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Meinung

Kolumne «Dorfgeflüster»
Gewohnheitstiere unter sich

Darüber spricht das Dorf.
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BotTalk

Ich bin ein Gewohnheitstier. Woran ich das erkenne? Gewisse Rituale gehören bei mir im Tagesablauf einfach dazu. Wenn sie nicht stattfinden, finde ich das seltsam.

Zum Beispiel kontrolliere ich am Morgen, bevor ich das Haus verlasse, immer zwei- oder dreimal, ob ich Portemonnaie und Schlüssel (und neuerdings die Corona-Maske) dabei habe. Eigentlich unnötig, ich weiss, einmal würde ja reichen. Aber ich mache es trotzdem.

Wenn ich dann mit dem Velo zum Schiffsteg in Männedorf fahre, um nach Wädenswil zu pendeln, geht das nur mit den Handy-Kopfhörern im Ohr. Ich lausche einem Podcast oder lasse mich von Musik aufwecken. Es gab schon Tage, an denen ich fast das Schiff verpasst hätte, weil ich meine Kopfhörer nicht gefunden habe.

Wenn ich dann mit dem Velo am Schiffsteg ankomme, folgt das nächste Ritual. Ich stelle meinen Drahtesel immer an denselben Platz: ganz links beim Veloständer, unter den Bäumen. Dort werden Sattel und Velokette nicht so nass, wenn es einmal regnet.

Und genau dort durfte ich unlängst feststellen, dass ich nicht das einzige Gewohnheitstier bin.

Als ich nämlich wie immer das Velo auf «meinen» Platz stellen wollte, musste ich feststellen, dass dieser bereits besetzt war. Und nicht nur dieser: Alle Plätze waren mit Velos belegt, ja regelrecht überfüllt. Ich war irritiert. Mein Ritual konnte nicht stattfinden.

Zu mir gesellte sich dann an diesem Morgen plötzlich eine Dame mit dicker Wollmütze und langem Anorak. Auch sie hielt den Lenker ihres Zweirads etwas verkrampft in den Händen und starrte ungläubig auf das Durcheinander beim Abstellplatz.

«Kein Platz heute», sagte ich zu ihr.

«Ja, sogar mein Lieblingsplatz ganz links unter den Bäumen ist besetzt», meinte sie.

Wir schauten einander an – und mussten lachen. Gewohnheitstiere unter sich.