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Künstliche Intelligenz
Googles neue AI-Suche verschärft das Problem für Medien

Tech illustrations in Poland - 08 Dec 2023 In this photo illustration an Artificial intelligence AI logo is displayed on a smartphone with Google logo in the background. Google just announced Gemini, a LLM multimodal, capable of understanding different types of information such as text, audio, images, and video. Poland Copyright: xOmarxMarquesx/xSOPAxImagesx omarques_08122023_phone_tech-8
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Wer das Internet nutzt, ist meistens auf den Websites der grossen US-Techkonzerne. Ob auf Google (Alphabet), Youtube (Alphabet), Instagram (Meta), Whatsapp (Meta) oder Apple Music: Die Hälfte ihrer Zeit im Internet verbringen die Menschen auf den Plattformen der Techriesen.

Offengelegt hat dies eine Messung der realen Nutzungsdauer aller rund 16 Millionen in Deutschland aktiven Websites. «Von einer sehr ähnlichen Ungleichverteilung gehen wir auch in der Schweiz und den anderen westlichen Ländern aus», sagt der deutsche Studienautor und Medienwissenschaftler Martin Andree.

Diese Monopolisierung des Internets spitzt sich weiter zu, sagt Andree: «Künstliche Intelligenz wird Leserinnen und Leser bald noch länger auf den Websites der US-Techkonzerne kleben lassen.»

AI bietet eigene Antworten

Der Grund: Internetnutzer werden bei Suchen demnächst nicht mehr auf andere Websites verwiesen. Bei Google ist dies bald so weit, der Konzern entwickelt seinen eigenen Chatbot, der bei Suchen zum Einsatz kommen wird. Chat-GPT zeigt schon jetzt, was das für Medien bedeutet. (Lesen Sie dazu unsere Analyse – Das Internet, wie wir es kennen, könnte bald Geschichte sein)

Bei Verlagen löst Chat-GPT derzeit ein Beben aus. Ein Teil ihrer Leserschaft kommt bislang über Suchanfragen auf die Medien-Websites. Das bringt neue Abonnenten wie auch Werbeeinnahmen. Diese beiden Haupteinnahmequellen sind nun bedroht.

«Financial Times» warnt – und kooperiert

Auf dem World News Media Congress in Kopenhagen warnte der Chef der «Financial Times», John Ridding, vergangene Woche, die Leserschaft komme an die neuesten Nachrichten künftig nur noch durch Google oder Chat-GPT. Ridding selbst hat schnell reagiert. Im April gab die «Financial Times» eine Kooperation mit Open AI, der Entwicklerin von Chat-GPT, bekannt.

Chat-GPT kann mithilfe künstlicher Intelligenz Texte analysieren und auch selbst generieren. Es liefert Nutzerinnen bei Suchanfragen eigens verfasste, auf sie abgestimmte Antworten. Es nutzt dazu das im Internet angesammelte Wissen, aber verweist nicht auf die Websites, von denen die Informationen stammen.

Die «Financial Times» wird dank Kooperation jedoch auch weiterhin von Chat-GPT als Quelle genannt und von ihr verlinkt. Open AI wiederum kann seine Anwendung Chat-GPT mit den Archivartikeln des britischen Mediums füttern, wie auch auf aktuelle News zugreifen. Auch die Nachrichtenagentur AP, das «Wall Street Journal» oder der «Bild»-Verlag Axel Springer sind solche Lizenzvereinbarungen eingegangen.

Wie Schweizer Verlage reagieren

In der Schweiz erlaubt Ringier Open AI zwar den Zugriff auf seine Nachrichten, eine Kooperation geht das Unternehmen selbst jedoch nicht ein. TX Group, zu der diese Redaktion gehört, blockiert ihre Inhalten vor dem Zugriff durch OpenAI und andere Bots, soweit dies möglich ist. Sie begrüsst dagegen Vereinbarungen, die eine angemessene Vergütung vorsehen.

