Medienkonferenz zu Corona«Wir haben uns bei der Kurzarbeit grausam verschätzt»
Was sagt das BAG zu den aktuellen Fallzahlen? Hat es genug Masken für die erste Lockerung des Corona-Regimes? Und was macht der Arbeitsmarkt? Das Update zur Corona-Situation in der Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze:
- Innerhalb des letzten Tages haben sich in der Schweiz 181 Personen mit dem Coronavirus angesteckt.
- Insgesamt gibt es bisher laut BAG 28'677 laborbestätigte Fälle.
- Bis Ende Monat beschafft die Armee rund 110 Millionen Schutzmasken.
- Bereits 1,85 Millionen Angestellte in der Schweiz wurden bisher für Kurzarbeit angemeldet. Das ist über ein Drittel aller Angestellten in der Schweiz.
- 1000 Armeeangehörige dürfen nach Hause.
Fazit
Die Zahl der Neuansteckungen mit dem Coronavirus geht in der Schweiz weiter zurück. Die Tendenz sei sinkend, sagte Daniel Koch, Delegierter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Covid-19, am Freitag vor den Bundeshausmedien. Er appellierte aber an die Bevölkerung, diszipliniert zu bleiben.
Am Wochenende seien die letzten Tage des strikten Regimes, dann gebe es erste Lockerungen. Auch danach gelte die Fünf-Personen-Regel weiterhin, es gelte ein Versammlungsverbot, und die Abstands- und Hygieneregeln müssten strikte eingehalten werden.
«Die Tendenz der Fallzahlen ist gut, wir möchten aber nicht, dass sie wieder ansteigen», sagte Koch. Das hänge entscheidend vom Verhalten der Bevölkerung ab. Eine Party im Park um eine Grillade herum sei «im Moment nicht angesagt». Nur wenn es gelinge, die Zahlen weiter zu drücken, sei es möglich, im Sommer zu einer Art Normalität zurückzukehren.
Der Covid-19-Delegierte zeigte sich aber «sehr zuversichtlich», dass die Lockerung der Regeln erfolgreich ablaufen wird. Er habe Vertrauen in die Geschäfte, dass sie die Schutzkonzepte einhielten, sagte er. Und er vertraue auch der Schweizer Bevölkerung, dass sie die übrigen Regeln einhalte.
Bedeutung der App relativiert
Wenn die Zahlen weiter sinken, soll das Contact Tracing wieder aufgenommen werden. Dabei werden alle Personen ausfindig gemacht und isoliert, die mit Infizierten Kontakt hatten. Dafür sind die Kantone verantwortlich. Ob dabei auch schon eine App zum Einsatz kommt, ist offen. Koch dämpfte jedoch die Erwartungen in diese technische Lösung. Die App werde beim Contact Tracing helfen, sie sei aber nicht das entscheidende Instrument.
Antikörpertests hingegen werden bei der Eindämmung vorläufig keine Rolle spielen. Das hat laut Koch weniger mit der Qualität der Tests zu tun als mit dem tiefen Anteil der Personen, die die Krankheit schon durchgemacht haben. Neueste Untersuchungen zeigten, dass es 5 bis höchstens 10 Prozent seien. Von einer Durchsuchung der Bevölkerung sei man weit entfernt. Die Tests könnten aber vielleicht langfristig einen Mehrwert bringen.
200 Personen an Beatmungsgeräten
Koch äusserte sich auch noch einmal zur Rolle, die Kinder bei der Verbreitung von Covid-19 spielen. Kinder seien selten infiziert und übertrügen die Krankheit auch selten, sagte er. Wegen dieses Befunds ist die Empfehlung des BAG auf Unverständnis gestossen, dass Grosseltern ihre Enkel weiterhin nicht hüten sollen. Der Grund seien nicht die Kinder, stellte Koch klar. Wenn sich die Familien nun wieder mischten, seien es die Erwachsenen, die die Grosseltern ansteckten.
Das BAG meldete am Freitag 181 Neuansteckungen und 41 weitere Todesfälle. Derzeit werden noch rund 200 Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen der Spitäler künstlich beatmet.
(SDA)
Ende der Medienkonferenz
Die heutige Informationsveranstaltung des Bundes ist beendet. Hier folgt in Kürze eine Zusammenfassung.
Einzelne Kantone verfolgen bereits jede Corona-Infektion
Laut Daniel Koch haben einige Kantone in der Innerschweiz nie ganz damit aufgehört, jede einzelne Corona-Infektion zurück zu verfolgen. «Dabei sprechen wir aber nicht von einem vertieften Contact-Tracing», erklärt Koch. Der Bund habe damit aufgehört, weil ein kantonsübergreifendes Tracing nicht mehr möglich war.
