Glosse zu Asyl für AfghaninnenSie wollen politischen Erfolg? Wir haben die Formel!
Für alle Neulinge im Parlament, die noch nicht wissen, wie man erfolgreich politisiert: Befolgen Sie diese sieben Schritte.
Wählen Sie ein emotionales Thema, irgendetwas mit Gender oder Asyl. Zielen Sie auf eine Gruppe, die sich nicht so gut wehren kann. Zum Beispiel Ausländer. Oder Ausländerinnen. Der Jackpot: Frauen, die aus Afghanistan geflüchtet sind.
Das Staatssekretariat für Migration hat seine Praxis für Frauen aus Afghanistan angepasst? Afghaninnen erhalten neu in der Regel Asyl, weil sie wegen der Taliban die Flüchtlingskriterien erfüllen? Das ist Ihre Gelegenheit! Stellen Sie die Sache anders dar. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt! Tun Sie so, als wüssten Sie nicht, was «Asylpraxis» bedeutet – auch wenn Sie Jurist sind. Behaupten Sie, Afghaninnen würden in der Schweiz neu pauschal aufgenommen, ohne Prüfung des Asylgesuchs.
Skandalisieren Sie, was das Zeug hält. (Und beeilen Sie sich, die politische Konkurrenz schläft nicht.)
Warnen Sie vor drastischen Folgen. Alle Afghaninnen werden in die Schweiz kommen. Millionen! (Dass die anderen Länder die Praxis ebenfalls angepasst haben, spielt keine Rolle. Niemand wird es bemerken.)
Jetzt ist die Zeit für einen parlamentarischen Vorstoss: Verlangen Sie, dass die Praxisänderung sofort rückgängig gemacht wird. Egal, wer für Asylentscheide und die Beurteilung der Lage eigentlich verantwortlich wäre (es ist nicht das Parlament). Wen kümmert die Gewaltenteilung?
Ihre Forderung findet eventuell keine Mehrheit? Das macht nichts. Bieten Sie nun Hand für einen «Kompromiss», mit einem neuen Vorstoss. Achten Sie darauf, dass diesmal nur Dinge gefordert werden, die bereits gelten. Zum Beispiel, dass Asylgesuche von Afghaninnen stets einzeln geprüft werden und dass Sicherheitsprüfungen durchgeführt werden. Passiert alles jetzt schon, tönt aber gut!
Die zuständige Kommission nimmt den neuen Vorstoss an, später vielleicht auch das Parlament. Gratulation, Sie haben gewonnen. Feiern Sie! Behaupten Sie, dank Ihnen ändere sich etwas, auch wenn das nicht zutrifft. Verschicken Sie eine Medienmitteilung. Vermelden Sie Ihren Erfolg auf Social Media. In vier Jahren werden Sie wiedergewählt.
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats hat letzten Freitag über zwei Vorstösse zur Asylpraxis für Afghaninnen entschieden. Ähnlichkeiten in dieser Glosse mit den tatsächlichen Ereignissen sind rein zufällig.
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