Verwaltung statt VersorgungWas im Schweizer Gesundheitswesen schiefläuft
Das medizinische Personal verbringt immer mehr Zeit mit Administration und immer weniger mit Patienten. Und es drohen schon die nächsten Auflagen.
Mit Schrecken stellt man eine zunehmende Verstaatlichung des schweizerischen Gesundheitswesens fest. Während die Krankenkassenprämien stetig steigen und die Versorgungs- und Behandlungsqualität vor grossen Herausforderungen steht, setzen medizinisch unerfahrene Politikerinnen und Politiker auf immer neue Regulierungen. Die Meinung der Medizinerinnen und Mediziner ist nicht oder nur selten gefragt.
Unser Gesundheitswesen mit internationaler Anerkennung ist durch die Flut politischer Vorgaben ernsthaft gefährdet. Die Regulierungen schaffen einen Markt, der keinen Nutzen für die Behandlung der Bevölkerung bringt, sondern ein Betätigungsfeld für Gesundheitsexperten und Firmen zur Gewinnmaximierung. Besonders bedenklich: Die tatsächlichen Kosten dieser ausufernden Bürokratie und Administration werden in keiner offiziellen Statistik ausgewiesen.
Der Autor dieser Zeilen, der seit 1983 als Kliniker in verschiedenen Schweizer und internationalen Spitälern arbeitet, beobachtet eine fundamentale Fehlentwicklung: Statt die Ressourcen dem Gesundheitspersonal zuzuteilen, wird der administrative Sektor gefördert. Diese Umverteilung schwächt die klinische Versorgung und behindert die eigentliche Aufgabe des Gesundheitspersonals – die Behandlung von Patienten. Vor 14 Jahren hat der Autor einen Ruf nach Vancouver (Kanada) wegen der dortigen Staatsmedizin abgelehnt: Der Staat entscheidet, was für eine Medizin die Patientinnen erhalten dürfen. Die Schweizer Bevölkerung delegiert somit zunehmend ihr Lebensschicksal an den Staat. Die Gesundheit ist nämlich das höchste Gut eines Menschen – und nicht der Lifestyle-Luxus.
Die Zahl der Administrierenden vermehrt sich rasant. Ihr negativer Effekt multipliziert sich, da sie das medizinische Personal mit unzähligen Verwaltungsaufgaben überlasten. Administrative Nebenschauplätze zerstören die patientenbezogene klinische Arbeit.
Und jetzt noch Tardoc und «ambulante Pauschalen»
Die Ärzteschaft wird mit unnötigen Auflagen bombardiert: Obligatorische Datensammlungen, Register, Erneuerungsbewilligungen, kantonale Auflagen und Kompensationszahlungen. Auch die Digitalisierung verschärft das Problem hinsichtlich Kosten und Verwaltungsaufwand: Teure Klinikinformationssysteme wie das Epic-System des Berner Inselspitals (150 Millionen Franken) belasten das Budget und reduzieren durch unzählige «Klicks» die Behandlungskapazität. Die Folge: Das medizinische Personal verbringt mehr Zeit mit Verwaltungsaufgaben als mit Patienten, was viele qualifizierte, aber auch junge Fachkräfte aus dem Beruf treibt.
Auch der Bundesrat lässt mit seinen Vorgaben zum neuen ambulanten Verrechnungssystem Tardoc und den «ambulanten Pauschalen» per 1. Januar 2026 das Verwaltungsmonster weiter wachsen. Auch hier wird nicht die medizinische Versorgung, sondern die Administration gefördert. Mit der Vorlage Efas könnten, je nach Umsetzung, weitere Vorschriften, Kontrollen, kostenintensive Expertengruppen und medizinfremde Aufgaben hinzukommen.
Fachfremde Meinungsmacher ohne klinische Erfahrung treiben die Verstaatlichung unseres Gesundheitswesens voran. Sie verkennen dabei, dass die medizinische Patientenbetreuung auf fundiertem Fachwissen basiert – keine Kompetenz, die sich durch administrative Vorgaben ersetzen lässt.
Paul Mohacsi ist Medizinprofessor in Bern und Graz (Ö) und Inhaber eines Executive MBA der Universität Zürich.
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