Wieso rät der Bund von selbst gemachten Masken ab?
Das BAG rät von selbst gemachten Masken ab. Laut Daniel Koch ist der Schutzfaktor bei diesen Modellen nicht gegeben. «Grundsätzlich fangen Schutzmasken Tröpfchen und Viren auf. Wenn man dann die Maske dann mit den Händen berührt, kommt es zu einer Verbreitung, die wir eigentlich verhindern wollen», sagt Koch.
Daher müssten Schutzmasken nach einmaligem Tragen weggeworfen werden. «Die Schweizer Textilindustrie hat jedoch damit begonnen, geeignete Stoffe für Schutzmasken zu suchen.»
Anti-Körper-Tests sind noch nicht zuverlässig
«Die Hoffnung auf den Antikörper-Test basierten auf die Annahme, dass die Durchseuchung der Bevölkerung relativ hoch ist», sagt Daniel Koch. «Tests zeigen aber, dass nur sehr wenige die Krankheit durchgemacht haben - maximal 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung.» Dies reiche bei weitem nicht für eine Durchseuchung. «Erst langfristig gesehen - über Jahre hinweg - werden diese Tests an Zuverlässigkeit gewinnen.»
Wenige Verstösse auf Baustellen
Auf Baustellen gelten seit dem Beginn des Lockdowns ebenfalls die Corona-Regeln des Bundes. Die Suva führt täglich Kontrollen durch. Boris Zürcher erklärt, dass bisher nur sehr wenige Verstösse dieser Massnahmen auf Baustellen registriert wurden. «Die Disziplin ist sehr gross.» Man setze auf die Eigenverantwortung der Arbeitgeber. Es sei ja auch nicht im Interesse der Arbeitgeber, dass ihre Angestellten krank würden, fügt Daniel Koch zu.
Eltern und Lehrer haben Angst vor Schulbeginn
Medienberichten zufolge äussern sich Eltern sowie Leherer besorgt gegenüber dem geplanten Schulbeginn am 11. Mai. Gemäss Daniel Koch sind Kinder jedoch eher selten vom Coronavirus betroffen. «Sie werden sehr wahrscheinlich nicht mal angesteckt. Eltern müssen also keine Angst haben, ihre Kinder in die Schule zu schicken.»
Da von den Kindern keine Gefahr ausgehe, müssen sich laut Koch auch Lehrpersonen nicht für dem Schulbeginn fürchten. «Ausserdem werden ja Sicherheitsmassnahmen getroffen», fügt Koch hinzu. Wenn, dann würden sich Lehrpersonen untereinander anstecken.
«Ich bin sehr zuversichtlich gegenüber den ersten Lockerungen»
Daniel Koch sieht den Lockerungen der Corona-Massnahmen positiv entgegen. «Ich habe kein mulmiges Gefühl, ich bin sehr zuversichtlich», sagt Koch. Er verweist darauf, dass es in der kommenden Wochen erst zu einigen wenigen Lockerungen komme. «Ich habe sehr viel Vertrauen in die Läden und die Bevölkerung, dass sie die Schutzmassnahmen weiterhin einhalten werden.»
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«Wir haben uns grausam verschätzt»
Wie Boris Zürcher vom Seco erklärt, hat der Bund die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise unterschätzt. «Wir haben uns grausam verschätzt», gibt Zürcher zu. «Weder die aktuelle Konjunkturprognose noch der sprunghafte Ansteig der Anträge für Kurzarbeit konnten wir so voraussehen.» Das zeige, dass die aktuelle Krise von historischer Dimension ist.
Besteht die Gefahr einer zweiten Welle?
Laut Daniel Koch gibt es mehrere Indizien für eine zweite Welle der Pandemie. «Primär können die Anzahl der positiven Fälle sowie die Anzahl neuer Hospitalisierungen eine zweite Welle ankünden», sagt Koch. «Daneben kann auch das System in den Spitälern, die Feedbacks aus den Kantonen und Spitäler Hinweise liefern.» Ziel sei es weiterhin, die Kurve so abzuflachen, dass man die Ansteckungen wieder zurückverfolgen kann.
Dürfen Arbeitnehmer Zuhause bleiben?
Gemäss Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit des SECO, beschäftigt sich der Bund derzeit mit der Frage, ob Arbeitnehmer ohne Angst vor Entlassung Zuhause bleiben dürfen. Die Frage der Lohnfortzahlungen sei dabei aktuell noch offen. «Es kann durchaus günstiger sein, die betroffene Person missbräuchlich zu entlassen», sagt Zürcher.
