Energieversorgung 2050GLP-Chef will die Formel für eine klimaneutrale Schweiz gefunden haben
Jürg Grossen präsentiert seine Roadmap für eine Energiepolitik bis 2050. Mit überschüssigem Solarstrom im Sommer will er die Lücke im Winter füllen. Und der Energieverbrauch soll erheblich sinken. Der Plan stösst auf Skepsis.
GLP-Präsident Jürg Grossen hat eine Roadmap für eine Energieversorgung der Schweiz erarbeitet, die komplett erneuerbar, CO2-neutral und trotzdem sicher sein soll, auch im Winter. Er lanciert diesen Debattenbeitrag bewusst vor dem Bundesrat. Dieser will seinen Vorschlag in den nächsten Wochen präsentieren. Und im Unterschied zur Klimajugend löst er das Versorgungsproblem mit Technologie statt mit einem «System Change». Doch nicht alle Energieexperten im Nationalrat halten seinen Plan für umsetzbar. FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen hält Grossens Berechnungen für ein «Luftschloss».
Wie sieht die Roadmap aus?
Effizientere Geräte: Einerseits will Grossen weniger Energie verbrauchen. Er rechnet mit einem Effizienzgewinn von 40 Prozent durch die Elektrifizierung des Verkehrs und der Heizungen, bessere Wärmedämmung von Gebäuden und bessere Geräte. Er stützt sich dabei auf Potenziale, die der Bund errechnet hat.
Solar-Offensive: Andererseits fordert er einen riesigen Ausbau der Sonnenenergie. Solarpanels sollen bis ins Jahr 2050 ganze 40 Terawattstunden Strom pro Jahr liefern. Das wäre fast doppelt so viel wie die heute in Betrieb stehenden vier Atomkraftwerke. Dazu würde es ungefähr 250 Quadratkilometer Solarzellen brauchen. Zum Vergleich: Das Bundesamt für Energie (BFE) geht gesamtschweizerisch von einem Potenzial von 67 Terawattstunden aus.
Nur noch E-Autos: Autos fahren gemäss Grossens Roadmap 2050 fast ausschliesslich mit Strom. Gebäude werden mehrheitlich durch mit Strom betriebene Wärmepumpen beheizt. Damit sollen fossile Brenn- und Treibstoffe für den Verkehr und die Gebäude ersetzt und das Ziel einer CO2-freien Energieversorgung erreicht werden.
Speichern mit Gas: Bleibt das Problem, dass der Solarstrom vor allem im Sommer anfällt und im Winter eine Lücke besteht. Grossen schlägt vor, den Überschuss im Sommer von rund 17 Terawattstunden an Sonnenstrom zur Herstellung von Wasserstoff, Methanol und anderen synthetischen Treibstoffen einzusetzen. Insbesondere synthetische Brennstoffe wie Methanol lassen sich im Gegensatz zu Strom gut speichern und im Winter wieder in Strom umwandeln.
Grossen rechnet dabei mit einem Wirkungsgrad von 35 Prozent. So könnte mit dem Überschuss im Sommer die Lücke im Winter von 6 Terawattstunden gedeckt werden. Der Wirkungsgrad wäre deutlich höher, wenn das so gewonnene Gas oder der Treibstoff direkt eingesetzt und nicht wieder in Strom umgewandelt werden müsste. Besonders Lastwagen, Busse oder Schiffe könnten damit betrieben werden. Das im Sommer hergestellte Methanol oder synthetische Benzin würde in den heute bestehenden Treibstofflagern aufbewahrt. Zusätzliche Lager wären allerdings nötig, da beispielsweise Methanol eine rund halb so grosse Energiedichte wie Benzin aufweist.
Neues Ladekonzept: Für die Konsumenten würde sich einiges ändern. Damit ihre Elektroautos zum Ausgleich von Tag- und Nachtstrom funktionieren, müssten sie tagsüber und deshalb auch am Arbeitsplatz aufgeladen werden können. «Jedes Gebäude braucht in Zukunft Ladestationen», fordert Jürg Grossen. Und zu Hause würde die Gebäudesteuerung über ein intelligentes Stromnetz sicherstellen, dass der Wasserboiler sich dann aufheizt, wenn die Sonne scheint. Und auch die Wärmepumpe würde dann starten, wenn der erneuerbare Strom direkt vom Dach geliefert wird.
Und was unterscheidet Grossens Vorschlag von den Szenarien des Bundes zur Energiestrategie 2050? Im Unterschied zum Bund rechnet Grossen nicht mit bahnbrechenden Technologien, die es erst in Ansätzen gibt, sondern mit dem, was heute schon machbar ist. Er rechnet zum Beispiel weder mit einem weiteren Ausbau der Windkraft, wo landauf, landab Projekte am Widerstand vor Ort scheitern. Und er rechnet nicht mit Geothermie, bei der bis jetzt alle Projekte früher oder später gescheitert sind.
Unabhängig von Stromimporten
Doch auch Grossens Plan ist ambitioniert. Denn er geht davon aus, dass es gelingt, den Verkehr und die Gebäudeversorgung zu elektrifizieren, zusätzlich soll mit einer um 40 Prozent besseren Stromeffizienz der Gesamtenergieverbrauch um gut 40 Prozent sinken. Mit der Umwandlung von Strom in Methanol könnte der Überschuss im Sommer für die Lücke im Winter reichen. Gelingt dies, wäre die Schweiz nicht mehr auf den Import von Strom angewiesen. Die Schweiz müsse zwar Drehscheibe für Strom in Europa bleiben, findet Grossen, aber im Moment sei es riskant, im Winter von Lieferungen aus dem Ausland abhängig zu sein. Letztlich sei es jedoch ein politischer Entscheid, wie unabhängig die Schweiz ihre Energieversorgung sicherstelle.
Was kostet die Roadmap?
Die Kosten sind nicht klar beziffert: Grossen rechnet zwar für den nötigen Zubau mit Solarzellen mit 2 Milliarden Franken pro Jahr bis 2050. Auch nachher müssten Solarzellen am Ende ihrer Lebensdauer ersetzt werden, was koste. In der Roadmap nicht berechnet sind dagegen die Kosten für Power-to-Gas-Anlagen und die Umstellung des Fahrzeugparks, der Heizungen und der Haushaltgeräte in der ganzen Schweiz. Dies dürfte einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten.
Grossen verweist im Gegenzug darauf, dass die Schweiz pro Jahr 15 Milliarden Franken für Importe von Öl und Benzin ausgibt. Daher sei seine Roadmap günstiger als ein «Weiter so». Die Investitionen müssten aber teilweise durch Gebäudebesitzer und teilweise durch Energieversorger oder Privatinvestoren getätigt werden. Dafür kämen diesen dann auch die Erträge zugute. Um die Energiewende zu erleichtern, fordert Grossen die Weiterentwicklung des Fördersystems und die Reduktion von administrativen Hürden bei der Gebäudesanierung und dem Bau von Solaranlagen.
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