Insolvenzantrag eingereichtGlobus-Mutter Signa-Holding ist pleite
Nun ist es offiziell: Das Unternehmen von René Benko hat einen Insolvenzantrag gestellt. Die zweite grosse Globus-Investorin meldet sich gleich zu Wort.

Am Ende hing Signas Schicksal von dem einen Fonds ab. Signa, eben noch Europas grosser, schillernder Immobilienkonzern aus Österreich und mit Geschäften auch in der Schweiz – auf einmal abhängig von der Gnade eines einzigen Geldgebers, dem Hedge-Fonds Elliott Investments. In der Regel versucht Elliott die komplette Kontrolle zu übernehmen. Schlechte Nachrichten für Signa-Gründer René Benko. Verständlicherweise kämpfte er bis zuletzt um sein, nun ja, Lebenswerk.
Aber vergeblich: Am Mittwoch gab die Signa-Holding bekannt, einen Insolvenzantrag in Wien zu stellen. Saniert werden soll das Unternehmen in Eigenverwaltung. Das heisst, das Management bleibt im Amt, aber alle Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Mietern, Lieferanten und anderen werden gekappt. Ihnen wird ein Insolvenzberater an die Seite gestellt. Wer das sein soll, gab Signa nicht bekannt.
Auswirkungen bis in die Schweiz
In der Schweiz sorgt der Fall von René Benkos Signa-Gruppe ebenfalls für Schlagzeilen. So steht Julius Bär wegen der Krise von Signa unter Druck. Die Privatbank hat der Signa-Gruppe mehr als 600 Millionen Franken Kredite gewährt. Zwar hat das Geldhaus im November bereits rund 70 Millionen darauf abgeschrieben. Beobachter halten es aber für möglich, dass noch weitere Abschreiber folgen werden. Vontobel-Experte Andreas Venditti geht in einem Kommentar davon aus, dass Julius Bär weitere Abschreibungen auf die Signa-Kredite vornehmen muss: Er erwarte, dass Julius Bär eine Wertberichtigung von rund 50 Prozent des Signa-Engagements vornehmen müsse.
Die Krise spiegelt sich auch an der Börse wieder. Die Titel von Julius Bär hatten zuletzt sieben Tage in Folge Verluste eingefahren. Der Börsenwert der Zürcher Privatbank hat sich in dieser Zeitspanne um mehr als einen Fünftel reduziert.
Benko ist ausserdem Mitbesitzer des Traditionswarenhauses Globus in der Schweiz. So ist die Globus Gruppe mitsamt ihren Immobilien je zur Hälfte im Besitz von Signa und der Central Group. Die Central-Gruppe der thailändischen Familie Chirathivat hatte daher ein verbales Bekenntnis zu Globus verlauten lassen, um dem Warenhaus den Rücken zu stärken.

Zu dem Zeitpunkt des heutigen Antrags war Benkos Stern aber längst gesunken. «Der Name ist verbrannt», sagte ein Insider Tage vor Signas Insolvenz. Seine Anhänger schliessen ein späteres Comeback in ein paar Jahren indes nicht aus. Jetzt ist er erst mal am Tiefpunkt angelangt, sein Vermögen laut Forbes in Blitzgeschwindigkeit zusammen geschnurrt. Privat bleiben ihm laut Medienberichten vielleicht ein paar Millionen.
Benko wollte das Bild des Aufsteigers aus bescheidenen Verhältnissen zeichnen
Einen bleibenden Eindruck bei den Banken soll die Verstrickung Benkos in einen Korruptionsprozess in Österreich hinterlassen haben. Dabei wurde er ohne Wenn und Aber Anfang des Jahres von dem Vorwurf freigesprochen. Aber der Eindruck sei geblieben. Mehr noch, er radierte das Image aus, das Benko zur Zeit seines rasanten Aufstiegs vermittelte: das des fleissigen, schlauen und schnellen Machers. Der soll er zwar auch noch in den langen Verhandlungen der vergangenen Wochen teils bis in den späten Abend gewesen sein. Aber damit beeindruckte er zuletzt nur noch einen kleinen Kreis. Die Öffentlichkeit hatte da ein anderes Bild von ihm im Kopf – das des windigen Finanzjongleurs. Die Presse kann da gnadenlos sein. Benko hat mit ihr sein Spielchen getrieben. Wollte das Bild des Aufsteigers aus bescheidenen Verhältnissen zeichnen. Eine Geschichte, mit der er auch in der Stunde des Untergangs seine Gesprächspartner zu beeindrucken versuchte. Für manche seiner Mitgesellschafter hatte er eher etwas von einem Halbkriminellen. Geld wollte ihm keiner mehr anvertrauen.
