Medienkonferenz zu Corona«Wir haben uns bei der Kurzarbeit grausam verschätzt»
Was sagt das BAG zu den aktuellen Fallzahlen? Hat es genug Masken für die erste Lockerung des Corona-Regimes? Und was macht der Arbeitsmarkt? Das Update zur Corona-Situation in der Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze:
- Innerhalb des letzten Tages haben sich in der Schweiz 181 Personen mit dem Coronavirus angesteckt.
- Insgesamt gibt es bisher laut BAG 28'677 laborbestätigte Fälle.
- Bis Ende Monat beschafft die Armee rund 110 Millionen Schutzmasken.
- Bereits 1,85 Millionen Angestellte in der Schweiz wurden bisher für Kurzarbeit angemeldet. Das ist über ein Drittel aller Angestellten in der Schweiz.
- 1000 Armeeangehörige dürfen nach Hause.
Die wirtschaftlichen Folgen
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Um die Krise in den Griff zu bekommen, bezahlen die Länder weltweit gigantische Summen. Nicht alle Länder können sich das gleich gut leisten. Die stark steigende Verschuldung ist aber für alle eine Hypothek für die Zukunft.
Düstere Konjunkturaussichten
Die Coronakrise zeigt sich schon stark in der Wirtschaft. So hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) im ersten Quartal einen sehr hohen Verlust erlitten wegen des harschen Umfelds an den Finanzmärkten wegen der Pandemiebekämpfung und dem damit verbundenen Anstieg des Frankens.
Konkret weist die SNB für die Periode von Januar bis März 2020 einen Verlust von 38,2 Milliarden Franken aus. Dazu trugen insbesondere die Fremdwährungspositionen bei, auf denen ein Verlust von 41,2 Milliarden resultierte, wie die SNB am Donnerstag mitteilte.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) rechnet mit dem stärksten Einbruch der Wirtschaftsaktivität seit 1975 – konkret mit einem Absturz des Bruttoinlandproduktes (BIP) im laufenden Jahr um 6,7 Prozent, wie es am Donnerstag bekannt gab.
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Einen derartigen Einbruch der Wirtschaftsleistung gabs letztmals 1975 als Folge des Ölpreisschocks. Die Arbeitslosigkeit konnte man damals «exportieren», jetzt wird sie den Privatkonsum abwürgen.
Ausgangslage am Freitag
In der Schweiz und in Liechtenstein haben sich innerhalb eines Tages 181 Personen neu mit dem Coronavirus angesteckt. Damit bleibt die Zahl der Neuansteckungen seit mehreren Tagen tief. Am Donnerstag waren 228 Neuansteckungen gemeldet worden.
Insgesamt gab es am Freitag laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) 28'677 laborbestätigte Fälle. Die Todesfälle in allen Kantonen zusammen nahmen nach einer Zählung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bis Freitagmittag auf 1556 zu.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gab die Zahl der Todesopfer am Freitagmittag mit 1309 an. Das Amt bezieht sich auf die Meldungen, die die Laboratorien sowie Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Meldepflicht bis am Freitagmorgen übermittelt hatten. Die Zahl könne deshalb von den Zahlen der Kantone abweichen, schreibt das BAG
Bisher wurden gegen 240'600 Tests durchgeführt. Davon waren 14 Prozent positiv, wie das BAG schreibt. Eine Person kann mehrere Male getestet worden sein. Neu empfiehlt das BAG Tests für alle Patienten mit Symptomen von Covid-19. Bisher wurden nur Menschen mit Vorerkrankungen und Spitalpatienten getestet sowie Gesundheitspersonal.
Erste Lockerungen am Montag
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Am Montag ist der Besuch im Baumarkt, beim Arzt oder Tätowierer wieder möglich. Wie sich Kunden und Anbieter gegen das Coronavirus schützen, ist den Branchen überlassen. Trotz Konzepten bleiben Fragen offen.
Das sagt der Bundesrat zu den Lockerungen
Das Sortiment in Lebensmittelläden bleibt nun doch eingeschränkt. Das hat der Bundesrat am Mittwoch entschieden. Er ist damit auf seinen Entscheid von vergangener Woche zurückgekommen.
Gewisse Güter des täglichen Bedarfs sollten verkauft werden dürfen, sofern sie sich auf der Verkaufsfläche der Lebensmittelläden befinden. «Wir haben festgestellt, dass das zu vielen Unsicherheiten geführt und viele Fragen aufgeworfen hat», sagte Gesundheitsminister Alain Berset.
