrolliert nicht jedes Fahrzeug. Aufgegriffenen Personen gelingt die Überquerung oft bei einem weiteren Versuch. Sofern gegen sie nichts vorliegt, können sie nicht festgehalten werden.

Was würden systematische Grenzkontrollen kosten?

In einem Bericht von 2018 ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass die Bilanz der Abkommen von Schengen und Dublin – die miteinander verknüpft sind – für die Schweiz positiv ausfällt, auch finanziell.

Systematische Grenzkontrollen würden laut dem Bericht zu langen Staus führen und rund 1,5 Milliarden Franken pro Jahr kosten. Zudem wäre die Wirksamkeit der Kontrollen wegen des fehlenden Zugriffs auf die Schengener Datenbanken eingeschränkt. Erfahrungen mit dem Austritt hat Grossbritannien. Die Zahl der irregulären Einreisen ist dort seither nicht gesunken, sondern stark gestiegen.