Wird das Besuchsverbot in Altersheimen gelockert?
Gemäss Daniel Koch empfiehlt das BAG derzeit noch immer, von Besuchen in Alters- und Pflegeheimen abzusehen. «Es gibt jedoch eine Empfehlung an die Kantone, dieses Verbot wieder aufzuheben. Diese können davon jedoch abweichen.»
Der Bund kennt laut Koch die Problematik mit Besuchsverboten in Alters- und Pflegeheimen. «Wir werden in den nächsten Wochen daher neue Empfehlungen aussprechen.»
Frage: Was bringt die Tracing-App?
Nun beantworten die Experten des Bundes die Fragen der anwesenden Journalisten. Daniel Koch vom BAG wird nach der Contact-Tracing-App befragt. «Die App kann nur ein Hilfmittel sein», so Koch. «Sobald alle Kantone alle Ansteckungsketten verfolgen können, werden wir damit starten.» Einzelne Kantone würden bereits die einzelnen Ansteckungsketten verfolgen können. «Überkantonal sind noch nicht so weit.»
1000 Armeeangehörige dürfen nach Hause
Brigadier Droz, Stabschef Kommando Operationen des VBS sagt, dass bis Ende dieser Woche 1000 Armeeangehörige nach Hause gehen können. «Bis zum 15. Mai sollten wir unseren Bestand weiter reduzieren können.»
Die Armee sei auf Bitten der Kantone eingesetzt worden und das System habe Einsatzfähigkeit bewiesen. «Das ist erfreulich. Die Sanitätstruppen standen den Kantonen und dem Bund zur Verfügung.» Einige Soldaten seinen nun vielleicht enttäuscht, nicht zum Einsatz gekommen zu sein. «Aber sicher ist niemand enttäuscht, dass es nicht mehr Tote gegeben hat.»
Rückholaktion wird beendet
Hans-Peter Lenz, Leiter Krisenmanagementzentrum des EDA spricht nun über die Rückholaktion des Bundes von Schweizer Touristen. Bisher wurden 33 Flüge durchgeführt. Insgesamt seien 6950 Schweizer transportiert worden. Mehr als 2000 ausländische Passagiere profitierten ebenfalls von den Rückflügen. «Die letzten beiden Flüge der Rückholaktion starten morgen und in der nächsten Woche – nach Ghana, Elfenbeinküste und Burkina Faso», sagt Lenz.
Die Kosten der Rückholaktion werden geteilt. «Die Touristen werden 80 Prozent der Kosten übernehmen. 20 Prozent trägt das EDA mit». Die Kosten für die einzelnen Personen werden sich je nach Länge der Flugstrecke auf 400 bis 1700 Franken belaufen.
Lenz bedankt sich zum Schluss bei den Fluggessellschaften und Reiseveranstaltern für die Zusammenarbeit.
Bis Ende Monat über 110 Millionen Masken
Nun erklärt Markus Näf, Brigadier und Beschaffungskoordinator des VBS, welche Schutzmaterialien der Bund weltweit einkauft. «Die Armeeapotheke wurde beauftragt, Schutzmasken, Schutzanzüge sowie Desinfektionsmittel und weitere Materialien für maximal 2,1 Milliarden Franken zu kaufen», sagt Näf. Damit soll vor allem das Gesundheitswesen der Schweiz unterstützt werden.
«Wir bestellen am liebsten in Grossaufträgen ab 10 Millionen Stück», erklärt Näf. Bei der Auswahl von Anbietern des Schutzmaterials gebe es vier Kriterien. So sei etwa ganz wichtig, dass bei den Produkten eine Qualitätssicherung möglich sei. «Wir wollen die Produkte bereits vor Ort, vor einem Flug in die Schweiz, prüfen.» Der Markt ist gemäss Näf immer noch eine Herausforderung. Insbesondere bei Schutzmasken gibt es eine hohe Nachfrage.
Bis heute wurden 22,6 Millionen Schutzmasken an Kantone verteilt. «Wir haben genügend Lager, um die Versorgung sicherzustellen, auch wenn die Nachfrage zunimmt», so Näf. «Wir erwarten aktuell 1800 Paletten mit Waren, darunter 90 Millionen Masken». Damit übertreffe man die Zielvorgabe des BAG, bis Ende Monat 75 Millionen Masken zu beschaffen. Privatpersonen werden nicht von der Armeeapotheke beliefert. Diese Verteilung laufe über den Bund. «Wir sind nur zuständig für den Einkauf und die Logstik.»
