Experten zur Corona-SituationAckermann: «Wir haben keine Hinweise, dass die Massnahmen ausreichen»
Was sagen die Experten zu den rekordhohen Fallzahlen? Und ab wann sind die Spitäler voll? Wir berichteten live von der BAG-Medienkonferenz.
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Das Wichtigste in Kürze:
Das BAG meldete am Freitag 9409 Neuansteckungen; 231 Personen mussten hospitalisiert werden. Zudem verzeichnete der Bund 70 neue Todesfälle.
Diverse Kantone haben ihre Massnahmen gegen das Virus verschärft.
Der Berner Regierungsrat fordert, dass der Bund erneut die ausserordentliche Lage ausruft.
Der Bundesrat hat am 28. Oktober neue Massnahmen beschlossen.
«Was die Wirtschaft schwächt, ist das Virus, nicht die Massnahmen»
Die Covid-Taskforce fordert von der Politik folgende Massnahmen, um die Fallzahlen zu senken und die Spitäler vor einer Überlastung zu schützen:
Testen und Contact Tracing müssen aufrecht erhalten werden. Dazu muss es mehr Tests und Tracer geben.
Es braucht eine «einheitliche und dringlichere Kommunikation»: Allen müsse klar sein, was sie jetzt tun müssten. Die Bevölkerung muss ins Homeoffice, Kontakte vermeiden, Maske tragen, wo nötig, Abstand halten, regelmässig lüften.
Das Schliessen von Restaurants und Bars, wie sie einzelne Kantone beschlossen hätten, können zusätzlich helfen.
Striktere Massnahmen helfen, um die Ansteckungsrate und damit auch die Zahl der Hospitalisationen und Todesfälle zu drücken. Und sie machen auch ökonomisch Sinn: . «Was die Wirtschaft schwächt, ist das Virus, nicht die Massnahmen», schliesst Ackermann.
«Die Task Force hat keine Hinweise, dass die Massnahmen ausreichen.»
Anschliessend übernimmt der Martin Ackermann, Chef der Covid-Taskforce, das Wort. «Wir treten momentan als Warner auf», erklärt Ackermann seine mahnenden Worte in den letzten Wochen. «Es ist Sache der Politik, auf die Stimmen der Wissenschaft zu reagieren.»
Laut Ackermann gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Schweizer Bevölkerung die verschärften Corona-Massnahmen des Bundes umsetzt. «Es gibt eine Verlangsamung des Anstiegs an Personen, die auf Intensivstationen verlegt werden müssen.»
Entscheidend sei jedoch der R-Wert. «Dieser muss zur Kontrolle der Pandemie über längere Zeit unter 1 fallen. Nur so haben wir das Virus im Griff und nicht umgekehrt», erklärt Ackermann. Selbst im Wallis, wo seit dem 21.Oktober ein Teil-Lockdown gilt, steigen die Fallzahlen noch immer. «Die Task Force hat keine wissenschaftliche Hinweise, dass die Massnahmen ausreichen.»
«Man hat den Eindruck, dass die Kurve langsam abflacht.»
Die Pressekonferenz beginnt. Stefan Kuster übernimmt das Wort. Er erläutert die epidemiologische Lage dieser Woche. «Bei den Hospitalisationen sind wir auf dem gleichen Level wie bei der ersten Welle», sagt Kuster. «Die Fallzahlen steigen weiter an. Man hat aber den Eindruck, dass die Kurve langsam abflacht.»
Die Reproduktionszahl liegt bei 1,1. «Dies ist deutlich tiefer als vor einem Monat», sagt Kuster.
Laut dem Leiter Übertragbare Krankheiten des BAG für sind die Zahlen aber noch immer besorgniserregend. «Die Fallzahlen münzen sich schliesslich in Hospitalisationen und Todesfälle um.»
Klassischerweise betreffen die Spitaleinweisungen laut Kuster Menschen über 50 Jahre. Der Amtschef ist alles andere als sicher, ob schon eine Trendwende erkennbar ist. Vor allem die Westschweiz ist nach wie vor deutlich stärker betroffen als der Rest der Schweiz. «Der Trends ist nicht mehr ganz so pessimistisch wie vor einigen Tagen. Die Situation bleibt aber kritisch.»
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Spitäler erst am 13. November voll
Die Covid-Taskforce hat in ihren aktuellen Bericht die Prognose bezüglich der Kapazität der Spitäler bei den Intensivbetten etwas entschärft. Vor einer Woche hiess es, dass die Intensivbetten im schlimmsten Fall schon am 8. November besetzt seien.
Nun hat die Task Force ihren Bericht aktualisiert. Laut den neusten Erkenntnissen erreichen die Spitäler erst am 13. November ihre Kapazitätsgrenzen.

Dies Experten treten heute vor die Presse
Ab 14 Uhr informieren die Amtschefs und Experten des Bundes über die aktuelle Corona-Lage. Folgende Personen werden an der Pressekonferenz in Bern teilnehmen:
Anne Lévy, Direktorin des BAG
Yvon Langel, Divisionär, Kommandant der Territorialdivision 1
Martin Walker, Vizedirektor, Leiter Ausgabenpolitik, Eidgenössische Finanzverwaltung EFV
Stefan Kuster, Leiter Übertragbare Krankheiten des BAG
Oliver Schärli, Leiter des Bereichs Arbeitsmarkt/Arbeitslosenversicherung, SECO
Thomas Steffen, Kantonsarzt Basel-Stadt, Vorstandsmitglied der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte
Martin Ackermann, Präsident National Covid-19 Science Task Force
BAG meldet 9409 Neuinfektionen
Für die letzten 24 Stunden meldet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 9409 Coronavirus-Ansteckungen. Am Freitag vergangener Woche waren es 9207 Fälle. Die Positivitätsrate beträgt 24,6 Prozent bei 38'219 neu gemeldeten Tests. Zudem meldete das BAG heute 70 neue Todesfälle und 231 Spitaleinweisungen.
