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Neue Erkenntnisse
Kann dieser Fisch helfen, das Altern zu stoppen?

Jena , 070518 , Leibniz Institut für Alternsforschung Ð Fritz-Lipmann-Institut , Nothobranchius furzeri: ein innovatives Modell für die Alternsforschung Im Bild: Türkise Prachtgrundkärpfling *** Jena , 070518 , Leibniz Institut für Alternsforschung Ð Fritz Lipmann Institut , Nothobranchius furzeri an innovative model for ageing research In the picture Türkise Prachtgrundkärpfling
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Fische, die auf dem Trockenen, ganz ohne Wasser, bis zu acht Monate oder noch länger überleben? Was völlig abwegig klingt, gibt es tatsächlich. Die Rede ist von Killifischen, genauer dem «Türkisen Prachtgrundkärpfling», der in Tümpeln in Moçambique und Zimbabwe lebt. Während der kurzen Regenzeit sind die Teiche voll Wasser, in der länger dauernden Trockenzeit trocknen sie dann vollständig aus. Und dort, im trockenen Schlamm, überdauern Embryonen dieser Fische die Dürre, indem sie quasi auf die Pausetaste des Lebens drücken und die eigene Entwicklung einfach anhalten.

Dann, sechs bis acht Monate später, mit dem ersten Regen, erwachen die Fischembryonen wieder zum Leben. Nun geht es schnell. Sie entwickeln sich zu erwachsenen Fischen, als ob nichts gewesen wäre. Männchen kämpfen um die Weibchen, sie vermehren sich, sie altern – und sterben dann schon nach etwa sechs Monaten, zum Ende der Regenzeit. Killifische haben damit die kürzeste Lebensspanne aller Wirbeltiere auf der Erde.

«Ich finde es faszinierend, wie diese Fische das Leben in einer stark komprimierten Form abspulen», sagt Anne Brunet, Professorin an der Stanford University und Pionierin auf dem Gebiet der Killifisch-Forschung. Fast noch überraschender findet es die Biologin, dass die Fischembryonen die Phase des angehaltenen Lebens – die sogenannte Diapause – völlig unbeschadet überstehen. «Wenn sie aus der Diapause aufwachen, geht es ihnen bestens. Sie entwickeln sich und wachsen normal, sie vermehren sich normal, und sie haben die gleiche Lebenserwartung wie Embryonen, die keine Diapause durchgemacht haben.»

Da stellt sich die Frage: Wie machen die Killifische respektive deren Embryonen das? Wie schaffen sie es, sechs, acht Monate – unter Laborbedingungen sogar noch länger – völlig unbeschadet zu überstehen?

Das sind genau die Fragen, die Anne Brunet und ihr Team brennend interessieren. Denn sie ist überzeugt, dass sich in den Killifisch-Embryonen Antworten auf die Frage finden lassen, wie Zellen, Organe und letztlich auch wir Menschen altern. «Das klingt zwar nach Science-Fiction», sagt Brunet. «Wenn wir aber herausfinden, wie es Killifisch-Embryonen schaffen, ihre Zellen für lange Zeit zu präservieren, dann gibt das möglicherweise Hinweise darauf, wie wir menschliche Zellen, Gewebe oder Organe langfristig gesund halten können.»

Killifische sind perfekt angepasst ans Leben in den Subtropen

Die Killifische haben ihren Lebenszyklus über Jahrmillionen im Laufe der Evolution den sich saisonal stark wechselnden klimatischen Bedingungen angepasst. Ihre kurze Lebensspanne und die Fähigkeit, die Embryoentwicklung anzuhalten, sind demnach perfekte Adaptionen an das Leben in diesem subtropischen Klima. Doch wie es die Killifisch-Embryonen genau schaffen, die Diapause zu überstehen, ohne dabei zu altern oder Schaden davonzutragen, darüber weiss man noch relativ wenig. Wie schützen sie ihre Zellen in dieser Zeit? Wie halten sie sie am Leben? 

Erste Antworten auf solche Fragen lieferte Anne Brunets Team vor vier Jahren. Demnach ist es keineswegs so, dass in der Diapause einfach nichts passiert. Im Gegenteil. In dieser Phase aktivieren die Embryonen bestimmte Gene, welche dafür sorgen, dass das Erbmaterial DNA gut verpackt wird. Das wiederum führt dazu, dass die Aktivität anderer Gene, welche für die Zellteilung und die Organentwicklung zuständig sind, heruntergefahren wird, wie die Forschenden im Wissenschaftsmagazin «Science» berichteten. «Die Embryonen sind nicht tot, sie sind sehr lebendig in dieser Phase», sagt Brunet.

