Replik auf provokative AussagenWarum betreibt auch noch die Politik Ärzte-Bashing?
Mitte-Präsident Gerhard Pfister schiebt den Medizinern die Schuld an den Gesundheitskosten zu. Dabei weiss er genau, welches die wahren Treiber sind.

«Den Ärzten droht ein ähnliches Schicksal wie den Bankern», prophezeit Mitte-Präsident Gerhard Pfister im Interview mit dieser Zeitung. Wir haben seine provokativen Aussagen zu den heutigen Gesundheitskosten zur Kenntnis genommen. Wir sind beide sehr erfahrene Ärzte für innere Medizin/Kardiologie respektive für Herz-, Kinderherz- und Gefässchirurgie. Wir haben über 40 Jahre klinische Erfahrung mit allerlei belastenden Situationen, und dies Tag und Nacht, wie übrigens auch an sehr vielen Wochenenden. Die klinische Arbeit mit Menschen macht uns viel Freude. Geld stand für uns nie im Vordergrund, wir sind dementsprechend dem öffentlichen Spitalwesen treu geblieben! Nach wie vor sind wir zusätzlich akademisch tätig, in der Lehre und in der Forschung.
Was wir seit vielen Jahren beobachten und auch im Alltag erleben, ist eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, was zu einer grossen Unsicherheit bei der jüngeren Generation in der Ärzteschaft, aber auch in der Pflege führt. Im Rahmen der Inflation reden alle Berufssparten über die Notwendigkeit von Lohnverbesserungen. In der Medizin kennen die Taxpunkt-Werte von Tarmed und Swiss DRG nur eine Richtung, nämlich nach unten.
Dazu zwei Beispiele aus der realen Welt, die die Politik, aber auch die Medien sicher ungern hören. Für den operativen Ersatz einer Herzklappe (eine immerhin mittelgrosse, offene Herzoperation) wurde einem der hier Schreibenden ein Honorar von 390 Franken angeboten, dies bei einer Gesamtrechnung an die Krankenkasse von über 60’000 Franken. Einer der besten Handchirurgen der Schweiz, in der Privatpraxis etabliert, kündigte kürzlich seinen «Consultant»-Vertrag mit einem Universitätsspital, nachdem ihm 75 Franken als Stundenlohn angeboten worden waren. Dies ist auch eine Realität, die die Politik wahrnehmen sollte.
Es gibt in der Medizin, sicher wie überall, auch einige «schwarze Schafe». Der allergrösste Teil der Ärzteschaft verdient aber sein Leben mit sehr viel Fachwissen, einem überdurchschnittlichen Engagement und Bescheidenheit.
Wir gehören nach Pfisters Ansicht zu den «bösen Ärzten», die angeblich schuld an den Gesundheitskosten der Schweiz sind. Wir sind überzeugt, dass er weiss, welches die wahren Kostentreiber sind, nämlich:
Die Überregulierung seitens der Politik und der Behörden und als Konsequenz davon eine ausartende Administration. Letztere führt dazu, dass viele junge Kolleginnen und Kollegen nach dem Medizinstudium mangels Arbeit mit den Patienten ihre Tätigkeit aufgeben.
Die massive Verwöhnung (Erwartungshaltung) seitens der Bevölkerung, vor allem in den städtischen Gebieten.
Die steigende Anzahl Abklärungen und Behandlungen, nicht zuletzt wegen des Bevölkerungswachstums und der Fortschritte der Medizin.
Uns mit Bankern zu vergleichen, ist nicht nur unfair, sondern verletzt viele von uns sehr: Unsere Arbeit führt, im Gegensatz zu jener des Bankers und zum Beispiel des Lobbyisten, zu einem lebenswichtigen Mehrwert und ist alles andere als «abzockerisch».
Paul Mohacsi und Thierry Carrel sind als Spezialisten für Kardiologie beziehungsweise Herzchirurgie in verschiedenen renommierten Instituten tätig.
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