Lohn-Offensive wegen InflationGewerkschaften fordern: Wer eine Lehre gemacht hat, soll 5000 Franken verdienen
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund will, dass keine Löhne mehr unter 4500 Franken liegen. Mit Lehre sollen es mindestens 5000 Franken sein. Bislang gilt in fünf Kantonen ein Mindestlohn.
Auf viele Arbeitnehmende warten harte Zeiten: Die Teuerung wächst stärker als die Löhne, die Energiekosten steigen. Dazu kommt der Krankenkassenprämienschock im nächsten Jahr. «Die Kaufkraftkrise spitzt sich zu», heisst es in einer Pressemeldung des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) vom Dienstag. Das habe die neue Verteilungsanalyse SGB gezeigt.
Deshalb fordern die Gewerkschaften einen Lohn von mindestens 5000 Franken für all jene, die eine Lehre abgeschlossen haben. Und – so die zweite Forderung – niemand soll künftig weniger als 4500 Franken im Monat verdienen. Derzeit hätte ein Viertel aller Berufstätigen mit einer Lehre weniger als 5000 Franken im Monat in der Lohntüte, darunter Bäckerinnen, Verkäufer und Hochbauzeichnerinnen.
«Die Probleme sind nicht neu, aber das Ausmass hat sich verschlimmert.»
Weiter brauche es in der aktuellen Lohnrunde den Teuerungsausgleich plus Reallohnerhöhungen. Die Geschäftslage der Firmen sei gut bis sehr gut. Lohnerhöhungen für die Arbeitnehmenden seien entsprechend überfällig. Zudem will der SGB eine «substanzielle Erhöhung der Prämienverbilligung». Eine Milliarde Franken soll von National- und Ständerat zusätzlich gesprochen werden.
«Die Probleme sind nicht neu, aber das Ausmass hat sich verschlimmert», heisst es weiter. Besonders Menschen mit tiefem und mittlerem Einkommen seien davon betroffen, ihnen bleibe immer weniger zum Leben, während die Steuer- und Abgabenpolitik hohe Einkommen begünstige. So liege die Prämienbelastung für die Krankenkassen für eine Normalverdiener-Familie mit zwei Kindern bei knapp 14 Prozent. 2023 werde sie erstmals über 1000 Franken Prämie im Monat bezahlen müssen.
Positiv wertet der SGB den Verlauf der bisherigen Verhandlungen der diesjährigen Lohnrunde. Allerdings stünden weitere anspruchsvolle Sitzungen an, namentlich im Detailhandel. Auch wollten viele Kantone ihrem Personal den Teuerungsausgleich streitig machen.
Wo gelten schon Mindestlöhne?
Mindestlöhne in der Schweiz sind nicht neu. Nachdem das Stimmvolk im Jahr 2014 einen nationalen Mindestlohn von damals 4000 Franken bachab schickte, haben inzwischen einzelne Kantone Lohnuntergrenzen eingeführt: die Kantone Neuenburg, Jura, Genf, Basel-Stadt und Tessin.
Neuenburg hat im Sommer 2017 als erster Kanton einen Mindestlohn für gültig erklärt. Er liegt bei 20 Franken pro Stunde. Im selben Jahr folgte der Jura in derselben Höhe. Im Kanton Tessin sind es seit 2021 19 Franken, und in Genf gilt seit November 2020 ein Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde. Als erster Deutschschweizer Kanton haben sich 2021 die Stimmberechtigten in Basel-Stadt für eine Lohnuntergrenze von 21 Franken ausgesprochen.
Auch Städte wollen Mindestlöhne einführen. So unterstützt der Zürcher Stadtrat die Mindestlohn-Initiative «Ein Lohn zum Leben» der Linken. Sie verlangt eine Mindestberappung von 23 Franken, was etwa 4000 Franken brutto im Monat entspricht. In Winterthur sollen es 21.60 Franken sein.
Die aktuelle Forderung der Gewerkschaften von mindestens von 4500 entspricht etwa einem Stundenlohn von rund 25 Franken – das sind 2 Franken mehr als das aktuelle Höchst-Mindestgehalt in der Schweiz von 23 Franken im Kanton Genf.
Wie sieht es im Ausland aus?
Mit 13,05 Euro ist Luxemburg in der EU der Spitzenreiter in Sachen Mindestlohn, gefolgt von den Niederlanden (10,58 Euro) und Frankreich (10,57 Euro). Portugal, Griechenland oder die Türkei liegen unter der 5-Euro-Grenze. Am Ende der Rangliste findet sich Moldau, wo die Pflichtzahlung pro Stunde bei lediglich 0,88 Euro brutto liegt.
Italien und Österreich verfügen über keinen gesetzlichen Mindestlohn, ebenso wenig in Dänemark, Finnland, Schweden und Zypern.
Wirkung ist umstritten
Mindestlöhne helfen den Beschäftigten nicht, sondern erhöhen die Arbeitslosigkeit: So lautet das Hauptargument der Gegnerschaft von Mindestlohnzahlungen. Doch so eindeutig ist es nicht: Denn in der Theorie haben Mindestlöhne auch dann positive Beschäftigungseffekte, wenn die Arbeitgeber bei der Lohnfestsetzung zu viel Macht haben und damit die Löhne nach ihren Vorstellungen drücken können. Die Frage der Wirkung ist bis heute umstritten.
In Studien finden sich positive wie zu negative Folgen von Mindestlöhnen. Entscheidende Faktoren sind die spezifischen Umstände einer Branche oder Region und der Einfluss der Unternehmen und der Beschäftigten auf die Löhne.
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