Prinzipiell ist Open AI an Kooperationen mit Medien interessiert: Chat-GPT kommt nur über die Nachrichtenportale an aktuelle News. Egal ob Hochwasser, die Aufdeckung von Skandalen oder die Einordnung von Abstimmungsergebnissen – dafür braucht es Journalistinnen und Journalisten, die dazu recherchieren und schreiben. Die aber beschäftigen nur Verlage.

Open AI betont, solche Kooperationen allen Verlagen anzubieten. «Es ist jedoch fraglich, ob das tatsächlich so sein wird», sagt Stefan Wabel vom Verlegerverband Schweizer Medien. Zumindest werde es noch lange dauern, bis Open AI auch mit den kleinen und mittleren Medienhäusern Vereinbarungen abschliesse.

«Draht zur Leserschaft wird abgeschnitten»

Medienwissenschaftler Andree geht davon aus, dass wenige Verträge mit grossen Verlagen ausreichen. «Es braucht keine 100 Medienpartner, um an die neuesten Nachrichten zu kommen.» Kleine Länder seien für Chat-GPT zudem uninteressant. Andree kritisiert, dass die ersten grossen Verlage, die sich auf Kooperationen einlassen, zum Totengräber derjenigen werden, die nicht dazu gehören. «Alle anderen werden bei der Internetsuche nicht mehr erwähnt, und der Draht zu ihrer potenziellen Leserschaft wird abgeschnitten.»

Was jedoch auch für Verlage mit Kooperationen offenbleibt: Kommen Nutzerinnen und Nutzer  auf ihre Websites zurück? «Selbst wenn Chatbots mit ihren KI-Zusammenfassungen weiter mit Links auf sie verweisen, werden die User grösstenteils nicht mehr auf die Links klicken, um den Ursprungsartikel auf den Websites der Medienunternehmen nachzulesen», sagt Wabel vom Schweizer Verlegerverband. Rund zwei Drittel aller Suchanfragen führen schon jetzt zu keinem Klick mehr, weil Google mit Snippets Vorschauen auf die Websites anbietet.

Tech-Kritiker warnt vor Kipppunkt 2029

Wabel drängt deshalb umso stärker darauf, dass das heutige Urheberrecht durchsetzbar sein muss und dass es um ein Leistungsschutzrecht ergänzt wird. Ein solches schützt journalistische Inhalte auch dann, wenn nur Auszüge aus ganzen Artikeln verwendet werden – das sei auch hinsichtlich der KI-Systeme von grosser Bedeutung.

Medienpolitikerinnen und -politiker sträubten sich bislang dagegen. Ihr Argument: Verlage profitieren von Google, denn die Suchmaschinen bringen ihnen neue Leserschaft. Das jedoch wird mit Chatbots für die meisten nicht mehr der Fall sein.

Die Nutzung von Suchplattformen für eine weitere Verbreitung hat sich für die Verlage nicht ausgezahlt. «Sie rächt sich jetzt sogar», sagt Medienwissenschaftler Andree. Denn durch den freien Zugriff auf die Inhalte wurden die Techkonzerne erst gross. «Bei nachträglichen Kooperationen hat Google nun die bessere Verhandlungsposition.» Andrees Analyse wirkt zwar alarmistisch, doch was sie zeigt, ist offensichtlich: Die pluralistische Demokratie mit einem offenen Mediensystem und einer freien Wirtschaft ist bedroht.

Andree sieht spätestens 2029 einen Kipppunkt für die Medien, wie er in seinem letzten Herbst publizierten Buch «Big Tech muss weg» schreibt. Er geht davon aus, dass sie dann nur noch ein Viertel der Werbeeinnahmen auf sich vereinigen. Drei Viertel der Werbeinvestitionen werden dann zu Google oder den anderen Plattformen der grossen Techkonzerne fliessen.