Das bestätigt auch ein weiterer Prozess in den Embryonen, dem Brunets Team auf der Spur ist. Demnach verändert sich die Zusammensetzung der Fettmoleküle in den Zellen, hin zu sehr langen Ketten von Fettsäuren. Dafür hat Brunet zwei mögliche Erklärungen: Zum einen seien Fette hervorragende Energiespeicher, die über eine lange Zeit angezapft werden können. Zum anderen bilden Fettsäuren die Membranen von Zellen und Organellen in den Zellen. «Die langen Fettsäuren könnten daher helfen, diese Membranen zu stabilisieren», sagt Brunet.

Brunet ist überzeugt, dass solche Erkenntnisse über fundamentale Prozesse während der Diapause von Killifisch-Embryonen künftig auch für Menschen relevant sein könnten. Denn dank diesen Erkenntnissen lassen sich möglicherweise Strategien entwickeln, wie man in Zukunft menschliche Zellen, Gewebe oder Organe erhalten und vor dem altersbedingten Verfall schützen kann. 

Viele Ähnlichkeiten zwischen Diapause und Winterschlaf

Allerdings ist auch klar: Killifisch-Embryonen und alternde menschliche Organe oder Zellen sind zwei ziemlich verschiedene Dinge. Ob die Erkenntnisse aus der Diapause-Forschung  daher einfach auf menschliche Gewebe und Organe übertragen werden können, muss sich erst noch zeigen. 

Die Diapause ist nicht die einzige von der Natur erfundene Form von «aufgeschobenem Leben». Dazu zählen auch der Winterschlaf, den diverse Tiere wie Bären oder Murmeltiere praktizieren, oder der sogenannte Torpor. Dies ist eine Reaktion einiger kleiner Säugetier- und Vogelarten auf Wasser- oder Nahrungsmangel. Die Tiere fahren dabei ihren Stoffwechsel drastisch herunter und sind völlig inaktiv. «Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen Diapause, Winterschlaf und Torpor», sagt Brunet. So hat man in vielen Formen des «angehaltenen Lebens» Veränderungen in der Verpackung der DNA oder bei den Fettsäuren gefunden – nicht nur in der Diapause von Killifischen. 

Daher die Frage an Anne Brunet: Wäre es bei der Suche nach Strategien, um  menschliche Organe oder Zellen vor Alterungsprozessen zu bewahren, nicht sinnvoller, den Winterschlaf oder den Torpor genauer zu studieren? Sie lacht und sagt: «Klar, das wäre näher beim Menschen.» Aber es gebe dabei ein grosses Problem für Forschende: «Es ist sehr gefährlich, Bären während des Winterschlafs in den Höhlen aufzusuchen.» Zudem könnte man an Wildtieren nur beschränkt Beobachtungen machen, Experimente wie mit den Killifischen im Labor seien nicht möglich.

Killifische sind für Forschende nicht nur wegen des gestoppten Lebens interessant. Sondern auch, weil sie als erwachsene Fische nur wenige Monate leben und nach ihrem kurzen Dasein nicht plötzlich tot umfallen, sondern einfach im Schnelldurchlauf altern. Deshalb holten Biologen bereits in den frühen Nullerjahren Exemplare des «Nothobranchius furzeri», so sein wissenschaftlicher Name, ins Labor. (Obwohl Killifisch-Männchen sehr aggressiv sind, hat der Name nichts mit «Killern» zu tun, sondern kommt aus dem Altniederländischen für «Tümpel».)

Old Killifish
Fish Core Facility at the Max Planck Institute for Biology of Ageing, Cologne, Germany

Schon bald zeigte sich, dass Killifische beim Altern ähnliche Prozesse durchmachen wie wir: Sie neigen zu «Kyphosen», einer Verkrümmung der Wirbelsäule, die sich beim Menschen als Altersbuckel manifestiert; ihre leuchtenden Farben verblassen, sie verlieren an Muskelmasse und Körpergewicht; sie bekommen Krebs und bewegen sich weniger. Im Gehirn degenerieren Nervenzellen, Amyloid sammelt sich in Klumpen an – ähnlich den Plaques bei Alzheimer-Patienten –, und alte Fische lernen schlechter als junge. Forschenden ist es derweil auch bereits gelungen, durch gezielte Eingriffe das Leben der Killifische zu verlängern, etwa durch die Gabe von Resveratrol, einem Stoff aus Rotwein, durch eine beschränkte Nahrungszufuhr oder Fastenkuren.

Anne Brunet und ihr Team wollen nun einen Schritt weitergehen. Sie möchten herausfinden, was auf verschiedenen Ebenen im Körper während des Alterns passiert – etwa in den Organen, in den Zellen, beim Verhalten oder bei der Regulierung der Genaktivität. Und vor allem wollen die Forschenden herausfinden, ob und wie einzelne Organe den Alterungsprozess synchronisieren. «Wir hoffen», sagt Brunet, «dass wir auf diese Weise irgendwann wirklich verstehen werden, was beim Altern genau passiert.»

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