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Erst nach Okay der Arbeitskontrolle kann ein Betrieb öffnen
Um eine schrittweise Öffnung der Wirtschaft zu ermöglichen, hat der Bund unterdessen verschiedene Musterschutzkonzepte veröffentlicht. Laut Zürcher handelt es sich dabei um «minimale einzuhaltende Standards». Diese müssten alle Branchen und Betriebe einhalten, wenn die wieder öffnen wollen.
«Ob geöffnet werden kann, ist aber ein epidemiologischer Entscheid.» Das Seco bewillige und würdige keine Schutzkonzepte. Es gälten die Regeln des normalen Arbeitsgesetzes: «Der Arbeitgeber muss für die Gesundheit seiner Arbeitnehmenden sorgen.»
Bei der Umsetzung gebe es «gewisse Freiheitsgrade», sagte Zürcher. Wenn ein Unternehmen ein Schutzkonzept vorlegt, gibt es Kontrollen der kantonalen Arbeitsinspektorate. Erst nach deren Okay kann ein Betrieb öffnen.
Kurzarbeit: 535 Millionen ausbezahlt
Trotz milliardenschweren Mehraufwänden für die Kurzarbeitsentschädigung ist der Fonds der Arbeitslosenversicherung derzeit gut gefüllt. Am Donnerstagabend betrug das Eigenkapital 6,099 Milliarden Franken. Laut dem Bund gibt es keinen Engpass in den Kassen.
«Es ist deshalb noch zu früh, zusätzliche Mittel zu beantragen», sagt Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
Ende 2019 hatte der Fonds eine Reserve von 1,755 Milliarden Franken gehabt. Ende März beschloss der Bundesrat eine Einlage von 6 Milliarden Franken. «Wir beobachten den Fonds täglich», sagte Zürcher. Er erhalte jeden Abend einen Auszug.
917'000 bewilligte Gesuche
Wie das Seco kürzlich schrieb, werden die Aufwendungen der Arbeitslosenversicherung durch die Corona-Krise um mehrere weitere Milliarden Franken steigen, insbesondere für Kurzarbeitsentschädigungen. Sie werde daher das Jahr 2020 voraussichtlich mit einer erneuten «substanziellen Verschuldung» abschliessen.
Zum Vergleich: Bis Mitte März gab die Sozialversicherung im Jahr 2020 rund 5 Millionen Franken für die Entschädigung von Kurzarbeit aus, seither waren es 520 Millionen Franken. Bis dato wurden in Folge der Corona-Krise bereits 1,85 Millionen Angestellte für Kurzarbeit angemeldet, das entspricht über einem Drittel der Arbeitnehmenden in der Schweiz. Bewilligt wurden bisher Gesuche für 917'000 Erwerbstätige, wie Zürcher sagte.
Kochs Appell an die Bevölkerung
Die Zahl der Neuansteckungen mit dem Coronavirus geht in der Schweiz weiter zurück. Die Tendenz sei sinkend, sagte Daniel Koch, Delegierter des BAG für Covid-19, am Freitag vor den Bundeshausmedien. Er appellierte aber an die Bevölkerung, diszipliniert zu bleiben.
Am Wochenende seien die letzten Tage des strikten Regimes, dann gebe es erste Lockerungen. Auch danach gelte die Fünf-Personen-Regel weiterhin, es gelte ein Versammlungsverbot und die Abstands- und Hygieneregeln müssten strikte eingehalten werden.
«Die Tendenz der Fallzahlen ist gut, wir möchten aber nicht, dass sie wieder ansteigen», sagte Koch. Das hänge entscheidend vom Verhalten der Bevölkerung ab. Eine Party im Park mit 20 Personen um eine Grillade herum sei «im Moment nicht angesagt». Nur wenn es gelinge, die Zahlen weiter zu drücken, sei es möglich, im Sommer zu einer Art Normalität zurückzukehren.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldete am Freitag 181 Neuansteckungen und 41 weitere Todesfälle. Derzeit werden noch rund 200 Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen der Spitäler künstlich beatmet.
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Diese Experten informieren heute
Die Medienkonfernez beginnt. Wie üblich ist heute Daniel Koch, Leiter übertragbare Krankheiten und Delegierter des BAG für COVID-19, anwesend. Neben ihm beantworten auch Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO sowie Markus Näf, Brigadier und Beschaffungskoordinator des VBS sowie Brigadier Raynald Droz Fragen zur aktuellen Corona-Lage.
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