Die Banken hatten mit als Erste abgewinkt. Ihnen war das Geflecht aus 1000 Firmen in verschiedenen Ländern viel zu komplex. Einen konsolidierten Konzernabschluss konnte ihnen auch niemand vorlegen. Was im Endeffekt bei all den Geschäften herauskam, wusste niemand so genau.
Banken gaben kein Geld mehr
Folgerichtig hielten sie bis zum Schluss still. «Das ist schon das höchste der Gefühle bei den Banken», sagte ein Berater. Sie hätten Angst vor dem Moment, wenn die volle Abschreibung kommt. Die meisten hätten zwar ihre Absicherung über die Immobilien. «Aber was machen Sie mit einem halb fertig gestellten Elbtower?» Keine Bank könne es leisten, einen Bau mal eben fertigzustellen. Zumal jede Baustelle, die einmal unterbrochen wurde, ein Vielfaches mehr kostet, wenn die Arbeit wieder aufgenommen wird. Fein raus sind die Banken also auch nicht. Bis zuletzt hatten sie auf eine Rettung gehofft. Und die grössten unter ihnen soll Benko bis zuletzt bedient haben. Er könnte sie ja noch einmal brauchen. Jetzt bleiben die Abschreibungen.
Auch die Investoren und Gesellschafter, die schon länger Anteile an Signa-Gesellschaften hielten, waren nicht mehr bereit oder in der Lage, weiteres beziehungsweise ausreichend viel Geld nachzuschiessen. «Da bewegte sich keine mehr», sagte ein Insider.
Schon vor Wochen sei die Phase eingetreten, in der sich jeder selber optimiere. Mit anderen Worten: zu retten, was zu retten ist von dem, was einem selber gehört. Blieb am Ende also noch der US-Hedge-Funds Elliott übrig. Einer, der es sich vergolden lässt, wenn er den Retter spielt. Dann aber alles zerschlägt, filetiert und die besten Stücke maximal gewinnbringend vertickt. Ein schlimmes Szenario. Trotzdem hofften alle Beteiligten sehnlichst darauf, dass sich die Leute rund um Paul Elliott Singer, den Gründer des Fonds, doch noch erbarmen und Signa retten würde. So weit war es gekommen mit dem vor ein paar Wochen noch schillernden «grössten Immobilien- und Handelskonzern Europas». Um die erhoffte Rettung vom Heuschrecken-Fonds nicht zu gefährden, verschwiegen alle, die davon wussten, tunlichst seinen Namen. Bis er dann doch durchsickerte. Leichter machte die Verhandlungen das nicht.
Nur noch Nebelkerzen
Von den anderen Investoren wurde er ohnehin nicht mit offenen Armen empfangen. Denn ihre Anteile wären nicht nur verwässert worden, sondern so gut wie nichts mehr wert gewesen. Sie wäre zurück auf Los gegangen. Es war wie die Wahl zwischen Pest und Cholera, entweder alles oder fast alles verlieren.
Rund um die Uhr waren die Berater von Rothschild und White & Case bis zuletzt im Einsatz. Die Zeit lief davon und wurde noch ein wenig gedehnt. Eigentlich hätte eine Einigung am Wochenende erzielt werden sollen. Warum René Benko genau an diesem Wochenende mit seiner Frau in Barcelona shoppen war? Das lässt sich Insidern zufolge nur damit erklären, dass es den Verhandelnden lieber war, wenn der Verursacher des Schlamassels nicht mithilft, es wieder in Ordnung zu bringen. Das spricht Bände. Ohne Benko geht’s einfach besser. Anders kann man die Botschaft kaum lesen. Nicht mal mehr Nebelkerzen schoss Signa ab. Die Geschichten von den rettenden Saudis oder Russen nahm ihr keiner mehr ab.