Deshalb sei der Bundesrat auf seinen Entscheid zurückgekommen. Kritisiert worden war unter anderem die Ungleichbehandlung von grossen Detailhändlern und Fachgeschäften. Die Sortimentsbeschränkung bleibt damit bis voraussichtlich am 11. Mai im Kraft. An dem Datum sollen alle Verkaufsgeschäfte wieder öffnen dürfen.
Lockerungen in der Gastronomie möglich
Berset stellte auch beschränkte Lockerungen in der Gastronomie, im Tourismus, im Kulturbetrieb und im Sport in Aussicht. Erste Entscheide will der Bundesrat schon nächste Woche fällen. Bisher hat er diesen Branchen keine Perspektiven geboten. Nun schloss Berset gewisse Lockerungen schon vor dem 8. Juni nicht aus.
Eine allgemeine Maskentragpflicht hält der Bundesrat nach wie vor für den falschen Weg, weil Masken zur Missachtung der Hygieneregeln verleiten könnten. Wichtiger sei nach wie vor, die geltenden Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. Masken kämen nur ergänzend zum Einsatz.
Täglich eine Million Schutzmasken
Auch in den Branchen, die demnächst wieder den Betrieb aufnehmen dürfen, sollen Masken eingesetzt werden. Die Branchenorganisationen müssen dafür Schutzkonzepte erarbeiten, der Bund gibt nur den Rahmen vor. Das Tragen einer Maske könne darin empfohlen oder vorgesehen werden, schreibt der Bundesrat in einer Mitteilung.
Der Bundesrat erinnerte daran, dass das Gesundheitswesen, Unternehmen und Privathaushalte Masken grundsätzlich selber beschaffen müssen. Weil diese derzeit aber sehr begehrt sind, geht auch der Bund mit dem grossen Portemonnaie auf dem Weltmarkt auf Einkaufstour. Allein für Hygienemasken für die Bevölkerung sind fast 400 Millionen Franken budgetiert.
Ab nächster Woche wird die Armeeapotheke während zwei Wochen täglich eine Million Hygienemasken an Detailhändler abgeben. Diese werden sie zum Einkaufspreis abgeben. Bisher wurden 21 Millionen Stück an die Kantone verteilt. Die aktuellen Lagerbestände des Bundes umfassen 18 Millionen Hygienemasken.
Von selbst gebastelten Masken rät der Bundesrat ab. Da solche nur dort eingesetzt werden sollen, wo Abstandsregeln nicht eingehalten werden könnten, sei ein minimaler Schutz wichtig, sagte Berset.
Atemschutzmasken der Schutzklassen FFP2 oder FFP3 sind weiterhin vorwiegend für medizinisches Personal vorgesehen, das im richtigen Umgang mit diesen Masken geschult ist. Am Lager sind derzeit 1,2 Millionen FFP2-Masken. Laut Verteidigungsministerin Viola Amherd sind am Mittwoch zudem zwei Maschinen zur Herstellung solcher Masken in der Schweiz eingetroffen. Damit sollen 80'000 bis 100'000 Masken hergestellt werden können.
Bürgschaften im Wert von 17 Milliarden Franken bewilligt
Die Corona-Krise wird dem Bund im laufenden Jahr ein Defizit von rund 80 Milliarden Franken bescheren. Trotz dieser düsteren Prognose hat Finanzminister Ueli Maurer die wirtschaftlichen Notfallmassnahmen gelobt. Das Ausland beneide die Schweiz dafür.
Laut Maurer hat der Bund bisher 109'000 Bürgschaften im Umfang von 17 Milliarden Franken bewilligt. Ihm sei bisher kein konkreter Fall von Missbrauch bekannt. Der Bund rechne auch langfristig mit Missbräuchen «deutlich unter einem Prozent».
«Das Liquiditätsprogramm funktioniert», sagte Maurer. Die Schweiz sei weltweit das einzige Land, das nicht nur Kredite gesprochen, sondern diese auch an die Front gebracht habe.
Insgesamt schätzt der Finanzminister, dass maximal 10 Prozent der Kredite nicht an den Bund zurückbezahlt werden. Der normale Verlust im Bürgschaftswesen betrage 1,5 Prozent, seine Aussage sei also sehr defensiv.
Die Kreditsteller seien «verantwortungsvolle Unternehmen, die das Geld zurückzahlen», versicherte Maurer. Und selbst wenn «einige Millionen» bachab gehen sollten, stimme das Gesamtpaket längst.
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