Gestern wurden 10’128 Neuansteckungen innerhalb eines Tages registriert, am Mittwoch 10’073 Neuinfektionen. Am Montag hatte das BAG die Zahlen für das ganze Wochenende und den Freitag bekanntgegeben. Insgesamt waren für diese drei Tage 21’926 neue Ansteckungen gemeldet worden.
Insgesamt gab es dem BAG zufolge seit Beginn der Pandemie 211'913 laborbestätigte Fälle. Seit Anfang der Pandemie mussten 8669 Personen wegen einer Covid-19-Erkrankung im Spital behandelt werden.
Aufgrund der Kontakt-Rückverfolgung waren am Donnerstag nach Angaben des BAG 36'528 Personen in Isolation und 35'309 Personen standen unter Quarantäne. Zusätzlich sassen 2951 Heimkehrerinnen und Heimkehrer aus Risikoländern in Quarantäne.
Hier geht es zu unserem Corona-Dashboard mit allen Zahlen.
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Ausgangslage
Gesundheitsminister Alain Berset hat am Mittwoch vor den Bundeshausmedien die Kantone kritisiert. «Dass die Kantone Wahleingriffe nicht verschieben, ist nicht akzeptabel», sagte er.
Es gebe Kantone, die nicht notwendige Eingriffe aufgeschoben hätten, die Mehrheit der Kantone jedoch nicht. Berset stellte klar, dass die Verantwortung für die Kapazität der Intensivbetten bei den Kantonen liegt: «Das Parlament hat die Verantwortung den Kantonen übertragen. Sie müssen sicherstellen, dass genügend Betten auf den Intensivstationen vorhanden sind.» Es gebe derzeit einen «Koordinationsmangel».
Der Bundesrat habe deshalb zusammen mit der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) einen Brief an die Kantone geschickt. Das Schreiben liegt der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vor. Dass die Kapazität bei den Intensivbetten regional und eventuell bald national erreicht werde, sei ein realistisches Szenario, heisst es in dem Brief.
Massnahmen greifen langsam
Die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus würden langsam greifen, sagte Berset. «Wir haben jetzt eine Verdoppelung der Fallzahlen in zehn Tagen und nicht mehr in einer Woche.»
Es brauche noch etwas Zeit, um diese Entwicklung weiter zu beobachten. «Greifen die Massnahmen nicht, müssen wir wieder handeln, um die Zahlen weiter zu senken.» Das Ziel sei klar: «Wir möchten eine Trendumkehr erwirken, damit es nicht zu einer Überlastung der Intensivstationen kommt.»

Bundesrat stellt Details der Corona-Härtefallregeln zur Diskussion
Der Bundesrat will Härtefälle, die besonders unter der Corona-Krise leiden, zusätzlich finanziell unterstützen. Der Bund beteiligt sich zur Hälfte an kantonalen Massnahmen. Laut Finanzminister Ueli Maurer sind noch einige Fragen offen – etwa, wie viel Geld nötig ist.
Die Landesregierung hat am Mittwoch den Verordnungsentwurf über cin Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie in die Vernehmlassung geschickt. Die Grundsätze hatte das Parlament in der Herbstsession verabschiedet.
Die Härtefallregelung kommt bei Unternehmen zum Tragen, die zusätzlich zu den anderen Massnahmen auf Hilfe angewiesen sind. Gemäss dem Vorschlag des Parlaments und des Bundesrats gilt ein Unternehmen als Härtefall, das verglichen mit den Vorjahren 40 Prozent an Umsatz verloren hat. «Wenn die Voraussetzungen sich ändern sollten, wäre der Bundesrat bereit, das Gesetz mit einem dringlichen Verfahren anzupassen», sagte Maurer. Es sei nun erst einmal darum gegangen, möglichst schnell zu handeln.
Mehr Geld notwendig
Der Bundesbeitrag wurde im Verordnungsentwurf auf maximal 200 Millionen Franken festgelegt. In Anbetracht der im Raum stehenden Forderungen sei das sicher zu wenig, sagte Maurer. «Die Zahl muss überarbeitet werden.»
Auch die Frage, welche Branchen von der Regelung profitieren sollen, ist laut Maurer noch nicht restlos geklärt. Im Covid-Gesetz ist von Unternehmen in der Wertschöpfungskette der Eventbranche, Schaustellern, Dienstleistern der Reisebranche sowie touristischen Betrieben die Rede.
Klar ist laut dem Bundesrat, dass die konkrete Ausgestaltung der Härtefallhilfen in der Zuständigkeit der Kantone liegt. Es stehe ihnen frei, in ihren Regelungen Bürgschaften, Garantien, Darlehen und/oder À-fonds-perdu-Beiträge vorzusehen, sagte Maurer. Letztere sind auf maximal 10 Prozent des Umsatzes 2019, höchstens aber auf 500'000 Franken pro Unternehmen beschränkt (davon 250'000 Franken vom Bund).
Aufgrund der Dringlichkeit dauert die Vernehmlassung lediglich zehn Tage. Die Regelung soll auf den 1. Dezember 2020 in Kraft treten. Gestützt auf die Verordnung sollen Massnahmen der Kantone unterstützt werden können, die seit Inkrafttreten des Covid-19-Gesetzes am 25. September 2020 zugesichert oder ausbezahlt worden sind.
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