Es ging am Ende um 200 Millionen Euro für eine Anleihe bis Ende November und insgesamt etwa eine halbe Milliarde Euro bis Ende des Jahres. Eigentlich, wenn man so will, um wenig Geld im Vergleich zu den kürzlich noch in den Büchern von Signa ausgewiesenen weit mehr als 20 Milliarden Euro, die die Luxusimmobilien wert sein sollen: das Chrysler-Building in New York, die Alte Akademie in München, das Park Hyatt in Wien und die vielen anderen. Doch damit waren alle Kredite bereits besichert. Wer am Ende als letzter noch einmal Geld verliehen hätte, hätte sich ganz hinten in die Schlange stellen müssen im Falle einer Zahlungsunfähigkeit. Und die ist jetzt eingetreten. Die Signa-Holding von René Benko ist insolvent.
Am Ende wurde sogar überprüft, ob das Geschäftsgebaren der Signa rechtmässig war. Bestimmte Mietverträge sollen nicht «marktüblich» gewesen sein. Konkret geht es um Staffelmieten für die Luxus-Kaufhäuser. Signa hatte von 2011 nach und nach Deutschlands feinste Shopping-Tempel aufgekauft, darunter das Alsterhaus in Hamburg, das Oberpollinger in München und das Kaufhaus des Westens (Kadewe) in Berlin. Medienberichten zufolge vereinbarte Signa Prime mit der Kadewe-Gruppe ungewöhnlich langfristige Staffelmieten über fast 35 Jahre. Obendrein mit enormen Steigerungsraten. Wurden für 2023 noch eine Gesamtmiete von 82,5 Millionen Euro verlangt, kalkulierte Signa 2049 schon mit mehr als 100 Millionen Euro. Ein Berater spricht von «seltsamen Verträgen», mit denen «Werte gross gerechnet» worden sein sollen.
In Österreich ein Politikum
Benko hatte ein immer grösseres Rad gedreht. Gutachten bescheinigten immer höhere Werte für Mieten und infolgedessen auch für die Immobilien. Solange die Zinsen niedrig waren und das Geld billig war, funktionierte das System. Unübersichtlich wurde es dadurch, dass Benko immer mehr Tochtergesellschaften gründen liess. Untereinander schuldeten sie sich Geld. Am Ende waren die gegenseitigen Abhängigkeiten voneinander so komplex, dass kaum mehr jemand durch das Geflecht durchblickte.
Weil auch prominente Österreicher daran mit flochten, ist die Pleite von Signa auch ein Politikum. Einige ehemalige Regierungsvertreter in Österreich könnten nun in Erklärungsnöte geraten. Benko war mit vielen von ihnen, egal welcher Couleur, verbandelt: vom ehemaligen ÖVP-Kanzler Kurz über den ehemaligen SPÖ-Kanzler Gusenbauer bis hin zur FPÖ-Ex-Vizekanzlerin Riess-Hahn. Die beiden letzteren sitzen bis heute im Beirat von Signa. Auf der Homepage von Signa verschwand der Beirat Anfang der Woche mitsamt der Fotos der Mitglieder. Die Nervosität ist spürbar. Österreichische Medien berichteten über Millionenzahlungen an Gusenbauer. Er soll massgeblich daran mitgewirkt haben, dass eine der wichtigsten deutschen Tochterfirmen von Signa, Galeria Karstadt Kaufhof, Staatshilfe aus Berlin in Höhe von 680 Millionen Euro erhielt. Jedenfalls soll Gusenbauer für seine Vermittlungsdienste in Berlin ein Millionenhonorar bei Benko in Rechnung gestellt haben.
Wenn das stimmen sollte, bestätigt sich das Bild, das Benko über sein Heimatland zeichnete. Es war nicht sonderlich positiv. Andererseits verstand er es auch, die Schwächen einzelner zu seinen eigenen Gunsten zu nutzen. Er wob ein Netz aus gegenseitigen Abhängigkeiten und Gefälligkeiten, in das sich viele Prominente verheddert haben. Wie sie sich daraus befreien sollen, ohne Schaden zu nehmen, könnte interessant zu beobachten sein. Nächstes Jahr wählt Österreich einen neuen Bundeskanzler.
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